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Offener Brief zu einer AMS-Bezugssperre wegen Caritas Werkstatt Steiermark - Carla Graz

Submitted by Aktiver Admin on Thu, 05.03.2015 - 13:07
Angaben zum Brief

An

Volksanwaltschaft

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Gerlinde S.:, geboren am X.X.1960, wohnhaft in Graz.

Ich ersuche um Überprüfung der angefügten Unterlagen und nachstehenden Vorgangsweisen vom Arbeitsmarktservice und der Caritas Graz.

Zu meiner Person:

Nach meiner erfolgreich abgeschlossenen Lehre zum Einzelhandelskaufmann habe ich nachweisbar 30 Jahre in Wien als Angestellte im Verkauf, teilweise auch als Filialleiterin, gearbeitet.

Ich wurde im Jahr 2011 geschieden. Da ich damals im Burgenland im Notstand war und ich dort keine Arbeitsstelle fand, bin ich vom Burgenland mit meinen beiden Kindern nach Graz übersiedelt, denn hier hatte ich eine Anstellung im Büro gefunden. Leider wurde ich nach 10 Monaten entlassen, da sich dieser Betrieb meine Anstellung nicht mehr leisten konnte. Ich bin Alleinerzieherin und beziehe für meine beiden Kinder keine hohen Alimente und brauche daher eine Vollzeitanstellung um unseren Lebensstandard bestreiten zu können. Seit April 2014 kann ich aber auch hier keine geeignete Stelle finden.

Als ich am vereinbarten Termin am 13. Feb 2015 beim Arbeitsmarktservice vorsprach und meinen Betreuer Herrn S., welcher ausgesprochen kompetent, menschlich und freundlich ist, nicht antraf, wurde ich an Frau Mag. Astrid T. verwiesen. Sie hat mich,  immer auf ihren Computer tippend, 2-3 Sätze gefragt und gesagt, ich solle mich mit Frau M. von der Caritas in Verbindung setzen, da es dort eine Stelle für mich gäbe. Daraufhin legte sie mir eine 3 Seiten lange Vereinbarung vor, in der sie die wichtigsten Dinge markiert hatte – wie Ort und Namen für mein Vorstellungsgespräch (übrigens ist dies die erste Stelle, die ich vom AMS hier in Graz vorgeschlagen bekam).

Ich freute mich und machte sofort mit Frau M. von der Caritas einen Termin aus. Frau M. schickte mir eine Terminbestätigung in Form einer SMS Nachricht in welcher unter anderem auch stand, dass es sich um ein Beschäftigungsprojekt namens Werkstart handelt - was auch immer das bedeutet???

Beim Vorstellungsgespräch fragte mich Frau M., welche Tätigkeit ich ausüben möchte, da Jobs als Reinigungskraft, Verkäuferin und für Möbeltransport zur Verfügungen ständen. Da ich 30 Jahre erfolgreich im Verkauf gearbeitet habe, war es für mich naheliegend sich für den Verkauf zu entscheiden. Frau M. erwähnte auch, dass es für diese Stellen eine einheitliche Entlohnung von Euro 1.312,20 Brutto gäbe und hat mich netterweise darauf hingewiesen, dass ich eine Kombilohnbeihilfe beim Arbeitsmarktservice beantragen könne.

Nachdem ich das erfahren habe, fuhr ich sofort zum Arbeitsmarktservice und erkundigte mich wie diese Kombilohnbeihilfe zu beantragen sei. Dort bekam ich die Auskunft, dass ich erst nach dem Arbeitsbeginn ansuchen könne, da ich ja noch keine schriftlichen Unterlagen hätte, und man daher noch nicht wisse, von welchem Verdienst auszugehen sei. 

Später erhielt ich einen Anruf von der Caritas, und erfuhr, dass ich angestellt werde und vereinbarte sofort einen Termin um den Dienstvertrag zu unterschreiben.

Am 17.2.2015 war ich bei der Caritas und habe alle meine Unterlagen und Zeugnisse vorgelegt. Es wurden davon teilweise Kopien angefertigt und ich hatte Zeit mir inzwischen den Dienstvertrag durchzulesen. Mir wurde auch ein weiteres Schreiben vorgelegt, indem ich erfuhr, dass es sich hier um ein gefördertes Projekt handelt. Ich sollte mir die „Regeln der Zusammenarbeit“ durchlesen und unterfertigen. Als wesentlichen Bestandteil enthalten diese Regeln eine sozialpädagogische Betreuung und den Hinweis einer Dienstverwendung im Bereich Verkauf.

