1. Was sind die drei wichtigsten Gründe, dass Erwerbsarbeitslose Ihrer Liste die Stimme geben sollen (bitte kurz fassen)
Wir Grüne haben in unserer Regierungszeit wesentliche Verbesserungen für arbeitslose Menschen durchgesetzt. Dazu gehören der Bildungsbonus, das Pflegestipendium, zusätzliche Mittel für Sozialökonomische Betriebe und vieles mehr. Gleichzeitig haben wir von anderen Parteien geforderte Verschlechterungen für arbeitslose Menschen verhindert, wie eine zweiwöchige Wartefrist, eine Kürzung der Notstandhilfe oder die Abschaffung der Möglichkeit einer geringfügigen Erwerbstätigkeit während der Arbeitslosigkeit.
Diesen Weg wollen wir fortsetzen. Wir Grüne treten für eine jährliche Anpassung der Leistungen der Arbeitslosenversicherung an die Inflation und eine Erhöhung der Nettoersatzrate ein. Zudem wollen wir einen Rechtsanspruch für Arbeitslose auf Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, sowie einen Rechtsanspruch auf eine gute Betreuung durch das AMS, die Übernahme von Hilfen in besonderen Lebenslagen und verpflichtungsfreie Zeiten.
Sind Sie für die Abschaffung der 100%igen Bezugssperren beim AMS und für die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz? Wann werden die Urteile des EuGH3 und des Deutschen BVerfG4 bezüglich Existenzsicherung und Menschenwürde auch in Österreich voll umgesetzt?
2. Wir Grüne lehnen vollständige Bezugssperren ab. Wenn wir Menschen dabei unterstützen wollen, so schnell wie möglich in Beschäftigung zu kommen, ist es kontraproduktiv, dem AMS den Kontakt zu ihnen zu entziehen.
3. Sind Sie für die Abschaffung der Diskriminierung von Versicherten bei der Sozialhilfe/Mindestsicherung: In den meisten Bundesländern wurde als Sonderregel eingeführt, dass Erwerbslose, denen der Bezug beim AMS gesperrt wurde, kein Geld aus der Sozialhilfe/Mindestsicherung erhalten. Das ist im Vergleich zu reinen Mindestsicherungsbezieher*innen diskriminierend, denen für gleiche vorgeworfene Verfehlungen der Bezug nur um 25% gekürzt wird.
Wir Grüne wollen eine bedarfsorientierte Grundsicherung, die den Betroffenen dabei hilft, ihre Notlage zu überwinden. Dabei ist klar, dass den Menschen während dieser Phase genug Geld für ein menschenwürdiges Leben zur Verfügung stehen muss. Sie sehen: Für Kürzungen von Sozialleistungen, die Menschen das Existenzminimum entziehen – wie unsere politischen Mitbewerber zum Teil fordern – stehen wir Grüne auf keinen Fall bereit.
4. Soll das Arbeitslosengeld, das laut Verfassungsgerichtshof ein „vermögenswertes Recht“ ist(VfGH G363/97)5 – so früher wie bis zum Jahr 2000 – wieder gegen die laufende Entwertung durch die Inflation in seinem realen Wert wieder gesichert werden ("Valorisierung")?
Für uns Grüne ist klar: Die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, allen voran die Notstandshilfe, müssen nach einem Jahr unbedingt valorisiert werden. Leider tritt mit uns Grünen nur eine einzige Partei dafür ein, und daher fehlt die parlamentarische Mehrheit dafür. Wir Grüne werden jedenfalls nicht nachlassen, dafür zu werben und die anderen Parteien davon zu überzeugen.
5. Wie wollen Sie das Grund- und Menschenrecht auf FREI gewählte Arbeit entsprechend ILO Übereinkommen 1226 generell umsetzen? Was soll auch rechtlich einklagbar sein?
Wir Grüne treten wollen die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik ausweiten und den Zugang zu Ausbildung und Qualifikation für alle wesentlich erleichtern. Genau das haben wir auch in den vergangenen Jahren in Regierungsverantwortung getan. Heute gibt es hier erheblich mehr Mittel und völlig neue Zugänge, zum Beispiel durch den Bildungsbonus und das Pflegestipendium.
Hier müssen wir anknüpfen und diese Instrumente noch stärker ausbauen. Denn das sind bewährte Maßnahmen, mit denen wir jenen Menschen wieder Wege in die Erwerbsarbeit öffnen, die bisher de facto am Arbeitsmarkt „geghosted“ wurden. Und darauf soll es unserer Meinung nach künftig auch einen einklagbaren Rechtsanspruch geben.
