Sorry, you need to enable JavaScript to visit this website.

Hinweis zu E-Mail-Anfrage: Aus technischen Gründen und aus Gründen des Datenschutzes und der Netzpolitik bitte Google und gmx meiden! Weitere Infos

Caspar, Melchior und Balthasar - Gesperrt von Cartias & Co

Submitted by Aktive Arbeits… on Tue, 10.01.2012 - 21:18

Laut Aussendung der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar endet am 8. Jänner die Regentschaft von von Caspar, Melchior und Balthasar. Für „Solidarität mit den Ärmsten“ wurde im ganzen Land gesammelt. „Entwicklung ist dann wirksam, wenn die Menschen vor Ort ihre Sache selbst in die Hand nehmen“ verkündet die Sternsinger Zentrale, und: „Bildung, Sicherung von Lebensgrundlagen, Stärkung der Menschenrechte und die Förderung von Kindern und Jugendlichen, das sind die Grundvoraussetzungen, um den Teufelskreis von Armut und Ausbeutung auf Dauer durchbrechen zu können.“ Wahre Worte, die wir nur zu gerne hören.

Und wie schaut es in Österreich aus?

Wie jedes Jahr waren etwa 800.000 Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen, im Schnitt gelten offiziell 300.000 als Arbeit suchend, die Dunkelziffer ist etwa doppelt so groß. Rund 100.000 Existenz gefährdende Bezugssperren verhängt das AMS. Allzuviele davon rechtswidrig. Schätzungsweise die Hälfte bis zwei Drittel.

Caspar: Schikaniert von der Caritas Steiermark (VwGH 2007/08/0042)

Ein Urteil im Frühjahr bestätigte eine von der Caritas Steiermark veranlasste Bezugssperre. Caspar wurde unter Androhung des Existenzentzuges zur von der Caritas Steiermark durchgeführten AMS-Zwangsmaßnahme "TOL-Training und Orientierung für Langzeitbeschäftigungslose" zugewiesen. Caspar begann diese am 19. Juni 2006. Caspar absolvierte sogar ein dreiwöchiges Praktikum, obwohl dieses ja kein sanktionierbares Arbeitsverhältnis ist. Das wird die Caritas ihm wohl verschwiegen haben.

Damit begannen die Probleme, denn die Aufseher der Caritas wollten nähere Informationen über Caspars Praktikum. Das fällt aber unter den Schutz der Privatsphäre nach Artikel 8 Europäische Menschenrechtskonvention und die steht in Verfassungsrang. Caspar schwieg. Auch der Arbeitgeber hielt sich an den Datenschutz und verweigerte den informationshungrigen Caritas-Aufsehern die Auskunft.

Über den weiteren Leidensweg von Caspar hält der Verwaltungsgerichtshof immerhin fest: „Er habe sich auf Grund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung diskriminiert gefühlt und sei bei strömendem Regen zum Hofkehren bzw. auf der Baustelle eingeteilt worden, obwohl es ihm nicht gut gegangen sei. Er sei ständig in ärztlicher Behandlung bei seinem Hausarzt gestanden und gerade dabei gewesen, seinen gesundheitlichen Zustand, wie mit dem Arbeitsmarktservice vereinbart, abklären zu lassen.“

Der Arbeitslose sah seine letzte Zuflucht darin, vom 1.8 – 3.8.2006 täglich einen Arzt aufzusuchen, wohl in der Hoffnung, dadurch dem Kurs zu entkommen. Am 4.8.2006 wagte er es, erst um 9:30 Uhr in den Kurs zu kommen, wo doch die stramme Caritas die Menschen um 7:30 Uhr frühmorgens sozusagen zum Rapport ruft. Die Übung der „Arbeitstugenden“, die an alte Zeiten gemahnen, und der Kampf gegen die „Arbeitsentwöhnung“ gehört ja zu den Aufgaben derartiger „Wiedereingliederungsmaßnahmen“ im Auftrag des AMS.

