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Gewisse

Wolfgang Rauter am Mo., 27.11.2017 - 22:23

Stimmungen. Wenn sie schlagend werden, schlagen sie auf das Gemüt. En suite mehrere graue Tage im November sind solche Schlägertypen, die nach einem massiven Einsatz von Sicherheitskräften, gleich nach einem flächendeckenden, koordinierten Grossaufgebot rufen. Grauenhafte Tage, die sich Fidschi-Insulaner im Schatten ihrer Palmen am weissen Strand nicht vorstellen können. Alles, aber wirklich alles, ganz pauschal, pauschler geht gar nicht, ist wäääh...

Pamela Anderson, nackt, im Playboy, wäääh... Kabarett, wäääh... Oper, wäääh... Jazz, wäääh... Weihnachtsdekorationen, wäääh... Der Morgenkaffee, wäääh... Der Abend, wäääh... Die Inspiration, wäääh... Was für ein Einfall ist denn das schon wieder, wäääh... So ein Tag ist gar kein Tag, das ist nur der aufgewärmte Abklatsch aller grauer Novembertage der letzten Jahrzehnte. November ist gar kein Monat, der tut nur so, und auch das im absoluten Sparmodus. Das Sparpaket des Jahres, mit Geiz an Reiz gefüllte und gefühlte Monotonie letzter Qualität. Tripel Z, verglichen mit Tripel A Tagen stabiler Azoren-Hochs in den Sommermonaten. Und erst die Hormone. Was erlauben Hormone, schwach wie Drüsen leer, ich haben fertig.

Ungesalzene, lauwarme Mehlsuppe mit einem Teelöffel Mehl auf den Liter, drei Tage abgestanden, ein Geschmackserlebnis der dritten bis vierten Art. Aus dem verstaubten Duden blättern ein paar vergilbte Buchstaben. Ein F, und ein A. Und da, nach einer Weile, sackt auch noch ein D langsam in sich zusammen. F und A und D. Ja, ich hab's eh kapiert, meinst ich sei blöd, oder was? Fad, klar ist das fad. Ein Huftlauch Mundgeruch eines halben Gähnens. Huftlauch. Eine fadere Verhunze von Lufthauch fällt kaum noch ein. Huchtflauch, vielleicht auch Fluchthauch.

Ein Hauch von Fluchtgedanken regt sich. Mehr ein Häuchlein, kaum der Rede wert, und der Bewegungsimpuls versickert in irgendeinem Nervenstrang. Ist das jetzt der Sympathikus oder der Parasympathikus? Demenz wallt träge wie in der Dämmerung aufsteigender Nebel. Wer wird denn jetzt, im November, der korrekt in No und Vember getrennt geschrieben werden müsste, Google bemühen? Unsympathiküsse, das ist es, alle Nervenstränge sind samt und sonders ausnahmslos nur Unsympathiküsse, graue Schleimfäden, die knapp noch registrieren, No Vember is. Mehr ham se nicht mehr drauf.

Staub. Ja, eindeutig, keine Sinnestäuschung, das ist eine deutlich bemerkbare graue Staubschicht. Einen Grauschleier nennt man das. Abstauben. Hä? Bist deppert? Abstauben, wäääh... Sonst noch was? Warum nicht gleich auch noch Fensterputzen, oder was? Und dann? Dann ist das Grau weg, oder wie, oder was? Geh, hör mir doch auf mit dem Schmäh. Positives Denken starten. Hand ausstrecken, auf den Knopf drücken, und schon rattert es langsam los. Alles ist gut.

Ach was. Nur die letzten Worte eines verstorbenen Philosophen. Quintessenz, Konzentrat eines ganzen, langen Philosophendaseins. Alles ist gut. Dafür braucht es ein ganzes Leben? Alles nur chemische Reaktionen in der Großhirnrinde. Soviel Input für diesen Output. Dispositives Denken, dispositiv, nicht positiv, mentaler Grauschleier. Alles ist grau, so schaut's aus. Grau in grau, mit leichten Tönungen, wenn man länger genau hinschaut. Hinschauen würde. Wer schaut schon länger genau auf Grau. Nichts Besseres zu tun?

Ha, so ein alter Schwarz-Weiss-Fernseher, das wär's jetzt. Nach Sendeschluss um Mitternacht. Wir beenden jetzt das Programm und wünschen eine gute Nacht, und dann schneit es graues Flimmern, in ungeheurer, kolossaler, gigantisch moderner Kreativität. Es gibt kein Grau links der Mitte, es gibt kein Grau rechts der Mitte, es gibt nur die graue Mitte, graues Mittelmass, den grauen Durchschnitt, die graue Durchschnittlichkeit. Das grosse, graue No. No. No Vember.