Bei allem Verbesserungspotenzial, das wir Grüne hier noch sehen, ist es aus unserer Sicht dennoch nicht gerechtfertigt, die derzeitige Realität so darzustellen, als entspräche sie nicht der ILO-Konvention 1226. Die ILO zielt auf die Wahl der Art der Beschäftigung ab sowie auf den Zugang zu entsprechender Ausbildung, unter Berücksichtigung der Fertigkeiten und Anlage eines Menschen. Bei aller Kritik an der Funktionalität des Arbeitsmarktservice: Im Wesentlichen erscheinen diese Punkte als gegeben.
6. Verfahrenshilfe:
In Regierungsprogramm der derzeitigen Regierung war die Neuregelung der Verfahrenshilfe festgeschrieben. Bisher wurde auf Antrag auf Verfahrenshilfe durch die Rechtsanwaltskammer ein Rechtsanwalt zugewiesen, der ohne direkten Lohn die Verfahrenshilfe übernahm. Dadurch war weder die freie Anwaltswahl möglich, noch konnten Anwälte sich auf Arbeitslosenrecht spezialisieren und Existenz sichernd als Spezialisten arbeiten und entsprechend dem persönlichen Engagement war die Qualität der Arbeit der Verfahrenshilfeanwälte sehr unterschiedlich.
Sind Sie für eine Neuregelung der bislang paternalistischen Verfahrenshilfe. Wie soll diese Ausschauen?
Wir Grüne stehen einer Reform der Verfahrenshilfe offen gegenüber. Im Zuge dieser Reform wollen wir Maßnahmen setzen, damit Empfänger:innen von Verfahrenshilfe eine spezialisierte und qualitativ hochwertige Vertretung erhalten, um ihre Rechte entsprechend durchsetzen zu können.
Wir Grüne haben in der vergangenen Legislaturperiode vielfältige Maßnahmen zur Prozessunterstützung durchgesetzt. Dazu gehört der Kostenersatz bei Freispruch, damit Freisprüche und Einstellungen im Strafverfahren nicht mehr die finanzielle Existenz der Betroffenen bedrohen, und das Hinweisgeberschutzgesetz, mit dem die Prozesskostenunterstützung durch Kammern ermöglicht wurde. Diesen Weg wollen wir weitergehen, etwa bei der Umsetzung der SLAPP-Richtlinie, wo wir wirtschaftliche Ungleichgewichte im Verfahren durch Eingriffe zugunsten der wirtschaftlich unterlegenen Partei beseitigt werden sollen.
7. Mindestlohn:
Österreich ist einer der letzten Staaten in Europa, der noch keinen gesetzlichen Mindestlohn entsprechend dem UNO Pakt über wirtschaftliche, kulturelle und soziale Rechte hat. Sind Sie dafür einen solchen einzuführen und wenn ja, in welcher Höhe?
Österreich hat eines der besten Systeme der Lohnentwicklung durch Kollektivverträge in Europa. Es erscheint uns nicht zielführend, dieses funktionierende System durch ein anderes, unerprobtes und vermutlich weniger effektives System zu ersetzen.
Wo wir Grüne allerdings Reformbedarf sehen, ist eine Lohnuntergrenze für Jobs, für die es keinen Kollektivvertrag gibt, weil diese Menschen – etwa fünf Prozent der Beschäftigten – ebenso abgesichert werden müssen. Unserer Ansicht nach sollte die Höhe dieser Lohnuntergrenze im Bereich der sogenannten Niedriglohngrenze liegen. Dies hätte natürlich auch positive Auswirkungen auf die unteren Lohngruppen in Kollektivverträgen.
8. Bedingungsloses Grundeinkommen:
Wie stehen Sie zum bedingungslosen Grundeinkommen, mit dem auch immer wieder als „fehlende Arbeitsanreize“ aufgeworfene Fragen gelöst werden könnte, weil diese Grundsicherung bei Aufnahme einer Arbeit nicht weg fallen würde und so auch Arbeit in Niedriglohnbranchen sich wieder lohnen würde. Welche Modelle bevorzugen Sie? Wie sollten Rahmenbedingungen im Steuersystem usw. angepasst werden? Sind Sie für die Durchführung von Modellversuchen?
Wir Grüne schlagen eine bedarfs- und lebenslagenbezogene Grundsicherung vor. Für Kinder und ältere Menschen enthält unser Modell auch durchaus Grundeinkommenselemente, nämlich eine Kindergrundsicherung für alle Kinder sowie eine Grundpension für alle Senior:innen.
