25.1.2012
Liebe KollegInnen,
die vom skandalös oberflächlichen Urteil Betroffene ist Mitglied der "AKTIVEN ARBEITSLOSE". In diesem Fall, wurde vom AMS behauptet, es gäbe eine Arbeitsstelle beim gemeinnützigen Beschäftigungsprojekt GEGKO, ohne die angeblich offene Stelle zu konkretisieren. Die Betroffene versuchte herauszufinden, um was für eine Stelle sich dabei handle, um sich auf das Bewerbungsgespräch besser vorbereiten zu können. Sowohl GEGKO als auch das AMS weigerten sich, nähere Informationen zu geben, obwohl vom Gesetz her das AMS nur jene Stellen vermitteln darf, über deren Anforderungsprofil es Bescheid weiß und über die es Auskunft geben kann. Die Betroffene sah sich daher außer Stande, ein Vorstellungsgespräch für einen unbekannten Job zu machen, zumal sie (zurecht) befürchtete, dass ihre schwächere Position ausgenutzt werde (Darum gibt es auch im ABGB entsprechende Paragrafen die das verhindern sollen).
Wie aus dem Urteil hervor geht, wurde aber von GEGKO nur eine Arbeit in einer Gemeinde angeboten, als Personalüberlassung. Statt der ortsüblichen kollektivvertraglichen Entlohnung nach Gemeindeschema wurde aber nur eine pauschalierte Entlohnung nach der sittenwidrigen Transitarbeitskräfteregelung des BAGS-KV angeboten (keine Anrechnung von Vordienstzeiten und von QUalifikationen, keine Gehaltsvorrückungen). Also für uns eindeutig ein rechtswidriger Umgehungsvertrag.
Der Verwaltungsgerichtshof deckt also mit diesem Unrechtsurteil den systematischen Bruch des Arbeitsrechts durch das AMS und seine Dienstleister (SÖBs und GBPs). Ein rechtspolitischer Skandal höchsten Grades, wird nämlich dadurch ein "Zweiter Arbeitsmarkt" geschaffen, für den das Arbeitsrecht nicht mehr in vollem Umfang gelten soll. Ganz einfach so, ohne Gesetz. Menschenrechtswidrig ist das sowieso, aber wen kümmern die schon in Österreich?
Mit freundlichen Grüssen
Martin Mair
Obmann "AKTIVE ARBEITSLOSE"
Ergänzung (27.1.2011): Der VwGH schmeisst einfach seine alte Rechtsprechung um, derzufolge eine "sich bietende" Arbeitsgelegenheit ein am Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenes Arbeitsverhältnis sein muss (VwGH 2006/08/0252 Rechtssatz 5) oder ein konkretes Arbeitsangebot vorliegt (VwGH 2007/08/0163 Rechtssatz 1). Geradezu absurd ist es, dass der Verwaltungsgerichtshof nun verlangt, im Zuge der "Eigeninitiative" solle man sich auch um Arbeitsverhältnisse am 2. Arbeitsmarkt vom AMS finanzierte "Arbeitsverhältnisse zur Wiedereingliederung" bewerben! Der VwGH ignoriert nach wie vor das in Gesetzesrang stehende Recht auf eine frei gewählte Arbeit (ILO-Übereinkommen 122, BGBl 355/1972) sowie die Begründungspflicht auf den Einzelfall hin für alle vom AMS finanzierten Förderungen/Maßnahmen nach § 31 AMSG zu begründen und nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit, letztere ist sogar ein Verfassungsgrundsatz, vorzugehen hat. Wie kann es sein, dass AMS-Programme nicht mehr auf gesetzliche Kriterien hin hinterfragt werden können sollen? Wozu gibt es Gesetze, wenn der Verwaltungsgerichtshof diese völlig ignoriert? Abenteuerlich, dass der VwGH aus einer im Betreuungsplan "vereinbarten" Zuweisung plötzlich im Nachhinein in eine "sich bietende Arbeitsgelegenheit" umdefiniert. Was der VwGH hier betreibt ist aus unserer Sicht Willkür und damit verfassungswidrig.
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
liebe Freunde,
Zunehmend oberflächlich und bedenklich wird die Judikatur des VwGH zu den Sperren nach § 10 AlVG:
Der Senat 8 des Verwaltungsgerichtshofes, der in Arbeitslosenversicherungsrechtssachen zuständig ist, hatte bislang eine sehr hoch stehende und differenzierte Judikatur, die zunehmend zu verfallen scheint.
