RECHTSANWALT DR. HERBERT POCHIESER
SCHOTTENFELDGASSE 2-4 A - 1070 WIEN
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DR. H. POCHIESER, 1070 WIEN, SCHOTTENFELDGASSE 2-4
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Council of Europe
67006 Strasbourg Cedex
FRANKREICH
Wien, am 22.04.2008,
BESCHWERDE
gem. Art. 34 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Art. 45 und 47 der Verfahrenordnung des Gerichtshofs
I- DIE PARTEIEN
A. DER BESCHWERDEFÜHRER/DIE BESCHWERDEFÜHRERIN
1. Familienname: Mair
2. Vorname(n): Martin, Geschlecht: männlich
3. Staatsangehörigkeit: Österreich
4. Berufe: Technischer Redakteur / Web Designer
5. Geburtsdatum und -ort: 15.05.1965
6. Ständige Anschrift: Krottenbachstraße 40/9/6, 1190 Wien
7. Telefonnummer: 0676/3548310
8. derzeitige Anschrift: Krottenbachstraße 40/9/6, 1190 Wien
9. Name und Vorname des Bevollmächtigten: Dr. Herbert Pochieser
10. Beruf des Bevollmächtigten: Rechtsanwalt
11. Anschrift des Bevollmächtigten: Schottenfeldgassse 2-4, A-1070 Wien
12. Tel No: +43/1/523 86 67 FaxNr. +43/1/523 86 67/10
B. DIE HOHE VERTRAGSSCHLIESSENDE PARTEI
13. Republik Österreich, vertreten durch den Bundeskanzler, Ballhausplatz 1, A-1010 Wien
II - DARLEGUNG DES SACHVERHALTES
14. Sachverhalt und Tatsachenvorbringen:
14.1 Tatsachenvorbringen und Gang des innerstaatlichen Verfahrens:
Ich bin österreichischer Staatsangehöriger und seit längerem erwerbsarbeitslos.
Aus meiner Sicht stellen sich die Vorgänge der Vermittlungstätigkeit des Arbeitsmarktservice wie folgt dar:
14.1.1. Rechtswidrige und willkürliche Sperre von Arbeitslosengeld durch die Arbeitsmarktverwaltung im Zeitraum Oktober/November 2005:
Am 21.9.2005 wurde mit mir ein Betreuungsplan erstellt mit dem Ziel, dass ich seitens des Arbeitsmarktservice bei der Suche nach einer Stelle als Technischer Redakteur bzw. Web Designer unterstützt werde. Ich wurde vom Arbeitsmarktsevice zu einer Informationsveranstaltung bei der Firma "SÖB Itworks Personalservice" geschickt. Diese Veranstaltung fand am 10.10.2005 statt. An dieser Informationsveranstaltung habe ich auch teilgenommen. Der dortige Berater hat dann erklärt, dass es sich bei dieser Veranstaltung um eine Vorauswahl handele, da das AMS immer mehr an Leute schickt, als Stellen zu besetzen wären. Eine Voraus-information hinsichtlich Qualifikation der Arbeitssuchenden erhalte er vom AMS ebenfalls nicht.
Der Berater hat mir dann als Gehalt einen Betrag von Euro 850,00 brutto als Vollzeittätigkeit in Aussicht gestellt. Einen Arbeitsplatz hätte ich mir bei "Itworks" unter Verwendung der dort befindlichen Computer selbst suchen müssen. Diese Zuweisung wurde von mir abgelehnt, da sie keinesfalls dem Betreuungsplan entsprach und auch finanziell unzumutbar war, da nicht kollektivvertragskonform.
Am 11.10.2005 war ein Kontrolltermin beim Arbeitsmarktservice vorgesehen, welchen ich auch einhielt. Über die Informationsveranstaltung bei "Itworks" wurde nicht gesprochen. Am 13.10.2005 erhielt ich dann einen Brief vom AMS, indem mir mitgeteilt wurde, dass mein Leistungsbezug ab 10.10.2005 vorläufig eingestellt wird, da sich offene Fragen im Zusam-menhang mit meinem Anspruch ergeben hätten.
