Kürzlich musste auch ich eine unliebsame – noch dazu diskriminierende Erfahrung mit dem AMS und dessen Zwangsmaßnahmen machen. Ich bin Akademikerin mit abgeschlossenem Musikstudium (Staatliche Prüfung für Musiklehrer, Diplom im Hauptfach Opernrepertoire) und einer sprachlichen Fachausbildung (IHK-Abschluss als Fremdsprachenkorrespondentin in Englisch und Französisch, Kurse der Aufbaustufe in Italienisch und Spanisch sowie Zertifikat für SprachkursleiterInnen). Neben meiner qualifizierten Ausbildung im musikalischen und sprachlichen Bereich verfüge ich über langjährige Berufspraxis als Sängerin, Musikpädagogin, Sprachtrainerin, Musikrezensentin und Fremdsprachenkorrespondentin.
Wegen meines nicht mehr ganz so jungen Alters (54 Jahre) bin ich zunehmend mit dem Phänomen der Altersdiskriminierung konfrontiert. Außerdem wird es für mich (wie auch meine jüngeren KollegInnen) infolge der Wirtschaftskrise zunehmend schwieriger, in meinem Beruf als Sängerin (Klassik/Oper) und Musikpädagogin Fuß zu fassen. Aber auch im sprachlichen Bereich sieht es derzeit leider nicht besser aus.
Wegen der zunehmenden Altersdiskriminierung – gerade auch in Deutschland und Österreich – erhalte ich, wenn überhaupt, nur noch aus dem Ausland Einladungen zu Vorsingen (wie im April 2013 in Palma de Mallorca und kürzlich, im Jänner 2014, in Verona).
Durch den ständigen Zwang, Geld verdienen zu müssen, war es mir in den letzten Jahren immer weniger möglich, mich auf meinen eigentlichen Beruf zu konzentrieren. So nahm ich im April 2012 einen Interimsjob als Trainerin in einer AMS-Maßnahme an - eine Arbeit, die ich mir aus der Not heraus selbst gesucht hatte. Wie sich jedoch schon bald herausstellte, zehrte dieser Job so sehr an meinen Kräften, dass ich für meine eigentliche Berufung, das Singen, und für die notwendigen täglichen Proben weder die Zeit noch die Energie aufbringen konnte. Nachdem die anstrengende Tätigkeit als Trainerin mich schließlich in den Burn-out getrieben hatte, war ich fast ein Jahr lang arbeitslos.
Zunächst hatte ich noch das Glück, vom Team4 (KünstlerInnenservice) betreut zu werden und einen speziellen Kurs für SängerInnen besuchen zu können, der mir wenigstens fachlich etwas gebracht hat. Als jedoch meine Betreuungszeit beim Team4 endete, wurde es allmählich eng für mich.
So hatte ich nun erneut das "Vergnügen", nicht mehr als Trainerin, sondern als Teilnehmerin in diversen AMS-Kursen auch die andere Seite gründlich kennenzulernen! Im Übrigen nutzte ich die verbleibende Zeit, um (nach der durch den Job veranlassten Zwangspause) meine Stimme wieder aufzubauen und mich auf diverse Vorsingtermine vorzubereiten.
Anfang Dezember bewarb ich mich um ein Vorsingen für den Chor der ARENA DI VERONA und erhielt auch prompt eine Einladung zum Vorsingen für den 27. Jänner 2014. Ich hatte gerade mein Arienrepertoire festgelegt, mit der Vorbereitung begonnen und für den 26. Jänner 2014 auch bereits ein Zugticket sowie ein preiswertes Hotel gebucht - da kam auch schon wieder der nächste Hammer:
Kurz vor Weihnachten erhielt ich vom AMS Wien eine Vorladung zu Itworks! Das Schreiben hatte folgenden Wortlaut: „…wir können Ihnen im Rahmen eines vom Arbeitsmarktservice geförderten sozialökonomischen Betriebes ein Arbeitsverhältnis anbieten: Itworks GmbH – Vorauswahltermin.“ Es folgte dann auch gleich die ganze Litanei mit den üblichen Belehrungen über Teilnahmeverpflichtungen, Bezugssperren etc.