Ein junger Wichtigtuer, mit grosser, grauer Ledertasche, ein paar graue Blechdosen mit grauen Drähten und Steckern, montierte die graue Antenne neben den anderen grauen Antennen auf dem Dach. Jedem seine eigene Antenne, für sein eigenes Grauen auf der schweren, grauen Bildröhre. Testbild, grau, mehr grau, noch mehr grau. So um 400 auf 600 Bildpunkte. Scharf eingestellt. Scharfes Grau, noch schärferes Grau. Kontrast. Helligkeit. Hadeh in Grossvaters Dampf-Fernsehen. Beginn des No Vembers der Postmoderne. Graue Gesichter spuckten bis zum Sendeschluss um Mitternacht graue Töne.

Dann kam der Kahlschlag. Der Antennenwald verschwand, als wäre einer der modernen Zwei-TaktRasenmäher über die Dächer geknattert. An ihrer Stelle poppten fast hörbar Schüsseln wie Popcorn aus Dächern und Balkonen. Statt drei oder vier grauenhafte Programme, die mit einem klackenden runden Drehgriff an der Seite der grauen Röhre gewechselt wurden, grauenhaft viele Programme, ohne Sendeschluss. Die Bildröhren taten, als ob das Grau auf ihnen farbig, ja, sogar bunt wäre. Grau-en-haft, es war grau-en-haft. Halt, falscher Tempus. Es IST grau-en-haft. Flach und fad wie eh und je. No Vember-Modelle, alle miteinander. Im No Vember kann nichts Besseres hinten dabei heraus kommen.

Enttäuschend. Grau-en-haft enttäuschend. Entlaubung eines grauen Baumes voll grauer Blätter, bis er kahl und entlaubt enttäuscht im No Vember dasteht, wie doof. Das war's? Ja klar, was denn sonst. Das war's, und tschüss. Graue Täuschungen hingen lang genug an grauen Ästen. Eine grauer als die andere. Der Sonne, dem Licht, der Farbe reckten sie sich entgegen, saugten es in sich ein, als wäre es Licht gewesen. Aber was war es wirklich? Grauer Rauch. Grauenhaft wichtiger grauer Rauch, um den ein riesiges Tamtam gemacht wurde. Geheiligte Zeremonien um Muratti, oder Camel, oder roten Liban, oder schwarzen Afghan.

Im No Vember stiegen früher Rauchschwaden aus verbrennenden Laubhaufen, bis es verboten wurde. Heute müssen die grauen Blätter der kahlen, entlaubten Enttäuschungen als Bio-Müll entsorgt und kompostiert werden. Gesetzlich verordnetes langsames Verfaulen und Verrotten der gesetzlich verordneten Täuschungen in öffentlich-rechtlichen Komposthaufen der Enttäuschung. Also lautet ein Beschluss, dass der Mensch was lernen muss. Lernen soll das gewesen sein? Getäuscht muss er werden. Bis er im No Vember der Täuschungen entlaubt in kahler Enttäuschung da steht, wie doof, senil, dement, ohne Google Sympathikus nicht mehr von Parasympathikus unterscheiden kann. Was war denn sympathisch, was parasympathisch daran?

Graupelzchen. Das war's. Graupelzchen schreiben. In Schnürlschrift, in nicht mehr rechtwinklig und quadratischen, jetzt in 75 Grad nach rechts geneigten, schräg karierten Zeilen. Wie hiess die Lehrerin? Vergessen. Graupelzchen. Graupelzchen. Graupelzchen. Hauptsache grau. Grauenhaft pädagogisch wertvolle Disziplinierung und tiefenpsychologisch wirksame Suggestion fürs Leben. Graupelzchen. Etwas Bunteres, Schöneres, Grösseres, ist ihr nicht eingefallen. Der Schüler da? Der schreibt jetzt eine Stunde lang Graupelzchen. Aber korrekt, schön, exakt. Was soll da schön daran gewesen sein? Grau war's, grauenhaft. Mit zarten Acht Jahren schon im No Vember.

Für Graupelzchen braucht's kein Google. Das sitzt. Erste Schulstunde in der neuen Schule, bei der neuen Lehrerin. Und gleich die Suggestion für ein graues Leben in graue Zellen eingeprägt. So lautete der Beschluss. Das G muss jetzt als geschlossenes O und schräg geschrieben sein, die Kleinbuchstaben neu nicht mehr in halber, sondern in Zwei-Drittel-Grösse. Jo mei, so ein junges Gehirn ist ja noch plastisch und formbar. Und erst die Seele. So formbar wie grauer Teig, und gleich fürs Leben in dispositives Denken geknetet.

Oachkatzerlschwoaf und s'Moizaitgleggle laitet erntete einige unbedarfte Lacher, altersbedingt, ist anzunehmen, aber die semantische Ergründung von Huräseckl dauerte eine Weile. Täuschung, alles nur Täuschung durch das Wort, das viel zu wichtig genommene Wort, das sich in Rauch auflöste, im No Vember des Lebens auf dem Komposthaufen der entlaubten Enttäuschung landete. Worte sind grauer Rauch und Schall, Herbststürmen fetzen es vom Gewächs der Täuschungen. Blasen. Soll es nicht besser blasen heissen? Wehen? Fegen?