Am 30.10.2005 wurde mit mir eine Niederschrift aufgenommen, in welcher ich noch andere Gründe für meine ablehnende Haltung gegenüber der Firma "Itworks" darlegte, insbesondere, dass mir die Bezahlung nicht kollektivvertragskonform erscheint und mir kein konkreter Job angeboten wurde. Die Zuweisung sei zudem zu einer Informationsveranstaltung erfolgt. Auch ist mir nicht erklärt worden, dass meine Ablehnung einer Zuweisung eine Sperre des Bezuges nach sich ziehen würde.
IdF erließ das Arbeitsmarktservice erster Instanz einen Bescheid vom 29.11.2005, mit welchem gem. § 38 iVm § 10 AlVG das Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 10.10.2005 bis 20.11.2005 für verloren erklärt wurde. Des Weiteren wurde ausgesprochen, dass mir keine Nachsicht erteilt werde.
Dagegen erhob ich Berufung. Einer Ladung des AMS Landesgeschäftsstelle bin ich nicht ge-folgt, da ich versehentlich annahm, dass der Termin zwei Tage später angesetzt sei.
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Landesgeschäftsstelle Wien vom 7.4.2006 wurde die Berufung abgewiesen. In einer dagegen erhobenen Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde, wel-che beim VwGH zu Zl. 2006/08/0277 protokolliert wurde, wurde geltendgemacht, dass das Arbeitsmarktservice Wien eine einschlägige Judikatur des VwGH zur Rechtswidrigkeit der Zuweisungen zu "Itworks" missachtet. Nach Einleitung des verwaltungsgerichtlichen Vorver-fahrens hob das Arbeitsmarktservice Wien, Landesgeschäftsstelle mit Bescheid vom 11.12.2006 während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens den Bescheid vom 7.4.2006 gemäß § 68 Abs. 2 AVG von amtswegen auf. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren wurde infolge Klagezustellung eingestellt.
Darauf nimmt der Verwaltungsgerichtshof in seiner das Verfahren abschließenden Entschei-dung in dem im nachstehenden Punkte dargestellten Verwaltungsverfahren Bezug.
14.1.2. Am 16.11.2005 stellte ich bei der zuständigen Pensionsversicherungsanstalt einen An-trag auf Berufsunfähigkeitspension und habe dies am selben Tag dem AMS mitgeteilt. Auf-grund der Antragstellung war für mich der Kontrolltermin vom 21.11.2005 obsolet. Mir wur-de jedoch mit Bescheid vom 14.12.2005 die Leistung vom 21.11.2005 bis 1.12.2005 aber-kannt.
Dagegen erhob ich am am 3.1.2006 Berufung. Ohne Durchführung eines weiteren Verwal-tungsverfahrens erließ das Arbeitsmarktservice Wien, Landesgeschäftsstelle als Berufungsbehörde einen weiteren Bescheid vom 7.4.2006. Dagegen erhob ich eine beim Verwaltungsgerichtshof zur Z. 2006/08/0278 protokollierte Beschwerde.
Mitverfügung vom 13.10.2006 leitete Verwaltungsgerichtshof darüber das Vorverfahren ein und erstattete das Arbeitsmarktservice Wien Landesgeschäftsstelle eine mit 12.12.2006 datierten Gegenschrift. Ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, die aus-drücklich beantragt worden war und ohne mich zu Tatsachenfeststellungen, die er in seinem Erkenntnis traf zu hören, nicht der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19.9.2007, das meinen rechtsfreundlichen Vertretung 22.10.2007 zugestellt wurde, die Beschwerde ab. Damit ist das innerstaatliche Verfahren abgeschlossen.
14.1.3. gegen die Entscheidung des Arbeitsmarktservice Wien, Landesgeschäftsstelle vom 7.4.2006 stellte ich einen beim Verfassungsgerichtshof zur Zahl B 928/06 protokollierten Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe, welcher mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 25.9.2006 wegen vom VfGH angenommener Aussichtslosigkeit abgewiesen wurde.