Im Dienstvertrag stand auch als Kurzbeschreibung für den Arbeitsplatz: Verkauf, Kundenbetreuung, Kassatätigkeit, Lager, Geschäft, Regalbetreuung etc. und ein zitierter Kollektivvertrag mit der Abkürzung KV TAK A. Ich hatte nicht annähernd angenommen, dass dies ein Kollektivvertrag eines Transitmitarbeiters ist, weil ich doch für den Verkauf eingestellt werden sollte.

Hier beanstandete ich bereits die ungerechte Entlohnung und sagte, dass ich den Dienstvertrag unter diesen Voraussetzungen nicht unterzeichnen würde, weil dieses Gehalt weit unter einem Kollektivvertrag für meine Tätigkeit und meine Dienstjahre liege und ich vom Arbeitsmarktservice noch keine Bestätigung hätte, ob ich eine Kombilohnbeihilfe zugesprochen bekäme.

Daraufhin hat Fr. M. von der Caritas den Betrag am Dienstvertag einfach durchgestrichen und sagte, dass müsse ich mir mit dem AMS ausmachen, denn die Caritas bezahlt nicht mehr und es sei sowieso nicht relevant, welcher Gehalt im Vertrag stünde, denn ich hätte ja durch eine Probezeit von einem Monat die Möglichkeit, zu gehen.

Sie betonte auch, dass die Zuteilung einer Kombilohnbeihilfe  Sache des Arbeitsmarktservice wäre und sie da keinen Einfluss hätte, aber gehört habe, dass es zur Streichung der Notstandshilfe kommen könnte, wenn ich diese Stelle ablehnen würde.

Durch diese Information habe ich schließlich den Dienstvertrag dann doch unterschrieben und fuhr anschließend sofort zum Arbeitsmarktservice. Hier habe ich dann vom Stellvertreter meines Betreuers  erfahren, dass ich zwar zu dem förderbaren Personenkreis für eine Kombi-Lohnbeihilfe zähle, aber ein schriftliches Ansuchen stellen müsse und dies einige Zeit dauern könne.

Da ich aber so bald als möglich Klarheit wollte, habe ich den zuständigen Herrn für diese Angelegenheit beim Arbeitsmarktservice angerufen und meine Situation erörtert. Er sagte mir, ich kann gerne ein Ansuchen stellen, aber das ich voraussichtlich keine Beihilfe bekäme, weil es für mich zumutbar sei, diese Stelle anzunehmen. Immerhin bekäme ich ja 30 % mehr Entlohnung als die Notstandsbeihilfe beträgt und das wäre so gesetzlich. Er könne sich auch nicht vorstellen, dass die Caritas nicht nach dem Kollektivvertrag zahlen würde.

Ich erwähnte die Ungerechtigkeit dieser Entlohnung und fragte nach den Konsequenzen, wenn ich diese Arbeitsstelle unter diesen Bedingungen ablehnen würde.

Ich bekam zur Antwort, dass es nicht relevant wäre was ich möchte und ich könne da nichts einfordern, weil dies gesetzlich so geregelt wäre. Sollte ich die Arbeit ohne triftigen Grund nicht annehmen, würde voraussichtlich eine Prüfung stattfinden und dies könne zu einer 4-6 wöchigen Sperre meiner Notstandsbeihilfe führen.

Ich war schockiert über diese Aussage, da diese Vorgangsweise meine Existenzgrundlage bedroht.

Nun recherchierte ich wegen dem Kollektivvertrag und bemerkte, dass ich offensichtlich nach dem Kollektivvertag für Transitmitarbeiter eingestuft wurde. Als ich mit Fr. M. deshalb Rücksprache hielt, erklärte sie mir, dass dies doch alles im Dienstvertrag stehe und die Caritas eine Stelle für Transitmitarbeiter ausgeschrieben hätte. Erst jetzt verstand ich die ganzen Zusammenhänge und war sehr empört.

Ich erkundigte mich bei der Arbeiterkammer und erhielt die Auskunft, persönlich vorzusprechen.

Leider kam ich vor Ort zu dem nicht so freundlichen Herrn Mag. Barvinek, der sich nicht einmal die Mühe gemacht hat, meinen Dienstvertrag durchzulesen oder mein Anliegen genau anzuhören.

Er sagte nur, da könne man nichts machen, weil die Caritas offensichtlich nach Kollektivvertrag für Transitmitarbeiter bezahlt. Ob die Summe, die im Dienstvertrag stand, diesem Kollektivvertrag überhaupt entspricht, kontrollierte er gar nicht. Ich beanstandete dieses Vorgehen von Herrn Mag. Barvinek bei seinem Vorgesetzten, welcher zwar freundlicher war, aber auch nur erwähnte, dass man als Notstandsbeihilfebezieher keine Hilfe von der Arbeiterkammer erwarten könne. In dieser Situation gelten quasi andere Gesetze und deshalb könne man auch nichts beanstanden, da ja offensichtlich nach dem richtigen Kollektivvertrag entlohnt wird.

