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Arbeit und Beschäftigung in Graz: Viel leeres Gerede unter Ausschluss der Betroffenen

Soumis par Aktive Arbeits… le dim, 17.07.2016 - 18:03

Anmerkungen zum Bericht der Fachtagung für „Arbeit und Beschäftigung in Graz“ am 28.4.2016, 10–14h, Rathaus Graz

Bei der von ÖSB organisierten Veranstaltung referierten und diskutierten 120 VertreterInnen aus Politik, Sozialpartnerschaft, AMS und Forschung. Eine illustre Runde, von der ich mir tatsächlich erwartet hätte, was Landesrätin Mag.a Doris Campus in ihrem Statement anspricht:

"Daher freut es mich besonders, dass bei der Tagung „Arbeit für Graz“ Expertinnen und Experten zum Thema Arbeit und Beschäftigung aus den verschiedensten Bereichen zusammenkommen und ihr Wissen und ihre Erfahrung austauschen, um Antworten und Lösungen für diesen so wichtigen Bereich zu finden."

Nach näherer Lektüre der Dokumentation bin ich dann zu dem Schluss gekommen, dass leider nicht zutrifft, was der Abteilungsvorstand des Sozialamtes, Mag. Gernot Wippel, zur Einleitung als Möglichkeit in den Raum stellt:

"Vor dem Hintergrund von Albert Einsteins Feststellung, dass man Probleme niemals mit derselben Denkweise lösen kann, durch die sie entstanden sind, braucht es aber vielleicht auch neue Ansätze und unübliche Herangehensweisen in dem durchaus von Widersprüchen geprägten öffentlichen Diskurs zum Thema Arbeit und Arbeitsmarkt."

Ganz im Gegenteil. Es wird vor allem das bereits Vorhandene präsentiert, das schon bisher nicht so richtig geholfen hat.

So berichtet Mag. Christian Namor, Stellvertretender Geschäftsstellenleiter Arbeitsmarktservice Graz West und Umgebung:

Trotz kontinuierlicher Zuwachsraten im Bereich der Beschäftigung, konnte dem kontinuierlichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen (Stand: März 2016/ 19.824 m/w) kaum positiv entgegengewirkt werden.

Dazu führt Univ.-Prof. Dr. Michael Wagner-Pinter von der Synthesis Forschung Ges.m.b.H. aus:

Unter den Grazer Arbeitslosen haben rund 34,4 % gute Chancen, rasch wieder eine Beschäftigung aufnehmen zu können. Für rund 31,3 % ist ungewiss, ob sie aus »eigener Kraft« in wenigen Monaten wieder in einem betrieblichen Beschäftigungsverhältnis stehen.

Allerdings sind rund 34,3 % der im Laufe eines Jahres vorgemerkten Frauen und Männer so unvorteilhaft in Hinblick auf das Arbeitsmarktgeschehen positioniert, dass es ihnen kaum gelingen wird, in einem überschaubaren Zeitraum am 1. Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen.

Dazu meint Mag. Karl Heinz Snobe, Landesgeschäftsführer des AMS Steiermark in der Podiumsdiskussion:

Und dann gibt es diese dritte Gruppe, das „dritte Drittel“, das über schlechte Arbeitsmarktintegrationschancen verfügt. Diese Menschen sind langzeitarbeitslos oder von solcher bedroht. Da gibt es leider eine wachsende Zahl von Menschen, denen es extrem schlecht geht. Das sind Menschen, die zum größten Teil wirklich sehr bemüht sind aus ihrer eher tristen Situation herauszukommen. Dabei spielen Faktoren eine Rolle wie Alter, Gesundheit, qualifikatorische Aspekte und psychische Problematiken. Dieses 'dritte Drittel' hat zum Teil, auch medizinisch, wirklich schwierige persönlichen Rahmenbedingungen und denen geht es schlecht.

In Graz sind das mehr als 6.700 Menschen oder gut 4% der Erwerbsfähigen, die de facto in Armut leben!

Mag.a Doris Kampus, Landesrätin für Arbeit, Soziales und Intergration, meint dazu:„Besonders stark betroffen von der schwächelnden Konjunktur sind die Generation 50+ und die Gruppe der Langzeitarbeitslosen.“

Zu denken gibt uns auch, dass ein Achtel der steirischen Bevölkerung von Armut gefährdet ist.