14.2. Innerstaatliche Rechtslage
14.2.1. die angewendeten gesetzlichen Regelungen des AlVG lauten wie folgt:
"Kontrollmeldungen
§ 49. (1) Zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe hat sich der Arbeitslose wöchentlich mindestens einmal bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Vorweisung der Meldekarte persönlich zu melden. Je nach der Situation auf dem Arbeitsmarkt kann die regionale Geschäftsstelle die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachsehen, die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabsetzen oder öftere Kontrollmeldungen vorschreiben. Die regionale Geschäftsstelle kann auch öftere Kontrollmeldungen vorschreiben, wenn der begründete Verdacht besteht, daß das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe nicht gebührt. Die näheren Bestimmungen über die Kontrollmeldungen trifft die Landesgeschäftsstelle. Die Landesgeschäftsstelle kann auch andere Stellen als Meldestellen bezeichnen.
(2) Ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterläßt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, verliert vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Liegen zwischen dem Tag der versäumten Kontrollmeldung und der Geltendmachung mehr als 62 Tage, so erhält er für den übersteigenden Zeitraum kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe. Der Zeitraum des Anspruchsverlustes verkürzt sich um die Tage einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung, die er in diesem Zeitraum ausgeübt hat. Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, so ist der Regionalbeirat anzuhören."
14.2.2. Wie sich aus dem Wortlaut des § 49 AlVG ergibt, ist die verpflichtende Kontrollmeldung iZm dem Bezug von Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe zu sehen. Da der Pensionsvorschuss als eigene Leistung der Arbeitslosenversicherung (§§ 23 iVm 6 AIVG), nicht in §49 AlVG angeführt ist, können die Bezieher dieser Leistung, die weder arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitsbereit sein müssen, zur Einhaltung von Kontrollterminen nur insoweit verpflichtet werden, als Fragen zum Stand des Pensionsverfahrens erörtert werden müssen (Krapf/Keul, AlVG, Praxiskommentar, RdZ 821 zu § 49 AlVG).
14.2.3. Selbst, wenn die Auffassung der Pensionsversicherungsanstalt bzw. der belangten Be-hörde in dem angefochtenen Bescheid, dass die Antragstellung erst am 14.12.2005 erfolgte, zutreffend wäre, wäre eine Sperre des Arbeitslosengeldes unzulässig, weil ich mich in einem jedenfalls vertretbaren Rechtsirrtum befunden hätte und aus diesem Grunde eine Nachsicht von den Rechtsfolgen der Kontrollterminversäumnis gerechtfertigt ist, was die belangte Be-hörde ebenfalls rechtlich gänzlich übersieht.
5.2.4 Während des Zeitraumes eines Ruhens gemäß § 16 AIVG und während einer Sperrfrist (§§ 10, 11 AIVG) ist der Arbeitslose nicht zur Einhaltung von Kontrollterminen verpflichtet (siehe die erwähnte Richtlinie des Arbeitsmarktservice), da es dem Arbeitslosen nicht zum Nachteil gereichen kann, wenn er Kontrollmeldungen in einer Zeit unterlässt, für die gar kein Leistungsanspruch gegeben war (VwGH 6.3.1957, 4299/A).
Die belangte Behörde widersetzte sich der erwähnten Judikatur des VwGH und der herr-schenden Lehre bzw. missachtet diese gänzlich.
III- ANGABE DER GELTEND GEMACHTEN VERLETZUNG(EN) DER KONVENTION UND/ODER ZUSATZPROTOKOLLE UND BEGRÜNDUNG DER BESCHWERDE
15.1. Verstoß gegen Art. 1 Protokoll Nr. 1 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten:
Nach Art. 1 Protokoll Nr. 1 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten hat jede natürliche oder juristische Person ein Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, daß das öffentliche Interesse es verlangt; und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völker-rechts vorgesehenen Bedingungen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in einer Österreich betreffend ergangenen Entscheidung Gaygusuz gegen Österreich ) den Ausschluß eines Ausländers vom Bezug der Notstandshilfe als Verletzung des Rechts auf Achtung des Eigentums iSd Art. 1 1. ZPMRK qualifiziert, weil die Notstandhilfe nach dem österreichischen AlVG eine Versiche-rungsleistung darstellt, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Auf meinem Fall ist dieses Judikat des EGMR 1:1 übertragbar.
