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Armutszeugnis Armutskonferenz: Anmerkungen von Karl Reitter

Aktiver Admin am Di., 04.04.2017 - 21:33
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Liebe Nicola Sekler!

Ich möchte dir in meinem Namen antworten. Wir, die Redaktion der grundrisse haben zu vielen Fragen durchaus unterschiedliche Meinungen und wir haben auch nicht das Bedürfnis, uns immer auf eine Position verständigen zu müssen. Das möchte ich vorweg festhalten.

Ich kenne Martin Mair ein wenig und schätze seine Arbeit sehr. Dass er - wie man so sagt - nicht immer der Einfachste sein soll, wurde mir auch schon berichtet. Ich kann jetzt auch nicht beurteilen, ob seine Kritik tatsächlich zutrifft oder nicht. Allerdings meine ich, so absurd sind seine Vorwürfe wieder nicht.

Ich beobachte die Arbeit der Armutskonferenz von außen und muss sagen, ich werde mein Unbehagen nicht los. Seine Kritik am paternalistischen Umgang kann ich durchaus verstehen. Aber ich will jetzt etwas präziser werden. Es ist für mich offensichtlich, dass bestimmte politische Positionen systematisch ausgeschlossen, andere hingegen favorisiert werden. Wie dies nun konkret durchsetzt wird, entzieht sich meiner Kenntnis, dass dies so ist, ist offensichtlich. Im Klartext: Die Armutskonferenz formuliert sehr eindeutig linkskeynesianistische Positionen, die meiner Auffassung nach für die Phase des Fordismus (etwa bis 1975) wohl Bedeutung hatten, inzwischen jedoch nicht mehr greifen können.

Trotzdem halten bestimmte Milieus unbeirrt daran fest, vor allem linke GewerkschafterInnen, SozialdemokratInnen und eben auch die Armutskonferenz. Ein Beispiel dafür, auf eurer Homepage steht: "3.Es braucht eine neue und innovative Arbeitsmarkt- und Arbeitszeitpolitik". Jobs, Jobs, Jobs, das ist also die Antwort? Und das angesichts der neuen, sich ausbreitenden prekären Arbeitsverhältnisse, das, nach Jahrzehnten der neoliberalen sozialtechnischen Umwälzung der Arbeitswelt die nicht zurückgenommen werden kann?  Was statt dessen nötig wäre, kann ich grob in drei Punkten zusammen fassen:

1. Klar zu sagen, dass die Krise das beste Mittel der herrschenden Klassen ist, substanzielle Verschlechterungen für die Massen durchzusetzen, die auch bewusst geplant werden. Griechenland ist dafür das Labor.

2. Klar zu sagen, dass die Produktion des gesellschaftlichen Reichtums zur Verarmung der Massen führt. Der akkumulierte Reichtum tritt einerseits als sachliche Macht den Lohnabhängigen entgegen, andererseits strömt das nicht unmittelbar verwertbare Kapital in den Finanz- und Immobiliensektor und verteuert so letztlich die Grundstückspreise und die Mietkosten.

3. Klar und eindeutig die Verklammerung von Einkommen und Lohn- bzw. Erwerbsarbeit aufzugeben und ohne Wenn und Aber für das bedingungslose garantierte Grundeinkommen einzutreten.

Wenn ich statt dessen lese: "Zudem  braucht es eine Arbeitsmarktpolitik, die neue und gute Jobs für alle schafft und die dafür sorgt, dass es Qualifizierung und Arbeitsmöglichkeiten auch für Personen gibt, die auf dem regulären Arbeitsmarkt nur sehr schwer einen Job bekommen." kann ich nicht umhin mir zu denken, das ist erstens illusionär und zweitens - nicht bös sein - DAS unterschriebt auch die ÖVP oder das AMS. Als ob die strukturelle Arbeitslosigkeit eine Frage der Qualifikation wäre! Nochmals nicht bös sein, das ist Mainstream, diese Ausrichtung stört niemanden sondern legitimiert höchstens die wuchernde Coachingindustrie.

Ich will nun nicht eure Arbeit mit Bausch und Bogen abwerten, ihr fordert eine soziale Infrastruktur, allerdings könnt ihr euch nicht dazu durchringen, eine kostenlose Benutzung zu fordern. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Das linkskeynesianische Milieu ist zweifellos ein Bündnispartner in vielen Fragen. Aber es hat nach meiner Sichtweise klare Grenzen die um so problematischer wirken, je mehr die Lage der Massen verschlechtert werden soll.

Mir ist bewusst, dass die drei von mir  genannten Punkte kaum eine Mehrheit innerhalb der Armutskonferenz finden würden und auf der Homepage gefordert werden könnten. Das ist weiter nicht tragisch. Viele politische Kräfte vertreten Auffassungen, denen ich nur teilweise zustimmen kann. Das ist auch angesichts der unumgänglichen Pluralität innerhalb der linken Szene unaufhebbar. Die gesellschaftlichen Verhältnisse erzeugen unterschiedliche Erfahrungen und Auffassungen. Davon ist immer auszugehen.

Allerdings, und da muss ich Martin recht geben, zumindest nach außen wirkt die Armutskonferenz leider teilweise durchaus selbstgefällig. Das hängt damit zusammen das sie so tut, als seien ihre Analysen und Vorschläge das A und O der Armutsbekämpfung und es gäbe dazu keine Alternativen. Dem ist sicher nicht so. Die Forderung nach dem Grundeinkommen schlichtweg ignorieren - so, als ob es sie gar nicht gäbe, das erzeugt nicht unbedingt nur Sympathien.

mit solidarischen Grüßen
Karl Reitter

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