Nach einer erfolglosen Berufung suchte Caspar beim Verwaltungsgerichtshof sein Recht zu bekommen. Der Verwaltungsgerichtshof griff aber tief in die Trickkiste und weigerte sich glattwegs mit den tieferen Gründen der „Vereitelung“ des Kurse auseinander zu setzen: Demnach „kommt es aber auf die weiteren zur Beendigung des Kursbesuchs führenden Umstände (insbesondere die im Abschlussbericht des Kursträgers behaupteten Störungen, Konflikte und Beschimpfungen, zu denen der angefochtene Bescheid keine auf ein ausreichendes Ermittlungsverfahren und unbedenkliche Beweiswürdigung gestützten Feststellungen enthält) nicht an.“ Caspar hat den Kurs abgebrochen, warum interessiert nicht, aus Schluss basta!

Somit haben die Täter in den Hilfsorganisationen freie Hand ihre unter Zwang zugewiesenen nach Belieben wie Menschen ohne Rechte zu behandeln.

Melchior: Von Volkhilfe „Kommuna“ zu Caritas „Benefit Work“ (VwGH 2005/08/0209)

Noch weniger Glück brachten die Hilfsorganisationen Melchior. Zuerst wurde er vom AMS Dresdnerstrasse zum Volkshilfeprojekt Kommuna zugewiesen, wo er am 5.7.2005 anfangen hätte sollen, um läppische 850 Euro brutto im Monat! Melchior war zuvor im Burgenland und sein Zug verspätete sich und er kam zu spät zur Volkshilfe. Das reichte bereits, dass das AMS Melchior den Bezug sperrte, und zwar vom 5.7.2005 bis 15.8.2005.

Kaum dass die Sperre aus war, hatte das AMS Melchior für den 16.8.2005 zu sich beordert und Melchior gleich den nächsten „Job“ angeboten: Als Transitarbeitkraft beim Caritas-Projekt „Benefit Work“. Wer davon profitiert hätte ist unklar, Melchior sicher nicht, denn hier wurden gar nur 650 Euro brutto geboten, obwohl dieses Projekt vom viel gepriesenen Wiener ArbeitnehmerInnen Förder Fonds WAFF gefördert wurde. Sogar der Verwaltungsgerichtshof sprach in seinem Urteil von einer „ungewöhnlich niedrigen Entlohnung“. Das Dienstverhältnis hätte Melchior bei der Caritas gleich Ruckzuck am nächsten oder übernächsten Tag antreten sollen. Neben gesundheitlichen Gründen gab Melchior an, den „Job“ bei der Caritas nicht angetreten zu haben, weil er nach der ersten Sperre kein Geld für die Fahrtkosten gehabt hätte.

Melchior hatte Glück, seine Beschwerde wurde bereits im Jahre 2006, also vor der berüchtigten AlVG-Novelle 2007, behandelt, als der Verwaltungsgerichtshof noch penibel urteilte. Mit der AlVG-Novelle wurden ja vorerst die Arbeitszwangprogramme der Hilfsorganisationen und Sozialökonomischen Betriebe legalisiert.

Dass “Rot” und “Schwarz” nicht nur in Wien gut zusammen arbeiten, wenn es um die Nutzung von Arbeitslosen als Billigarbeitskräfte geht, zeigt auch ein älterer Fall aus Linz, wo 1992 im Rahmen eines „bfi Renovierungsprojekts“ der „Kursort“ für das „Arbeitstraining“ ein Cartias-Heim war (VwGH 92/08/0216).