Die Kernfrage, ob mir Notstandhilfe zusteht oder nicht ist folgende: ich berief mich auf die in der VwGH Beschwerde zutreffend dargelegte Rechtsmeinung in einem maßgeblichen Praxis-kommentar zur Frage der Verpflichtung von Beziehern von Pensionsvorschuß, Kontrollmel-dungen wahrzunehmen:
Wie sich aus dem Wortlaut des § 49 AlVG ergibt, ist die verpflichtende Kontrollmeldung iZm dem Bezug von Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe zu sehen. Da der Pensionsvorschuss als eigene Leistung der Arbeitslosenversicherung (§§ 23 iVm 6 AIVG), nicht in §49 AlVG ange-führt ist, können die Bezieher dieser Leistung, die weder arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitsbereit sein müssen, zur Einhaltung von Kontrollterminen nur insoweit verpflichtet wer-den, als Fragen zum Stand des Pensionsverfahrens erörtert werden müssen (Krapf/Keul, AlVG, Praxiskommentar, RdZ 821 zu § 49 AlVG).
Ohne erkennbare sachliche Begründung setzt sich der VwGH in dem das Verfahren abschlie-ßenden Erkenntnisse über diese Rechtsmeinung hinweg; dies mitfolgender Begründung:
"Auch damit ist der Beschwerdeführer nicht im Recht: Kontroll-meldungen sind als Instrument der Arbeitsvermittlung zu verstehen (vgl. das Erkenntnis vom 15. Dezember 1988, Zl. 87/08/0169); ein Kontrolltermin iSd § 49 Abs. 1 A1VG dient in erster Linie der Betreuung des Arbeitslosen (vgl. das Erkenntnis vom 20. Dezember 2006, Z1. 2005/08/0159); mit der Kontrollmeldung wird insbesondere die Kontrolle des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsbezug, also insbesondere der Arbeitsfähigkeit, der Arbeitswilligkeit und der Arbeitsbereitschaft, bezweckt (vgl. Krapf/Keul, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz I, Rz 820 zu § 49).
Zwar ist gemäß § 23 Abs. 2 Z. 1 A1VG für die vorschussweise Gewährung von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe nicht erforderlich, dass Arbeitsfähigkeit, Arbeitswilligkeit und Arbeitsbereit-schaft vorliegen. § 49 A1VG sieht aber nicht vor, dass Kontrollmeldungen Beziehern von vorschussweisen Leistungen nicht vorgeschrieben werden dürften, zumal der Pensionsvorschuss nur eine Variante des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe ist und keines gesonderten Antrages bedarf, weil ein Antrag auf Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) auch diese Variante einschließt (vgl. das Erkenntnis vom 17. Oktober 1996, Zl. 96/08/0050).
Die Antragstellung auf die Gewährung eines Pensionsvorschusses macht demnach weder den während des Bezuges von Notstandshilfe vorgeschriebenen Kontrolltermin hinfällig, noch ist es dem Arbeitsmarktservice nach erfolgter Antragstellung untersagt, Kontrollter-mine vorzuschreiben.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund steht im Beschwerdefall fest, dass sich an der Verpflichtung des Beschwerdeführers, den vorgeschriebenen Kontrolltermin einzuhalten - wobei er über die Rechtsfolgen der Versäumung des Kontrolltermins belehrt worden ist - durch die Antragsstellung auf eine Berufsunfähigkeitspension nichts geändert hat. Inwiefern bei dieser klaren Rechtslage beim Beschwerdeführer ein Rechtsirrtum herbeigeführt werden konnte, der Anlass für die Gewährung der Nachsicht von den Rechtsfolgen der Versäumung des Kontrolltermins sein könnte, wird nicht näher dargestellt."
Mit diesem Judikat vom 19.9.2007 Z. 2006/08/0278 befand der Verwaltungsgerichtshof in dem rein formalistisch begründeten Erkenntnis, dass der Pensionsvorschuss eine Form des Arbeitslosengeldes sei und deswegen Kontrollmeldungen zulässig seien. § 49 AlVG sähe davon keine Ausnahmen vor.
Kontrollmeldungen seien Instrument der Arbeitsvermittlung.
Der VwGH vermeint zwar sinngemäß, dass die Zwecke der Kontrollmeldungen (Arbeitsfähigkeit, Arbeitswilligkeit und Arbeitsbereitschaft) bei Beziehern von Pensionsvorschuss gar nicht vorliegen können, dennoch seien Kontrollmeldungen zulässig. Unter Hinweis auf eine frühere Entscheidung vermeint der Verwaltungsgerichtshof Kontrollmeldungen dienten in erster Linie der Betreuung des Arbeitslosen.