Es scheint nun auch bei diesem Senat möglicherweise das Phänomen herauf zu dräuen, dass der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der Überlastung, die durch die Verwaltungsbehörden und durch die Gesetzgebung produziert wird, vor Missständen auf die Knie geht. In einigen mündlichen Verhandlungen musste ich nun wahrnehmen, dass beim Verwaltungsgerichtshof eine gewisse Uninformiertheit über das Ausmaß der Heimtücke der Gesetzgebung und der darauf bezughabenden Praxis mit der Implementierung der so genannten sozialökonomischen Betriebe und gemeinnützigen Beschäftigungsprojekte vorherrscht. Versuche meinerseits, diese Uninformiertheit in der mündlichen Verhandlung zu beseitigen, sind auf harsche Worte gestoßen. Allerdings harren einige Beschwerden, in denen geltend gemacht wird, dass es sich um sittenwidrige verfassungswidrige Umgehungskonstrukte zur Außerkraftsetzung gesetzlicher Ansprüche auf Arbeitslosengeld handelt, der Entscheidung.
Der ansonsten bisher nicht oberflächlich entscheidende Senat 8 des VwGH lieferte nun ein in verschiedenster Hinsicht bedenkliches Judikat, das ich anschließe. Eine vollständige Analyse und Wiedergabe der Bedenken gegen dieses Erkenntnis kann an dieser Stelle nicht erfolgen, sondern nur auf einige wenige Punkte auszugsweise hingewiesen werden. Vergleicht man jedoch die Beschwerde, die eingebracht wurde, mit dem Erkenntnis, so muss man konstatieren, dass der VwGH über die Sache darübergefahren ist.
Der Senat 8 weist zunehmend eine Tendenz auf, Bescheide der Arbeitsmarktverwaltung zu halten.
Folgende besonders bedenklich Passagen in dem Judikat sind hervorzuheben:
Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass es ohne Relevanz ist, wenn die belangte Behörde das Verhalten der arbeitslosen Person bloß nicht dem richtigen Tatbestand des § 10 Abs. 1 A1VG unterstellt hat, sofern die Voraussetzungen für die Verhängung einer Sperrfrist nach einem anderen Tatbestand vorlagen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2010, Zl. 2007/08/0128).«
Verwaltungsrechtlich besonders kritisch ist, dass damit den Verwaltungsbehörden ein Freibrief für rechtliche Willkür eingeräumt wird, wenn der Verwaltungsgerichtshof im Nachhinein nur irgendeinen Grund, den die Verwaltungsbehörde selbst gar nicht erkannte, findet, um eine Sperre zu rechtfertigen. Eine derartige so genannte Wattierung von Bescheiden durch den Verwaltungsgerichtshof selbst, ist an sich unzulässig. Diese Sichtweise widerspricht grundlegenden verwaltungsrechtlichen Prinzipien.
»Diese Aufforderung zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch ist (auch) eine Aufforderung zur Eigeninitiative, deren Verweigerung iSd § 10 Abs. 1 Z 4 A1VG zum Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld führt.«
Zunehmend müssen Arbeitslose erfahren, dass sie im Nachhinein vom Verwaltungsgerichtshof belehrt werden, wie sie die Dinge sehen hätten sollen/müssen. Dass damit aber ein notwendiger Vorsatz im Bezug auf die Vereitelungshandlung auf Seiten des/der Arbeitslosen ausgeschlossen ist, fällt dem Verwaltungsgerichtshof nicht ein.
»Das Arbeitsmarktförderungsgesetz (AMFG) regelt in seinem zweiten Abschnitt (§§ 2 bis 9 AMFG) die Arbeitsvermittlung. § 6 AMFG enthält Bestimmungen über die Erhebung, Verarbeitung und Veröffentlichung von Daten im Rahmen der Arbeitsvermittlung. Nach § 6 Abs. 2 AMFG gilt die Aufnahme einer offenen Stelle als Zustimmung zur Weitergabe der Daten an Arbeitsuchende, wobei gerechtfertigte Einschränkungen aber zu beachten sind. Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung sind den Arbeitsuchenden auf Verlangen schriftliche Unterlagen über die angebotene Stelle zur Verfügung zu stellen. Da im zu beurteilenden Fall aber keine Vermittlung vorliegt, sondern der Beschwerdeführerin vom potentiellen Dienstgeber direkt ein Vorstellungsgespräch angeboten wurde, ist diese Bestimmung hier nicht anwendbar.«
Das Arbeitsmarktservices hat im vorliegenden Fall und unauthorisiert Daten an einen SÖB/GBP weitergegeben, der dann die Mandantschaft angerufen hat. Diese Methode wurde vom Verwaltungsgerichtshof ohne die Frage des Datenschutzes zu vertiefen, gebilligt und hat er den Vermittler gleich zu einem Beschäftiger gemacht (was der Betroffenen völlig unklar war, worauf nicht weiter eingegangen wurde) und die Arbeitslose damit auch gleich des Anspruches auf schriftliche Unterlagen über die angebotene Stelle beraubt.
Verwaltungsgerichtshof Quo vadis?
Mit freundlichen (kollegialen) Grüßen
Rechtsanwalt
Dr. Herbert Pochieser eh.
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