Verein AKTIVE ARBEITSLOSE begrüßt rasches Ende des Prozesses und fordert volle Aufklärung der Polizeiüberwachung und volle Haftentschädigung.
(Wien/Graz, 27.7.2012) Mit einem Freispruch im Zweifel endete der spektaktuläre Prozess gegen 4 Studierende wegen einem symbolisch gemeinten Brandanschlag auf das AMS Redergasse. So sehr diese sinnlose und pubertäre Sachbeschädigung abzulehnen ist, so sollte es doch in einem Rechtsstaat handfester Beweise bedürfen, um deswegen gleich vier junge Menschen in Untersuchungshaft zu nehmen und vor Gericht zu zerren.
Am 27. Juni 2010 setzten bislang unbekannte TäterInnen direkt im überbauten Eingangsbereich des AMS Redergasse mit Brandverstärkern (vermutlich Benzin) zwei Plastikmistkübel und einen Altpapiercontainer aus Plastik in Brand. In einem via Internet verbreiteten Bekennerschreiben sowie diletantischen Video unter dem marktschreierischen Titel „Brandzeichen setzen“ wurde völlig zu recht die repressive Arbeitsmarktpolitik kritisiert und zu „Verweigerung-Streik-Aktion“ aufgerufen. Die Glasfassade im Eingangsbereich wurde verzogen, die Mauer leicht beschädigt, das Stiegenhaus verraucht, woraus ein Schaden von 57.000 Euro entstanden sein soll.
Schikanen gegen PolitaktivistInnen
Heute, 27. Juli 2012, also fast zwei Jahre danach, standen die vier Studierenden der Hochschule für Angewandte Kunst wegen diesem Anschlag in Wien vor Gericht.
Diese wurden erstaunlich rasch von der Polizei als vermeintliche TäterInnen ausgemacht und durch schikanöse Hausdurchsuchungen deren Wohnungen verwüstet und Festplatten beschlagnahmt. Weiter wurde der zufällig in der Nähe befindliche alternative Jugendtreff vom Kulturverein KUKUMA durchsucht und die EDV beschlagnahmt, ohne dass es Indizien für eine Involvierung in die Tat gab. Die 4 von der Polizei ohne hinreichende Beweise verdächtigten Studierenden wurden wie Schwerverbrecher behandelt und über 6 Monate in Untersuchungshaft genommen und der Vorwurf erhoben, diese hätten eine terroristische bzw. kriminelle Organisation gebildet!
Gerechtfertigt wurde dieser Vorwurf damit, dass die 4 Studierenden in der Uni-brennt-Bewegung engagiert seien und die Polizei bei Abschiebungen beobachtet und auf Video aufgenommen hätten.
Der Verein AKTIVE ARBEITSLOSE lehnt das ziemlich unverhältnismäßige Vorgehen von Polizei und Justiz ab. Insbesondere den Versuch, politisches Engagement zu kriminialisieren und Sachbeschädigung als Vorwand zu nehmen, politische Szenen zu überwachen und Computer mit vertraulichen Daten zu beschlagnahmen.
Misslungener Aktivismus ist kein Verbrechen!
Durch offenbar unüberlegten Aktionismus begangene Sachbeschädigung ist zwar als solche zu aufzuklären, aber nur mit verhältnismäßigen Mitteln und auf Grund ausreichender Beweise.
In einem Land, in dem vor fast 75 Jahren Synagogen von Nationalsozialisten nieder gebrannt wurden, sollten auch unter vermeintlichen Linksradikalen Brandanschlag ähnliche Aktionen ein absolutes Tabu sein.
Der VEREIN AKTIVE Arbeitslose bedauert aber auch, dass durch diesen offenbar unüberlegten Aktionismus das an sich völlig berechtigte Anliegen der Aktion – nämlich Widerstand gegen die repressive Politik und die strukturelle Gewalt durch die neoliberale Arbeitsmarktpolitik – völlig aus den Augen geraten ist.
Die wirklich fundamentale Gewalt wird beim AMS begangen!
Nach wie vor werden jährlich rund 100.000 Bezugssperren verhängt, 30.000 davon Existenz gefährdende Sperren von 6 oder 8 Wochen Dauer. Die permanente Drohung mit Bezugssperren oder der kompletten Einstellung des AMS-Bezugs verbreitet ein Klima massiver Angst. Von dieser Angst lebt eine skrupellosen Kursindustrie, zu der viele partei- und sozialpartnernahe Firmen und Institutionen gehören.
Auf Kosten der Versicherungsgemeinschaft werden so viele sinnlose und demotivierende Zwangsmaßnahmen den Arbeit suchenden ArbeitnehmerInnen aufgezwungen, ohne dass damit die Ursache der Arbeitslosigkeit – nämlich 500.000 fehlende Arbeitsplätze – beseitigt würden. Im Gegenteil: Den Betroffenen und der Öffentlichkeit wird eingeredet, diese seien selber Schuld und nicht die maßlosen Profitinteressen von Unternehmen und Kapital.
Als wirklich vorherrschende organisierte Kriminalität ist wohl eher jene Politik und Wirtschaft zu bezeichnen, die immer mehr Menschen in Armut stürzen um einer kleinen Oberschicht noch mehr vermeintlichen Gewinn zuzuschieben. Alleine schätzungsweise 26 BILLIONEN Euro sollen von kriminellen Kreisen in/über sogenannte Steueroasen am Fiskus vorbei verschoben worden sein.
Brennende Mistkübel vermögen nicht das darzustellen, was dem wachsenden Heer der lohnarbeitslosen und marginalisierten Menschen im Auftrag von Teilen der Wirtschaft und Politik durch das AMS angetan wird. Die noch viel zu kleinen und kaum unterstützten Arbeitsloseninitiativen haben auch nichts davon, wenn nun viel Zeit und Energie wegen dem unklug inszenierten Spektakel vor dem AMS Redergasse drauf geht. Zwei Meter vor dem Eingang hätten brennende Mistkübel auch ein hübsches Bild gegeben ohne völlig unnötig großen Schaden anzurichten.
Wer sich für die Rechte der Lohnarbeitslosen einsetzen will, der möge daher statt überstürzten Aktionen sich lieber mit Betroffenenorganisationen wirkungsvoller und gewaltfreier Aktionen zur Aufklärung über die repressive Arbeitsmarktpolitik überlegen, die auch einen lägerfristige Perspektive bieten.
AKTIVE ARBEITSLOSE fordern:
- Schluss mit der repressiven AMS-Politik und den menschenrechtswidrigen Bezugssperren. Einrichtung eines das AMS kontrollierenden Menschenrechtsausschusses!
- Keine Kriminalisierung von politischen Widerstand, auch wenn in dessen Umfeld Gewalttaten passieren!
- Volle Aufklärung über die Ermittlungen der Polizei gegen die vier Politaktivisten.
- Strenge Kontrolle von Polizei und Justiz insbesondere bei Hausdurchsuchungen und der prinzipiell in Österreich viel zu oft verhängten Untersuchungshaft.
- Höher Haftentschädigungen, die das angetane Unrecht auch wieder halbwegs gut machen!
- Arbeitsloseninitiativen unterstützen statt unüberlegten Aktionismus über die Betroffenen hinweg!