Was aber in der Lebenswirklichkeit bei diesen Kontrollmeldungen für Pensionsvorschussbezieher wirklich geschehen soll, lässt der Verwaltungsgerichtshof offen. Sollen sie dennoch, obwohl die Arbeitsfähigkeit in einem anderen Verfahren - unter Umständen durch das Arbeits-und Sozialgericht - während dessen geprüft wird, vermittelt werden?
Wenn dem nicht so ist, liefe das Judikat auf ein geradezu schikanöses Vorladen von Pensi-onsvorschussbeziehern zur Arbeitsmarktverwaltung hinaus und hätte der Verwaltungsgerichtshof wegen Unsachlichkeit der Regelung und Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes das Gesetzprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof einleiten müssen. Neuerdings lagert das Arbeitsmarktservice Wien die Kontrollmeldungen zu Privatfirmen zur aufsuchenden Vermittlung (zum Beispiel zur Gesellschaft für Aus-und Weiterbildung GmbH ), die vom VwGH wegen Verletzung des Art. 8 EMRK für menschenrechtswidrig erkannt wurde (VwGH vom 24.1.2006, 2004/08/0017) aus.
Zu den lapidaren Ausführung des VwGH:
"Inwiefern bei dieser klaren Rechtslage beim Beschwerdeführer ein Rechtsirrtum herbeigeführt werden konnte, der Anlass für die Gewährung der Nachsicht von den Rechtsfolgen der Versäumung des Kontrolltermins sein könnte, wird nicht näher dargestellt."
ist dem VwGH bei seiner in jeder Hinsicht oberflächlichen Entscheidung vorzuwerfen, die Beschwerde offenbar nicht ausreichend genau gelesen zu haben bzw. sich sogar über die herrschende Rechtsmeinung hinweggesetzt zu haben, da in dieser geltendgemacht wurde, dass nach dem in der Beschwerde selbst zitierten Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsrecht, der als einziger zur verfahrensgegenständlichen Problematik, ob Pensionsvorschußbezieher überhaupt den Regelungen des § 49 AlVG betreffend Kontrolltermine Stellung bezieht, dies verneint wurde. Der VwGH gibt das Zitat, der sich als Beschwerdeführer in der Beschwerde machte wieder, lässt jedoch die Schlussfolgerungen:
"Da der Pensionsvorschuss als eigene Leistung der Arbeitslosenversicherung (§§ 23 iVm 6 AIVG), nicht in §49 AlVG angeführt ist, können die Bezieher dieser Leistung, die weder arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitsbereit sein müssen, zur Einhaltung von Kontrollterminen nur insoweit verpflichtet werden, als Fragen zum Stand des Pensionsverfahrens erörtert werden müssen " (Krapf/Keul, AlVG, Praxiskommentar, RdZ 821 zu § 49 AlVG). einfach beiseite.
Dazu ist zu bemerken, dass im innerstaatlichen Verfahren nicht im mindesten Ansätze gab, dass das Arbeitsmarktservice Fragen zum Stand des Pensions Verfahrens erörtert haben wollte.
Im § 49 Abs. 1 AlVG ist der Pensionsvorschuß als solcher nicht erwähnt. Dieser wird mit dem gegenständlichen Judikat vom VwGH hineingelesen (im Analogiewege).
Es gab bis zum gegenständlichen Erkenntnis des VwGH keine Judikatur zu maßgeblichen Rechtsfrage.
Ich war im innerstaatlichen Verfahren erst im Beschwerdeverfahren vor dem VwGH anwaltlich vertreten und bin selbst juristischer Laie.
Die Auffassung des VwGH in dem das Verfahren abschließenden Erkenntnis, ich hätte bei einer ungeklärten Rechtsfrage (und obendrein bei einem vorhandenen gegenteiligen maßgeblichen Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsrecht ) nicht in einem Rechtsirrtum sein können, ist nicht nachvollziehbar. Vielmehr ergibt sich aus dem Umstand, dass die Rechtsfrage von einem maßgeblichen Kommentar in meinem Sinne gelöst war, dass ich als juristischer Laie den Gesetzen der sachlichen Logik folgend (die auch der VwGH nicht in Abrede stellen kann, zumal keinerlei Begründung dafür gegeben ist, was ich bei der Kontrollmeldung tatsächlich tun hätte sollen).