Die Maßnahme sollte am 16. Jänner 2014 (also gerade mal 10 Tage vor meiner geplanten Abfahrt nach Verona) beginnen!
Nach allem, was ich über Itworks schon wusste, läuteten bei mir natürlich sofort die Alarmglocken! Als ältere Arbeitslose sollte ich durch diese Itworks-Maßnahme in ein sogenanntes Transitarbeitsverhältnis (und somit in den zweiten Arbeitsmarkt) abgeschoben werden! In Zeiten wie diesen hilft da offenbar auch kein akademischer Abschluss! Da in der Einladung – oder besser gesagt: Vorladung – besonders ältere Arbeitslose angesprochen wurden, roch dies für mich geradezu nach Altersdiskriminierung! Natürlich war und bin ich nicht bereit, das zu akzeptieren!
Ich schrieb daraufhin gleich ein Mail an die für mich zuständige AMS- Regionalgeschäftsstelle in der Schönbrunner Straße und bat, mich zumindest im Jänner (vor dem Vorsingen) von der Verpflichtung der Teilnahme an der Maßnahme bei Itworks zu entbinden, da eine Teilnahme an dem Vorsingen in Verona mir nur dann möglich sei, wenn eine professionelle Vorbereitung, ein vollkommen ausgeruhter Körper sowie eine ungeteilte Konzentration auf den Vorsingtermin und die einzustudierenden Partien gewährleistet seien.
Daraufhin erhielt ich jedoch nur eine lapidare, äußerst unbefriedigende Rückantwort vom AMS: ich möge meine Teilnahme am Vorsingen doch bitte mit den zuständigen TrainerInnen von Itworks absprechen! – Und was das bedeutete, war mir klar: das AMS hatte mich also schon mit der Zubuchung zu Itworks abgeschoben und fühlte sich für mich nicht mehr zuständig! Das AMS war also auch nicht im Geringsten bereit, auf meine dringende Bitte einzugehen!
Gleichzeitig wurde mir klar, dass ich mein Vorsingen in Verona unter diesen Umständen gleich abschreiben konnte! Denn schließlich ging es ja in diesem Fall nicht nur um die Teilnahme und das bloße Erscheinen beim Vorsingen, sondern um eine professionelle, intensive Vorbereitung! – Es dürfte in einem Kulturland wie Österreich wohl hinlänglich bekannt sein, dass die sängerische Konkurrenz an internationalen Opernbühnen nicht schläft und dass allein schon die Vorbereitung auf ein solches Vorsingen – einschließlich der Einstudierung der Arien, Erarbeitung der italienischen Texte sowie der täglichen Proben – einem Fulltime-Job entspricht!
Aufgrund der widrigen Umstände, die sich für mich durch die Zubuchung zu Itworks ergaben, sah ich mich schließlich gezwungen, meine Teilnahme am Vorsingen abzusagen und meine Reise zu stornieren (was mit erheblichen Stornogebühren seitens der ÖBB verbunden war)! – Eine solche Absage ist jedoch (gerade auch für ältere Arbeitssuchende wie mich) sehr ärgerlich, zumal die Einladungen zu Vorsingen in diesem Alter ja nicht gerade reichlich gesät sind!
Wenigstens konnte ich die Zwangsmaßnahme bei Itworks mit ein wenig Glück dann doch noch abwenden:
Ich war gerade im Begriff, einen Beschwerdebrief an die Ombudsstelle bzw. die Landesgeschäftsstelle des AMS zu verfassen, da erhielt ich kurzfristig einen Anruf von meinem ehemaligen Arbeitgeber mit der Anfrage, ob ich nicht kurzfristig eine Vertretung - diesmal als Trainerin für Englisch - übernehmen könne, da dringend eine Krankheitsvertretung gesucht werde.