ERfA "Schritt für Schritt" … sind die Menschenrechte weg (VwGH 2008/08/0273)

Ein ebenfalls neues Urteil des Verwaltungsgerichtshof verweigert auch in einem anderen Fall mit faulen Ausreden das Recht: Balthasara lange Jahre als treue Chefsekretärin tätig verlor ihren Job wegen Rationalisierungs- sowie Umstrukturierungsmaßnahmen der Firma seinen und fand keinen neuen, weil Österreichs Wirtschaft ältere Menschen diskriminiert. Nach ein paar sinnlosen Bewerbungskursen und so weiter wurde Balthasara zu ERfA zugewiesen, wo im Grunde auch nichts Neues geboten wurde und ein nicht näher bezeichneter Job vermutlich zu sittenwidrig mieser Bezahlung angeboten wurde. Trotz Balthasaras Beharrlichkeit wurde ihr keine stichhaltige Begründung für diese Zwangsmaßnahme genannt. In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde darauf und einiges mehr hingewiesen; im vorherigen Akt sowieso auf noch vieles mehr.

All das, vor allem die noch viel umfangreichere Argumentation der Berufung gegen den Erstbescheid, wischte der Verwaltungsgerichtshof mit den kleinen Finger weg, indem er sich die Welt kurzerhand neu erfindet. Bloß weil die Zwangsmaßnahme im Betreuungsplan angekündigt wurde meinte er: „Es musste für sie iSd § 9 Abs. 8 AlVG offenkundig sein, dass sich die Wahrscheinlichkeit, zunächst einen Transitarbeitsplatz und über diesen sodann auch eine Beschäftigung am "ersten Arbeitsmarkt" zu erlangen, mit dieser Maßnahme zur Wiedereingliederung erhöhen würde.“ Dass die Arbeitslosen aber nicht über Ihr Recht aufgeklärt werden, den Betreuungsplan zu beeinspruchen, das scheint den hoch bezahlten Herren Richtern völlig egal zu sein, sie haben ja keine Ahnung vom wirklichen Leben.

Und dann setzten die Schreibtischtäter noch eines drauf und erklären alle Langzeitarbeitslosen zu Menschen zweiter Klasse: „Es ist notorisch und bedarf keiner näheren Begründung, dass eine langjährige Absenz vom Arbeitsmarkt den arbeitsplatzbezogenen Einordnungs- und Kommunikationsfähigkeiten eines potentiellen Mitarbeiters in der Regel nicht förderlich ist, was wiederum in den Augen von Arbeitgebern einen Bewerbungsnachteil bei sonst durchaus gleicher Qualifikation darstellen kann.“

Statt die Diskriminierung und die Ursachen für die schlechte psychische Verfassung mancher Langzeitarbeitsloser (repressive AMS-Bürokratie, soziale Ausgrenzung durch die Gesellschaft) zu bekämpfen werden also die Diskriminierten noch einmal verhöhnt und getreten und ihrer Menschenwürde beraubt!

Kann es sein, dass es notorisch ist, und daher keiner Begründung bedarf, dass Richter abgehoben sind und wieder Klassenjustiz betreiben? Und der Staat sowieso ein Unterdrücker ist, der nur mehr den Reichen und Superreichen dient?

Somit glauben nun das AMS und seine Zuarbeiter, freie Hand für die Verletzung der Menschenrechte und auch des sonst geltenden Rechts zu haben. Dank ERfA, ausgezeichnet mit dem Menschenrechtspreis des Landes Steiermark. Pikantes Detail am Rande: In der Jury dieses durch Steuern finanzierten Preises sitzen nicht nur Vertreter der Landtagsparteien, sondern auch eine Vertreterin von Amnesty international Österreich!

Besonders skurril: Balthasara fand ein Jahr später aus eigener Kraft eine gut bezahlte Projektstelle, Vollzeit noch dazu!, mit der sie fast bis zu Ihrer Pensionierung durch kam. Sie widerlegte damit die sozialrassistischen Vorurteile der Verwaltungsrichter bereits VOR deren Spruch! Einer Umfrage der AKTIVEN ARBEITLOSEN zufolge ist gut ein Drittel der Langzeitarbeitslosen sehr wohl aktiv und kommunikationsfähig. Ein Drittel leidet unter den AMS-Repressionen und hat sogar Angst vor dem nächsten AMS-Termin. Ein Drittel bekommt gesundheitliche Probleme vor AMS-Zwangsmaßnahmen!