15.2.Verletzung des Art 6 Abs 1 EMRK:
Art 6 Abs 1 EMRK lautet:
"Artikel 6
(1) Jedermann hat Anspruch darauf, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Das Urteil muß öffentlich verkündet werden, jedoch kann die Presse und die Öffentlichkeit während der gesamten Verhandlung oder eines Teiles derselben im Interesse der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einem demokratischen Staat ausgeschlossen werden, oder wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozeßparteien es verlangen, oder, und zwar unter besonderen Umständen, wenn die öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde, in diesem Fall jedoch nur in dem nach Auffassung des Gerichts erforderlichen Umfang."
a) Nach der neueren Rechtssprechung des EGMR in den Fällen Feldbrugge und Deumeland sind sozialversicherungsrechtliche Ansprüche grundsätzlich als "civil rights" iSd Art 6 EMRK anzusehen. Diese Judikatur wurde im Falle Zraggen gegen die Schweiz hinsichtlich eines Anspruches auf Invalidenrente bestätigt.
Die Ansprüche nach dem AlVG sind als "civil rights" iSd Art 6 Abs EMRK nach der ständigen Judikatur des EGMR zu beurteilen.
Das AlVG sieht zur Entscheidung über Ansprüche, wie dem gegenständlichen, in seinem § 44 die Zuständigkeit des Arbeitsmarktservice, sohin von Verwaltungsbehörden und ein Verfahren nach dem AVG vor. Es verletzt damit das Grundrecht nach Art 6 Abs 1 MRK auf eine Entscheidung durch ein unabhängiges und unparteiisches auf Gesetz beruhenden Gericht.
b) Über die Ansprüche nach dem AlVG, wie den gegenständlichen Notstandshilfebezug als "civil right" ist der Beschwerdeführer des weiteren in seinen von Art 6 Abs 1 garantierten Rechten
- auf Anhörung in einer öffentlichen Verhandlung,
- innerhalb einer angemessenen Frist und
- auf öffentlicher Urteilsverkündung
verletzt.
Der Senat 8 VwGH vermeinte, dass eine mündliche Verhandlung verzichtbar war, weil in der Beschwerde keine erörterungswürdigen Rechts- und Tatsachenfragen aufgeworfen worden seien. Der VwGH pflegt (im übrigen auch der österreichische OGH) grundsätzlich keine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen, wenn es seines Erachtens "nur" um Rechtsfragen geht.
Der VwGH konfrontiert mich (und einen Vertreter) erstmals mit dem Erkenntnis mit seiner inhaltlich völlig unhaltbaren und verfehlten Rechtsauffassung, die, wie vorstehend ausgeführt, auf rein schikanöse Vorladungen und Kontrollen (die genau genommen freiheitsentziehenden Charakter nach Art. 5 EMRK aufweisen) von Pensionsvorschußbeziehern hinausliefen.
Hätte der VwGH eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, hätte meine Vertretung die nunmehr dem EGMR vorzutragende unsachliche Entscheidung hintanhalten können, indem er die Verfehltheit der Rechtsauffassung, wie vorstehend ausgeführt, dargelegt hätte. Es hätte, wenn der VwGH die Ansicht trotzdem gedacht hätte, beizubehalten, eine Anregung eines Gesetzeprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof, der der Verwaltungsgerichtshof von amtswegen nachzukommen gehabt hätte, angebracht werden können, weil die Interpretation des § 49 AlVG unsachlich ist und und in der Praxis zu schikanösen Ladungen führt. Der Zwang ohne einen sachlichen Anlass zu einer bestimmten Zeit bei der Behörde erscheinen zu müssen, verwirklicht obendrein eine Art. 5 EMRK verletzende freiheitsentziehende Maßnahme, da die Betroffenen für die Zeit der Ladung (und die damit verbundenen Wegezeiten) über ihre persönliche Freiheit nicht verfügen können. Auch erwerbsarbeitslose Menschen sind keine Freiwild in Ansehung der Disposition über ihre Bewegungsfreiheit, wie dies das Ergebnis der verfehlten Entscheidung des VwGH wäre.
