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Replik auf die Antwort vom Büro des Bundeskanzlers Christian Kern

Aktive Arbeits… am Mo., 17.09.2018 - 18:30
Briefverlauf
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Angaben zum Brief
Brief abgesendet

An das
Bundeskanzleramt Österreich
Kabinett des Herrn Bundeskanzlers
Herrn Bundeskanzler Mag. Christian Kern
Ballhausplatz 2
A-1010 Wien

EINSCHREIBEN

Klagenfurt/Krumpendorf/Schladming, am 06.12.2016

Ihr Schreiben vom 27.10.2016

GZ • BKA-48/0009-KABBK/2016

(als Antwort auf die Argumentationsschrift und Analyse zum Ziel Vollbeschäftigung)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Kern,

besten Dank für Ihr im Betreff erwähntes Antwortschreiben.

Bedauerlicherweise handelt es sich bei Ihrem Schreiben vor allem um eine Darstellung allgemeiner Aussagen, die bereits aus öffentlichen und medialen Argumentationen bekannt sind. Auf unsere Kritik am AMS und auf weitere wesentliche Punkte zum behandelten Thema sind Sie leider nicht eingegangen.

Zu den Punkten zählen:

  1. Konkrete Maßnahmen zur Reduktion der konjunkturellen und strukturellen Arbeitslosigkeit
  2. Die entwürdigende Behandlung von Erwerbsarbeitslosen beim AMS
  3. Die mangelnde Effizienz der Beratung, Stellenvermittlung und Fortbildung beim AMS
  4. Die zunehmende Verarmung erwerbsarbeitsloser Menschen, da Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung nicht entsprechend der jährlichen Steigerung existentieller Lebenskosten, wie etwa die in Österreich unverhältnismäßig hohen Lebensmittelpreise im Vergleich zu anderen EU-Staaten, valorisiert werden
  5. Die angemessene Entlohnung und Existenzsicherung von Menschen, die gesellschaftlich und sozial relevante Tätigkeiten im Ehrenamt ausüben
  6. Die sozialversicherungsrechtlichen Verbesserungen für freie Dienstnehmer
  7. Die pensionsversicherungsrechtliche Anrechnung von Studien- und Ausbildungszeiten
  8. Die Notwendigkeit der österreichischen Politik, sich dem Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen“ zu widmen, das hierzulande noch nicht einmal ansatzweise diskutiert wird, während andere Länder schon vorsorgen

Deshalb erlauben wir uns, zu einzelnen Punkten noch einmal Stellung zu nehmen. Dass sich unsere Rückmeldung verzögert hat, liegt an einer internen Abstimmung im Verein „Aktive Arbeitslose“.

Zu Punkt 1:

Sie wollen gezielt kollektivvertraglich bezahlte Arbeitsplatzangebote schaffen. Hier bedürfte es einer näheren Erläuterung, was Sie darunter verstehen. Sollte damit der sogenannte zweite Arbeitsmarkt gemeint sein, erfüllt uns das mit Sorge. Denn wir halten dies nicht für eine Lösung, die eines demokratischen Rechtsstaates würdig wäre.

Das mag an unserer eigenen leidvollen Erfahrung liegen. Wir möchten das Thema „Zweiter Arbeitsmarkt“ an dieser Stelle noch einmal ausführlich behandeln. Denn darauf, so fürchten wir, zielen die angekündigten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ab.

In Sozialökonomischen Betrieben (SÖBs) und gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten (GBPs) ist die Bezahlung in eigens zu diesem Zweck eingefügten Bestimmungen zwar kollektivvertraglich geregelt, jedoch werden durch diese Bestimmungen auch ArbeitnehmerInnen zweiter Klasse mit beschränkten Rechten geschaffen.

Ungeachtet ihrer Qualifikation und beruflichen Erfahrung werden die Beschäftigten als ungelernte Hilfskräfte eingestuft und bezahlt.

Es handelt sich um Transitarbeitsverträge, die mehrfach verlängert werden können. Eine berufliche Weiterentwicklung und Perspektive wird in der Regel nicht geboten, genausowenig wie eine Lohnvorrückung entsprechend tatsächlicher Arbeitsleistung und Engagement.

Für solche Beschäftigungsverhältnisse, die laut AlVG §9, Absatz 7 als zumutbar gelten, gibt es keine regulären Stellenausschreibungen. Die Zuweisung erfolgt vielmehr durch das AMS, ohne dass dafür eine Begründung wie für andere AMS-Maßnahmen erforderlich wäre. Das Argument, solche Arbeitsverhältnisse dienen der Integration in den ersten Arbeitsmarkt, ist durch keine belastbaren Daten belegt.

Mit dem Beschäftigungsverhältnis ist eine „sozialpädagogische Betreuung“ verpflichtend verbunden, ohne dass dafür ein Bedarf erhoben und die entsprechenden Maßnahmen der betroffenen Person transparent gemacht werden. Dies kommt einer psychosozialen Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen gleich, die aufgrund der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung ihr Erwerbseinkommen verloren haben.

Entsprechend der Regelung im AlVG §10 können bei Ablehnung eines solchen Dienstverhältnisses durch die betroffene Person Bezugssperren verhängt werden. Dies verstößt gegen das Menschenrecht auf frei gewählte Arbeit.

