Asyl I. Die Sozialministerin will Flüchtlinge zur Arbeit zwangsverpflichten. Doch das ist rechtlich nicht umsetzbar.
VON PHILIPP AICHINGER
Wien. Mit ihrem Vorschlag einer Arbeitspflicht für anerkannte Flüchtlinge sorgt Sozialministerin Beate Hartinger-Klein für Aufregung. Doch inwiefern kann man Personen überhaupt zu einer Arbeit verpflichten? Und darf man Asylberechtigte diesbezüglich anders behandeln als Österreicher? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick: 1 Welcher Plan schwebt Beate Hartinger- Klein konkret vor?
Die Sozialministerin will Asylberechtigte ohne Job für Arbeiten in bestimmten Branchen einsetzen. „Entweder qualifiziere ich diese Asylberechtigten oder ich setze sie verpflichtend ein, etwa im landund forstwirtschaftlichen Bereich“, sagte sie in der „Kärntner Krone“. Als Beispiel für Einsatzgebiete von Asylberechtigten nannte sie Tätigkeiten als Erntehelfer oder Einsätze gegen den Borkenkäfer im Wald.
Am Dienstag bestätigte ein Sprecher Hartinger-Kleins der „Presse“, dass derartige Pläne geprüft werden. Fragen zu Details (Welche Sanktion soll drohen, wenn ein Asylberechtigter die Arbeit ablehnt? Aufgrund welcher Gesetze will Hartinger anerkannte Flüchtlinge zur Ernte verpflichten?) wollte das Ministerium jedoch nicht beantworten.
2 Darf der Staat Personen zu einer Arbeit zwingen?
Artikel 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ist recht eindeutig. „Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten“, heißt es darin. Die EMRK nennt aber Ausnahmen. So dürfen Strafhäftlinge zu den im Gefängnis üblichen
Arbeiten herangezogen werden. Und im Falle von Katastrophen darf jeder Bürger zur Arbeit verpflichtet werden, wenn sonst das Leben oder das Wohl der Gemeinschaft bedroht ist.
Erlaubt ist es nach der EMRK auch, Bürger zum Heeres- oder Zivildienst zu verpflichten. Und „normale Bürgerpflichten“, müssen stets erfüllt werden. Unter den Begriff falle etwa die Reinigung des Gehsteiges vor dem eigenen Haus, erklärt Bernd-Christian Funk, Dekan der Jus-Fakultät an der Sigmund Freud Privatuniversität. Eine Tätigkeit als Erntehelfer oder Borkenkäferbekämpfer gehört aber nicht mehr dazu.
3 Dürfte man Asylberechtigte anders behandeln als Österreicher?
Nein. „Asylberechtigte sind wie Inländer zu behandeln“, betont Walter Obwexer, Professor für Europaund Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Neben der Genfer Flüchtlingskonvention würden das auch EU-Richtlinien vorschreiben, sagt der Experte. Das Arbeitsmarktservice – es soll laut Hartinger- Klein die Arbeitspflicht abwickeln – dürfte also Flüchtlinge auch finanziell nicht anders sanktionieren als Österreicher, wenn diese bestimmte Arbeiten nicht annehmen.
4 Wie könnte man Leute dazu bringen, als Erntehelfer zu fungieren?
Man könnte Personen niedrigere Sozialhilfe auszahlen, wenn sie Arbeiten als Erntehelfer verweigern. Das wäre zulässig, meint Obwexer. Jedoch nur, wenn die Maßnahme gleichermaßen Asylberechtigte und Österreicher betrifft. Personen, die eine Arbeit ablehnen, aber dann nicht einmal mehr das Lebensnotwendige auszuzahlen wäre unzulässig, sagen Obwexer und Funk. Das Verbot zur Zwangsarbeit kann also nicht über die Sozialhilfe umgangen werden.
5 Was sagen die ÖVP und die Opposition zu Hartingers-Kleins Plan?
Sebastian Kurz hatte im Jahr 2016 als Integrationsminister verpflichtende gemeinnützige Ein-Euro-Jobs für arbeitslose Asylberechtigte angedacht. Daraus wurde nichts. Zur Idee einer Zwangsarbeit wollte sich die ÖVP am Dienstag nicht äußern. Man verwies nur allgemein auf die Zuständigkeit des Koalitionspartners für das Thema.
Kritik kam von der SPÖ. „Zwangsarbeit hatten wir schon einmal“, erklärte Sozialsprecher Josef Muchitsch und erinnerte so an die Nazi-Zeit. Schon jetzt müssten Asylberechtigte wie auch Österreicher zumutbare Arbeiten annehmen, um bestimmte Leistungen zu erhalten, betonte er. Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker meinte, der Vorschlag zur Zwangsarbeit könne doch „nicht ernst gemeint sein“. Loacker vermutet, ein Ablenkungsmanöver der Koalition die am Mittwoch im Verfassungsausschuss die Anhebung der Parteiförderung beschließen will.