Beim VwGH, wie auch beim österreichischen OGH (Letzterer hat in Zivilsachen seit Jahrzehnten keine öffentliche mündliche Verhandlung mehr durchgeführt) besteht die Auffassung, dass die Parteien (und ihre rechtskundigen Vertreter) zu Rechtsfragen ohnehin nichts maßgebliches beizutragen haben, weswegen sich eine mündliche Verhandlungen erübrige. Diese Auffassung bringt der Verwaltungsgerichtshof in dem abschließenden Erkenntnis ganz deutlich zum Ausdruck.
Ob der zunehmender rechtlicher Fehlerhaftigkeit und Verfassungswidrigkeit der Entscheidungen des österreichischen OGH und des Verwaltungsgerichtshofes gibt es seit mehreren Jahren Diskussionen über eine nachprüfende Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes nach der Entscheidung dieser Gerichte (beispielsweise Tagung der österreichischen Juristenkom-mission in Weissenbach am Attersee im Jahre 2005 (http://www.juristenkommission.at/2005.html). Bei der überwiegenden Befürwortung durch Praxis und Lehre wehren sich dagegen praktisch ausschließlich die Vertreter der beiden anderen Höchstgerichte, des VwGH und des OGH (vgl.zuletzt der Richter des OGH Georg E. Kodek in der österreichischen JZ 2008, S. 216 ff.). Die Argumente sind praktisch ausschließlich davongetragen, dass dem VwGH und dem OGH eine dadurch angenommene Unterordnung unter den Verfassungsgerichtshof nicht zusinnbar wären (wobei beispielsweise Kodek versucht, dies wissenschaftlich zu verbrämen, indem er die Verurteilungen durch den EGMR ins Verhältnis zu den Gesamtzahlung von Entscheidungen in Österreich setzt und vermeint, dass Verurteilungen durch den EGMR, die sich seines Erachtens im Promille-Bereich bewegten, in Kauf zu nehmen seien. Was Kodek mangels praktischer Erfahrung im menschenrechtlichen Bereich freilich gänzlich übersieht ist, dass beispielsweise durch die Verurteilungen des EGMR in den Fällen Moser gegen Österreich, Kaplan gegen Österreich aufgezeigt wurde, dass das österreichische AußStrG jahrzehntelang in zig-Tausend Außerstreitverfahren menschenrechtswidrige Verfahren tolerierte, dieses zu den genannten Urteilen des EGMR kam, die auch zu einer Beschleunigung der Verbesserung des Außerstreitverfahrens noch während der laufenden Verfahren vor dem EGMR vierten). Es waren 100-tausende menschenrechtswidrige Verfahren, hinter denen immer einzelne Menschen stehen, in Österreich durchgeführt worden, bis beispielsweise durch diese Verurteilungen Österreichs durch den EGMR dagegen Abhilfe geschaffen wurde (wenn auch nicht gänzlich, da immer noch trotz der Entscheidungen des EGMR Verfahren nach dem alten Schema durchgeführt werden).
Es geht bei der gegebenen Überlastung des EGMR nicht an, dass mit der Haltung des VwGH, dass, wenn es nur um Rechtsfragen ginge, keine mündliche und öffentliche Verhandlung anzuberaumen sei, letztlich der EGMR mehr belastet wird, als dies notwendig wäre.
Letztlich werden Beschwerdeführer wie ich durch die Haltung des VwGH (und des OGH in Zivilsachen) auch in ihrem Recht auf ein wirksames Beschwerdeverfahren nach Art. 13 EMRK verletzt, da sie durch die Praxis des VwGH von der Erörterung von Rechtsmeinungen abgeschnitten werden, die eine Menschenrechtswidrigkeit hintanhalten könnten.