Ich sah für mich nun keinen andern Ausweg als diese Arbeitsstelle zum vereinbarten Arbeitsbeginn anzutreten.

Am ersten Arbeitstag im Geschäft der Caritas habe ich fast nur selbstständige Arbeiten verrichtet. Die Filialleiterin war äußerst freundlich und erwähnte, dass sie öfters auch qualifizierte Leute wie mich zugeteilt bekäme und froh darüber sei, da die Zusammenarbeit mit diesem Personal einfacher wäre, da diese Mitarbeiter selbständig Tätigkeiten durchführen können.

Ich war offensichtlich deshalb bereits am Vormittag hauptsächlich alleine im Verkaufsraum und habe auch alleine kassiert. Am nächsten Tag sollte ich bereits das Geschäft aufsperren. Für diese Tätigkeiten in meiner Berufsgruppe und mit meinen nachweisbaren Dienstzeiten stünde mir ein kollektivvertragliches Gehalt von brutto 2.195,00 Euro zu.

Am ersten Arbeitstag habe ich dann nochmals mit Frau M. telefoniert und erwähnt, dass ich diese Entlohnung nicht so hinnehmen werde und bereits mit der Arbeiterkammer im Gespräch bin. Fr. M. erwähnte, dass ich ja die Möglichkeit der Lösung des Dienstverhältnisses im Probemonat hätte. Sie hat dafür keinen Grund, weil die Caritas ja Personal braucht. Ich erwähnte, dass ich dies deshalb nicht in Anspruch nehmen kann, weil ich Befürchtungen habe, meine Notstandshilfe zu verlieren. Frau M. bestellte mich schließlich für den nächsten Tag ins Büro und erklärte mir dann dort, dass der Dienstgeber das Dienstverhältnis in der Probezeit beendet.

Ich habe mich am selben Tag ordnungsgemäß beim Arbeitsamt wieder gemeldet, weiß aber derzeit nicht, welche Folgen ich eventuell zu erwarten habe.

Laut meinen weiteren Information von der Arbeiterkammer wird ein Gehalt für einen Transitmitarbeiter nach Kollektivvertag der Caritas – in folgenderweise berechnet:

Als Basis dient die Gehaltsstufe 9 - niedrigste Einstufung für Hilfsarbeiter - mit einem Betrag von 1.477,60 Euro brutto. Von diesem Betrag werden je nach Tätigkeit 87 oder 90% für die Gehaltsberechnung herangezogen.

  • Ich denke, dass es unter anderem auch zu klären sein, ob diese Vorgehensweise einen Umgehungsvertrag darstellt und diese Regelungen sittenwidrig sein könnten, obwohl „Rechtlich ja alles in Ordnung ist“
  • Ich möchte auch betonen, dass sozialpädagogische Betreuung als Hilfe und Unterstützung für Menschen mit eingeschränkter Produktivität ist, was keinesfalls auf mich zutrifft
  • Da ich jahrelang gearbeitet habe und auch in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt habe, kommt auch das Gefühl von Missbrauch ebenfalls in mir hoch
  • Zu beanstanden wäre auch noch, dass es im Geschäft der Caritas für mich kein sperrbares Garderobe-Kasterl gab
  • Weiters wäre auch noch ein möglicher Verstoß gegen das Datenschutzgesetz zu prüfen
  • Etc. etc.

Es vermittelt ein ungutes Gefühl, dass die Caritas über oder in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsmarktservice offensichtlich preiswert, qualitativ hochwertige Arbeitskräfte sogar „unter“ Hilfsarbeiterlöhnen einstellen darf.

Natürlich ist es auch für das Arbeitsmarktservice ein gutes Projekt, wenn die Arbeitslosenrate durch die Anstellungen bei der Caritas für zumindest 3 Monate gesenkt wird.

Vielen Dank im Voraus für alle Bemühungen, die dieses Schreiben nach sich zieht.

Freundliche Grüße

Gerlinde S.
8020 Graz

Beilagen:

Kopie geht an:

  • Kronen Zeitung Steiermark Mag. Gerald Schwaiger
  • Kleine Zeitung Steiermark
  • Sozialminister Rudolf HundstorferÖGB Präsident Erich Foglar
  • AK Steiermark Präsident Josef Pesserl
  • Anfragen an Pressesprecher Herrn Berndt Heidorn, Caritas Steiermark Franz Küberl, Antwort vom 17.3.2015
  • Diözese Graz-Seckau Diözesanadministrator Heinrich Schnuderl,
  • Vorstand Aktive Arbeitslose Obmann Mag. Ing. Martin Mair
Schlagworte
Schlagworte Erfahrungsberichte
Betreuende Behörde
Maßnahmenanbieter
Bezeichnung der Maßnahme