In meiner misslichen Lage sagte ich kurz entschlossen zu und habe nun seit dem 9. Jänner 2014 wieder einen (erneut anstrengenden und branchenfremden, aber wenigstens „normal“ vergüteten) Job, diesmal als Englisch-Trainerin mit 30 Wochenstunden - und wie könnte es anders sein: natürlich wieder in einer Arbeitslosenmaßnahme! Inzwischen spreche ich schon von einer Arbeitslosen-Industrie!
Während überall nur vom angeblichen Fachkräftemangel die Rede ist, muss ich als Trainerin erneut feststellen, dass diese Fach- und Führungskräfte, Ingenieure und andere hochqualifizierte AkademikerInnen in unseren Kursen sitzen – statt in gut bezahlten Jobs ihr Geld verdienen zu können! Außerdem finden sich in unseren Kursen auch jetzt wieder auffällig viele Arbeitsuchende über 45 bzw. über 50 Jahre. Ich muss gestehen, dass ich - angesichts solcher Zustände - dieses ewige Gejammere vom angeblichen Fachkräftemangel in den Medien nicht mehr hören kann!
Und die Politiker bzw. das AMS wissen auf diese Probleme keine andere Antwort als Zwangsmaßnahmen und - im schlimmsten Falle - auch noch Bezugssperren zu verhängen!
Doch was der sog. „Sozialminister“ Hundstorfer jüngst verlauten ließ (siehe STANDARD vom 21. Februar 2014: http://derstandard.at/1392686007868/Koalition-einigte-sich-auf-Arbeitsmarktpaket), das ist wirklich der Gipfel! Zur „Förderung älterer Arbeitnehmer“ solle, so heißt es da, „verstärkt in die Integration in sozialökonomischen Betrieben, also den zweiten Arbeitsmarkt, investiert werden." Und weiter: Hundstorfer erwarte sich „durch die Schaffung von Stellen für ältere Arbeitnehmer in sozioökonomischen Betrieben eine Verringerung der Arbeitslosigkeit."
Spätestens jetzt müssten bei jedem älteren Arbeitnehmer die Alarmglocken schrillen! Sozialökonomische Betriebe, Transitarbeitsverhältnisse, zweiter Arbeitsmarkt - ein Schreckgespenst, mit dem bereits jetzt Langzeitarbeitslose, auch qualifizierte Arbeitsuchende, AkademikerInnen, Fach- und Führungskräfte eingeschüchtert werden, soll also noch weiter ausgebaut werden! Und das nennt sich auch noch hochtrabend "Förderung älterer Arbeitnehmer"! Das ist also das Einzige, was man der sogenannten "Generation 50+" zu bieten hat!
Dazu habe ich nur eines zu sagen: Liebe „Mit-Fuffziger", auf die Barrikaden! Das ist eine Frechheit, eine Altersdiskriminierung ohnegleichen! Wehren wir uns endlich, bevor es zu spät ist!
Es wäre angesichts dieser Entwicklungen auch zu erwägen, ob der Verein AKTIVE ARBEITSLOSE zusammen mit anderen Arbeitsloseninitiativen und betroffenen älteren ArbeitnehmerInnen nicht eine Sammelklage wegen Altersdiskriminierung bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft einreichen sollte. Hier sind die Kontaktdaten:
Gleichbehandlungsanwaltschaft
Taubstummengasse 11
1040 Wien
Tel.: +43 1 53 20 244
aus ganz Österreich zum Nulltarif: 0800 206 119
Fax: +43 1 53 20 246
E-Mail: gawbka.gv.atrel="noreferrer"
Im letzteren Fall könnt ihr jedenfalls mit meiner Unterstützung rechnen. (Bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft bin ich nämlich durch diverse Erfahrungen mit Altersdiskriminierung schon bekannt!) – Zumindest wäre es einen Versuch wert!
Sylvia K.