IV - ANGABEN ZU ARTIKEL 35 ABS. 1 DER KONVENTION
16. Letzte innerstaatliche Entscheidung (Datum und Art der Entscheidung, Bezeichnung des Gerichts oder der Behörde)
-) VwGH-Erkenntnis vom 19.09.2007
17. Andere Entscheidungen (in zeitlicher Reihenfolge mit Angabe des Datums und der Art der Entscheidung und der Bezeichnung des Gerichts oder der Behörde)
a) Bescheid Arbeitsmarktservice Wien Währinger Gürtel, vom 14.12.2005
b) Bescheid Arbeitsmarktservice Wien Landesgeschäftsstelle LGSW/Abt.3-AIV/05661/2005-622 vom 7.4.2006,
c) Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 25.9.2006, B 928/06
18. Gab es oder gibt es ein Rechtsmittel, das der Beschwerdeführer/die Beschwerdeführerin nicht eingelegt hat? Wenn ja, welches Rechtsmittel wurde nicht eingelegt? Warum?
Nein.
V - ANGABE DES BESCHWERDEGEGENSTANDES UND DER VORLÄUFIGEN ANSPRÜCHE AUF ANGEMESSENE ENTSCHÄDIGUNG
19. Es wird beantragt: der hohe Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wolle die vorstehende Beschwerde annehmen und für zulässig erklären; ferner den vorgetragenen Sachverhalt überprüfen und soferne keine einvernehmliche Lösung iSd Art 30 EMRK erzielt wer-den sollte, feststellen, daß ich in meinen rechten nach Art. 5, 6 und 13 MRK (und darüberhinaus iVm Art. 1 1. Zusatzprotokoll ) zur verletzt wurde.
VI - ANDERE INTERNATIONALE INSTANZEN; DIE MIT DIESER ANGELEGENHEIT BEFASST SIND ODER WAREN
20. Sind die vorliegenden Beschwerdepunkte bereits einem anderen internationalen Untersu-chung- oder Schlichtungsorgan vorgelegt worden? Wenn ja, sollten Sie ausführliche Angaben machen.
Nein
VII - BEIGEFÜGTE UNTERLAGEN
(keine Originale, nur Kopien) (siehe Abschnitt VII der Erläuterungen. Kopien aller unter Ziffern IV und VI genannten Entscheidungen sind beizufügen. Es obliegt dem Beschwerdeführer/der Beschwerdeführerin, die Kopien zu beschaffen oder Behinderung Gründe anzugeben. Unterlagen werden Ihnen nicht zurückgesandt.)
21. a) Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien, Währinger Gürtel vom 14.12.2005,
Zl: RGS963/AL1.02, 5353 15 05 64;
b) Berufung vom 03.01.2006;
c) Berufungsbescheid des Arbeitsmarktservice Wien, Landesgeschäftsstelle vom 07.04.2006, Zl: LGSW/Abt.3-AlV/05661/2006-622;
d) Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe an den Verfassungsgerichtshof vom 19.05.2006;
e) Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe an den Verwaltungsgerichtshof vom 19.05.2006;
f) Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.05.2006, Zl: VH 2006/08/0025-2;
g) Bekanntgabe vom 13.07.2006:
h) Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde vom 06.10.2006;
i) Verfassungsgerichtshofsbeschlüsse vom 25.09.2008 und 24.10.2008, Ablehung der Stattgebung der Verfahrenshilfe;
j) Verfügung des Verwaltungsgerichthofes vom 13.10.2008 über die Einleitung des verwaltungsgerichtlichen Vorverfahrens;
k) Verfügung des Verwaltungsgerichthofes vom 14.12.2006 samt Gegenschrift der belangten Behörde;
l) VwGH-Erkenntnis vom 19.09.2007 (zugestellt am 22.10.2007);
m) Vollmacht.
VIII - ERKLÄRUNG UND UNTERSCHRIFT
(siehe Abschnitt VIII der Erläuterungen)
22. Ich erkläre nach bestem Wissen und Gewissen, daß die von mir im vorliegenden Beschwerdeformular gemachten Angaben richtig sind.
Ort: Wien,
Datum: 22.04.2008
(Unterschrift des Bevollmächtigten)
Anmerkung Aktive Arbeitslose Österreich: Die Beschwerde war leider erfolglos. Ein ausführliches Urteil liegt uns leider nicht vor! Die Bezugssperre wurde allerdings vom AMS Wien amstwegig aufgehoben (angeblich aufgrund einer Intervention der AK Wien)