Und Dr.in Martina Schröck, Vizebürgermeisterin von Graz, merkt in ihrem Statement an:

Meiner Einschätzung nach stehen wir heute durch die Digitalisierung und Rationalisierung mitten im Zeitalter eines massiven Wandels der Arbeitswelt. Indem die manuelle Arbeit abnimmt, nehmen die daraus resultierenden Folgen für die arbeitsfähige Bevölkerung zu.

Soweit die Diagnose – doch dafür hätte sich die illustre Gesellschaft nicht treffen müssen.

Wie sieht es nun mit Antworten und Lösungen aus?

Als erstes fällt auf: Die knapp 20.000 Erwerbsarbeitslosen kommen als Menschen nicht vor und werden auch gar nicht gefragt. Darüber kann auch der schön formulierte Einleitungssatz der Grazer Vizebürgermeisterin nicht hinwegtäuschen:

Ist Arbeit nur Pflicht und einzige gesellschaftlich angesehene Möglichkeit aus eigener Kraft für seinen Lebensunterhalt zu sorgen oder soll Arbeit Ausdruck von Leidenschaft, Spaß und Freude an der selbstgewählten Beschäftigung sein?

Das Drittel der Chancenlosen sowieso nicht - aber auch die 6200 Menschen der Gruppe 2, die es nicht "aus eigener Kraft" schaffen, dürften wohl nur in Ausnahmefällen in den Genuss dieser Freude kommen.

Ja, und was die Lösungsansätze betrifft, werden die üblichen Mantren wiederholt:

Bildung und Qualifizierung - und 2. Arbeitsmarkt (sogar ein 3. Arbeitsmarkt wurde angedacht.)

Zentrales Thema bei Mag.a Karolin Gstinig & Mag. Mag. Eric Kirschner von Joanneum Research:

Verstärkte Nachfrage nach hoch- und höchstqualifizierten Arbeitskräften in Graz…

Leider wird den derzeit Betroffenen damit nicht geholfen sein. Denn soweit ich weiß, bietet das AMS diese Art von Qualifikationen nicht an.

Zum chancenlosen Drittel meint Prof. Wagner-Pinter:

Dieser Kreis von Jugendlichen, Frauen und Männern sind aufgrund ihrer unzureichenden sozio-ökonomischen Ressourcen auf eine Art sozio-ökonomischer Rehabilitation angewiesen. Diese Möglichkeit gilt es im Rahmen spezifischer arbeitsbezogener Angebote von Trägerorganisationen des 2. Arbeitsmarktes zu eröffnen.

Und auch die Vizebürgermeisterin:

Wir reden also von Arbeitsplätzen, die der zweite Arbeitsmarkt anbietet – oder anbieten sollte.

Da ist es dann endgültig vorbei mit selbstgewählter Arbeit und einem Lohn, von dem frau/mann leben kann. Doch damit nicht genug: Genau diese Gruppe ist am meisten betroffen vom Sanktionsregime des AMS, von Arbeitszwang und Bezugssperren, die ihre finanzielle, soziale und gesundheitliche Situation noch weiter verschlechtern.

Obwohl gerade ihnen diagnostiziert wurde, dass sie keine Chancen mehr auf dem 1. Arbeitsmarkt haben.

Da diese Arbeitsplätze hochsubventioniert sind, dürfte die Ersparnis an Mitteln aus dem Sozialbudget wohl eher gering sein. Wer davon profitiert, sind mit wenigen Ausnahmen vor allem die Trägerorganisationen: Auf dem Projektmarktplatz sind gute Bekannte wie Caritas oder Erfa vertreten.

Angesichts dieser Situation sind die Zwangsmaßnahmen des AMS durch nichts mehr zu rechtfertigen. Es sei denn, dem Gesetzgeber wäre daran gelegen, dass Erwerbsarbeitslose die Versäumnisse und Inkompetenz der Veranwortlichen buchstäblich am eigenen Leib austragen.

Kein Wunder, dass Arbeitslosenorganisationen zu dieser Veranstaltung nicht eingeladen wurden. Das wäre schon viel zuviel der Demokratie.

Mag. Margarita Egghart

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