Dass die Wahrscheinlichkeit, Arbeitslosigkeit nachhaltig durch Konjunkturprogramme verhindern zu können, verschwindend gering ist, haben wir in unseren Ausführungen zur Automation, Robotisierung und Digitalisierung (Industrie 4.0) umfangreich dargestellt. Es werden nicht mehr ausreichend neue Jobs entstehen, sondern vielmehr weitere derzeit noch reguläre Erwerbsarbeitsplätze vernichtet werden.

Darüber hinaus ist mittlerweile allgemein bekannt, dass ein „Wirschaftswachstum per se“ die Zerstörung der sozialen und ökologischen Grundlagen des Zusammenlebens auf unserem Planeten mit verursacht. Vielmehr gilt als Aufgabe des Wirtschaftssystems – und das hat auch Harald Orthaber in seinem Text für die 14. Konferenz IZ festgehalten – dass die Deckung der Bedürfnisse aller Menschen im ökologischen und sozialen Rahmen sichergestellt sein muss. Geld sollte dabei hauptsächlich den Austausch von Leistungen (Arbeitsteilung auf faire Weise) ermöglichen.

Zu den anderen Punkten:

Sie lassen in Ihrem Antwortschreiben offen, wie maßgeschneiderte AMS-Lösungen aussehen sollen und wie man im Laufe des Erwerbslebens eine andere „Abzweigung“ – wie Sie es nennen – wählen kann, und zwar nicht nur für diejenigen, deren Ausbildung aufgrund des strukturellen Wandels in der Wirtschaft nicht mehr greift, sondern auch für jene, die aus individuellen Gründen ihren Ausbildungswerdegang revidieren möchten oder sogar müssen.

Es ist aber wichtig dabei festzuhalten, dass dies jedem Menschen – unabhängig von seiner finanziellen Situation und unabhängig vom Alter – möglich sein muss, so wie in Schweden. Das bedeutet, dass Ausbildung für alle kostenlos sein muss und dass man für die Zeit der Ausbildung wieder vom Staat abgesichert werden muss (Studienbeihilfe, Wohnbeihilfe, etc.).

Es wird von Ihnen völlig offen gelassen, was unter „individuellen Problemlagen“ von Stellensuchenden beim AMS zu verstehen ist.

Auf alle anderen verbleibenden Punkte sind Sie leider überhaupt nicht eingegangen.

Sie treten zwar für Arbeitszeitverkürzung ein, relativieren dies aber durch den Hinweis, dass es dazu politische Mehrheiten braucht. Das ist uns bekannt. Jedoch sehen wir es als Aufgabe einer Bundesregierung, Konzepte vorzulegen, die geeignet sind, aktuelle Probleme zu lösen: 
Transparent und mit entsprechender Überzeugungskraft, sodass dafür eine demokratische Mehrheit erreicht werden kann.

Für Menschen, die noch in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt mit gut bezahlter Erwerbsarbeit zu verdienen, mag dies aus unmittelbarer Erfahrung schwer nachvollziehbar sein:

Wir brauchen einen Paradigmenwechsel, einen grundlegenden Umbau des bisherigen Systems hinsichtlich der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, um Schritte in Richtung sozialer Gerechtigkeit überhaupt möglich zu machen.

Angesichts der unaufhaltbaren globalen Entwicklung, die wir in unserem Schreiben ausführlich dargelegt haben, halten wir die Entkopplung von Existenzsicherung und Erwerbsarbeit für die einzig mögliche Lösung, um eine Spaltung der Gesellschaft und eine Verarmung wachsender Bevölkerungsschichten nachhaltig zu verhindern.

So wie das System AMS derzeit funktioniert, dient es vor allem dazu, erwerbsarbeitslose Menschen als Objekte zu verwalten, durch entwürdigende Behandlung zu schädigen und so ihren Wiedereinstieg in die Arbeitswelt mehr zu behindern als zu fördern. Denn bezahlte Arbeitsplätze, die nicht vorhanden sind, können auch nicht vermittelt oder durch AMS-Maßnahmen herbeigezaubert werden. Die dafür eingesetzten Versicherungsgelder und öffentlichen Mittel könnten unseres Erachtens sinnvoller verwendet werden für die Erforschung und Entwicklung nachhaltiger Lösungen.
Hier bietet sich ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) als aktuell und international diskutierte Möglichkeit an.

Wir wenden uns an Sie als mündige BürgerInnen eines demokratischen Rechtsstaates und hoffen auf eine entsprechende Antwort unseres Bundeskanzlers.

Mit freundlichen Grüssen

Mag.a Andrea Bugge
Dr. Mag. Stefan Risto-Donevič
Mag.a Margarita Egghart
Sonja Elmenreich

In Abstimmung mit dem Vorstand und aktiven Mitgliedern des Vereins „Aktive Arbeitslose“.

ANMERKUNG: Aufgrund der Entfernung der Wohnadressen von Frau Egghart und Frau Elmenreich ist es diesen nicht möglich, dieses Einschreiben persönlich zu unterzeichnen. Die Anschriften gelten daher als Unterschrift.

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