Fazit: Hilfsorganisationen helfen dem Unterdrückersystem und nicht den Unterdrückten

Wer für diese „Hilfsorganisationen“ spendet unterstützt Menschenrechtsverletzer, die Arbeitslose ausbeuten. Unglaublich ist, wie diese Organisationen sich selbst verraten, indem Sie als „Hilfe“ verkaufen, die vom herrschenden System diskriminierten Menschen genau an jenes kapitalistische System anzupassen, das sie diskriminiert. Aus Erfahrungsberichten Betroffener wissen wir, dass es mitunter einigen Aufwand bedarf, schlechtest bezahlte AMS-Arbeitszwangmaßnahmen bei den sogenannten Hilfsorganisationen abzuwehren.

Es ist uns leider noch nicht zu Ohren gekommen, dass diese Hilfsorganisationen öffentlich die neoliberale Arbeitszwangpolitik des AMS mit den menschenrechtswidrigen Bezugssperren verurteilen würden oder gegen die systematische Umgehung regulärer Kollektivverträge durch die sittenwidrige Transitarbeitskräfteregelung in BAGS- und BABE-KV (keine Anrechnung von Vordienstzeiten und Qualifikationen, keine Gehaltsvorrückungen) protestieren würde.

Wir wissen auch nichts davon, ob die „Heiligen Drei Könige“ der Dreikönigsaktion, die heute beim Wiener Bürgermeister einen Pressetermin absolvierten, gegen die repressive Mindestsicherung und die stille Entsorgung des Heizkostenzuschusses protestiert hätten. Bislang schweigen großteils die vom Staat abhängigen kirchlichen Organisationen.

In Großbritannien haben sich konsequenterweise viele Hilfsorganisationen verpflichtet, NICHT mehr bei den Arbeitszwangprogrammen der Arbeitsmarktverwaltung mitzumachen um nicht von schlecht bezahlten Zwangsmitarbeitern zu profitieren.

War Jesus gegen den Götzen Mammon publikumswirksam aufgetreten und die ArbeiterInnenbewegung gegen den Kapitalismus angetreten, dienen nun Caritas und Volkshilfe & Co gemeinsam genau diesen Übeltätern.

Es stellte nicht ohne Grund schon 1968 Paulo Freire über die Hilfsorganisationen im Vergleich mit dem Schulsystem fest. „Diese beiden Formen der Fürsorge - die materielle ebenso wie die intellektuelle - schließen sich im Grunde gegenseitig ein und hindern die "Befürsorgten" daran, die Wirklichkeit klar und kritisch zu sehen, sie zu enthüllen, zu entkleiden und so zu erfassen, wie sie ist. Sie hindern die "Befürsorgten" daran, sich als solche zu erkennen."

Da mag die Dreikönigsaktion noch so viele mildtätige Gaben sammeln. Caspar, Melchior und Baltasar werden Europa bitter weinend verlassen haben, denn hier werden die Werte des viel beschworenen „christlichen Abendlandes“ selbst von „christlichen Organisationen“ mit Füßen getreten. Und wie müsste es er Jesus ergehen, der einst gesprochen haben soll: „Was Ihr dem Geringsten angetan habt, das habt Ihr mir angetan“. Wenn seine toten Abbilder weinen können, würden wohl viele Kirchen verschimmeln und vermodern.

Mag. Ing. Martin Mair

Obmann „AKTIVE ARBEITSLOSE“
Wien, 10.1.2011

Rechtshilfefonds und Sozialhilfefonds der AKTIVE ARBEITSLOSEN
Konto Nummer 22010059910
Sparda Bank, Bankleitzahl 14900

Weitere Informationen:

Schlagworte
Schlagworte Erfahrungsberichte