9. Demokratische Mitsprache der Erwerbsarbeitslosen:
Nach ILO-Übereinkommen 122 und ILO Empfehlung 202 (Nationaler Basisschutz) sind Betroffenenselbstvertretungen in die Entwicklung, Umsetzung und Evaluierung der Sozialpolitik und Beschäftigungspolitik einzubeziehen.7 Der UNO-Menschenrechtskommissar fordert speziell sicher zu stellen, dass die Mitbestimmung auf „gleicher Augenhöhe“ statt findet8
Sind Sie dafür, dass Erwerbslose dementsprechend ein gesetzlich garantiertes Mitspracherecht erhalten?
Was halten Sie vom Aufbau einer Erwerbslosenanwaltschaft als Rechtsdurchsetzungsagentur und Mitspracheplattform für Betroffenenselbstorganisationen?
Wir Grüne treten schon seit 1995 für eine Arbeitslosenanwaltschaft und für eine gesetzliche Mitwirkung lohnarbeitsloser Menschen ein.
10. Mobilität:
Von der derzeitigen Regierung wurde ein 1-, 2-, 3-Euro Klimaticket versprochen, das dann aber nur als Jahreskarte umgesetzt wurde, die für Pendler interessant sein mag, aber für Gelegenheitsfahrer und Armutsbetroffene absolut nichts bringt.
Wie wollen Sie Menschen mit Einkommen umweltfreundliche Mobilität ermöglichen? Durch ein Klimatagesticket oder geringen gar durch generelle Freifahrt wie in Luxemburg?
Wir Grünen haben und für eine Jahresnetzkarte zum Preis von 1/2/3 Euro pro Tag eingesetzt. Soweit die Zuständigkeit der Bundesländer das ermöglicht, haben wir genau das auch umgesetzt: Das bundesweite, europaweit einmalig günstige KlimaTicket ist für viele nochmals ermäßigt verfügbar. Dieses Angebot hat bereits rund 300.000 Menschen überzeugt, bei weitem nicht nur Pendler:innen. Auf Länderebene haben wir im Zuge der Klimaticket-Einführung die Umsetzung günstiger Netzkarten landesweit und für Ballungsräume durchgesetzt. Auch günstige 2-Länder-Netzkarten gibt es, etwa Burgenland-Niederösterreich. All das fördert der Bund mit über 200 Millionen Euro jährlich. Auf der Ebene der Verkehrsverbünde gibt es auch Tickets, die von Gelegenheitsfahrer:innen z.B. bei Gemeinden entlehnt und tageweise genutzt werden können.
Wir sind bereit zur tariflichen und sonstigen Weiterentwicklung des KlimaTickets etwa in Richtung weiterer Ermäßigungen, sofern ein:e künftige:r Finanzminister:in die nötigen Mittel bereitstellt. Auch Länder und Gemeinden haben die Möglichkeit, ihre Angebote wie etwa den Mobilpass auszubauen.
11. Sind Sie für die Förderung von wirtschaftlichen Alternativen wie solidarischer Ökonomie (Selbstverwaltung, Social Commons usw.)? In welcher Form? Was wollen Sie als Organisation selbst beitragen?
Gesellschaftliche Zusammenarbeit und Solidarität sind wichtiger denn je. Wir Grüne haben in der Regierung mit zahlreichen Maßnahmen dafür gesorgt, dass deutlich mehr Mittel als bisher für ökologische und solidarische Projekte etwa im Bereich der Sozialökonomischen Betriebe zur Verfügung stehen.
· Das Klimaschutzministerium hat eigene Mittel für solidarische und ökologische Projekte bereitgestellt, die aktuell vergeben werden.
· Das Sozialministerium hat zudem einen besonderen Schwerpunkt auf die Finanzierung von Projekten gelegt, die die Basisarbeit in den Stadtteilen auf demokratischer und kooperativer Basis in den Vordergrund stellen, wie etwa „Stadtteile ohne Partnergewalt“, einen besonders großen Stellenwert eingeräumt.
· Mit dem Gemeinnützigkeitspaket haben wir die größte Reform des gemeinnützigen Sektors seit Jahrzehnten auf den Weg gebracht.
· Mit der Ausweitung der steuerlichen Spendenabsetzbarkeit und des Freiwilligenpauschales haben wir den Dritten Sektor gestärkt und abgesichert.
· Zudem unterstützen wir Food Coops und Projekte der Solidarischen Landwirtschaft, etwa mit der oberösterreichischen Initiative „Appetit auf Gutes“.
herzliche Grüße
Maxie Klein