Oder lassen wir das mit den Stürmen. Sie fallen, die Blätter der Worte und Täuschung. Listen to the falling leaves, they know the art of dying. Hör den fallenden Blättern zu, sie kennen die Kunst des Sterbens. Igüllisch, wie das ein gewisser Malo später bezeichnete. It's hard to be a hard man like me sagte ein anderer, Jim genannt, wie er richtig hiess, lässt sich auch nicht googeln. Immer der harten Realität in die Augen schauen, nicht in igüllischen Schwärmereien, in beeinträchtigter Sicht in grauen, verbalen No Vember-Nebeln schwelgen, die igüllisch rosa angehaucht scheinen. Worte, das ist mittlerweile wohl klar geworden, sind graues Laub vom Gewächs der Täuschung. Das Erste, was nach der Entlaubung der Enttäuschung auf dem Kompost landet und recycelt wird.

Was sind schon Worte gegen ein Framing, wie Brecht heute sagen würde. Alles ist gut, liess Kant als letzte Blätter fallen. Göthe fand nicht alles so gut. Seine letzten Blätter im No Vember waren Licht, mehr Licht. Eine deutliche Kritik an allem, dem er Lichtmangel vorwarf.Es ist nicht alles gut. Und warum ist es nicht gut? Weil Licht fehlt. Hatte Kant einfach die hellere Birne in seine Fassung eingeschraubt? Im No Vember ist das wichtig. Da wird es schon wieder viel früher dunkel. Spätestens im No Vember lohnt es sich, eine hellere Birne zu haben, im Juli ist es eh hell, da denken die Leichtsinnigen nicht daran, leben einfach ohne helle Birne drauflos, und rufen dann im No Vember nach Licht, mehr Licht. Hätten sie sich im Juli eine besorgt, oder noch besser schon im Juni. Im März schon. Im März schon Graupelzchen, Graupelzchen, Graupelzchen, für den ganzen Frühling und Sommer schon ins Grau des No Vembers gehüllt, als ob es keinen Frühling und Sommer, keine hellen Monate gäbe.

Nach einem Leben in grauen Depressionen erst im No Vember des Lebens darauf aufmerksam gemacht werden, he, da war unterdessen auch ein heller Sommer, wenigstens für andere, für bessere Leute, die nicht vom März des Lebens an in Graupelzchen, Graupelzchen gehüllt wurden, ist eine grauenhafte Enttäuschung. He, Leute, lasst doch Kinder auch einen hellen Frühling und Sommer erleben, möchte man fast sagen. Nur, weil ihr schon im No Vember des Lebens seid, heisst das nicht, dass ihr Kindern den Frühling und Sommer verwehren sollt, damit sie dann im No Vember nicht nach Licht, mehr Licht verlangen, sondern behaupten, alles ist gut. Das kann doch nur ein Leben sagen, in dem es auch einen guten, hellen Frühling und Sommer gab.

Nein, es ist nicht alles gut. Im grauen No Vember, diesem überflüssigen Pseudo-Monat, ist eindeutig zuwenig Licht, da hatte Göthen mit seiner Kritik nämlich schon recht. Auch ich plädiere für die Abschaffung des Monats No Vember, besonders dann, wenn er im März des Lebens schon mit angeblich pädagogisch wertvollen Graupelzchen beginnt, Frühlings- und Sommermonate ins No Vember-Grau hüllt, in dem Psychologen mit Therapien und Psychopharmaka so tun, als ob sie helle Birnen gegen gutes Geld verkaufen könnten, aber selber nur weit überteuerte trübe Funzeln weiterer Täuschung, nur Worte und Chemie statt Licht verkaufen, weil sie doch selber kaum genug Licht haben, nur Worte auf Diplomen.

Kindern mehr Licht ins Dunkel. Schöne Worte, doch nun lasst uns endlich Taten sehen, nicht nur den Schall und Rauch der Worte auf Diplomen. Seid ihr Eltern und Lehrer, die ihre Kinder lieben, oder nur mit Worten auf Papier diplomiert? Macht ihr nur mit Worten den gleichen grauen Rauch wie Muratti, Camel, roter Liban oder schwarzer Afghan? Macht ihr das ganze Leben zu einem einzigen, grauen No Vember? Zu einer unbemerkten, schleichenden Depression, die ihr mit viel Finkeln, Funkeln, Fankeln und viel Geschepper übertüncht und übertönt?

Werft Worte, NLP, Framing von euch wie Feigenblätter von eurer Scham und schämt euch eurer Nacktheit nicht. Nackt seid ihr wortlos, ohne Schall und Rauch. Mit Worten, und seien sie noch so raffiniert und gedrechselt, oder nur simple Graupelzchen, Oachkatzerlschwoaf oder Huräseckl, geht im grauen No Vember kein Licht auf. Nur die wirkende Tat ist wirklich Licht, das Licht, das vor, nach und hinter Worten ist. Niemand denkt daran eine Mauer zu bauen ein Beispiel dafür, wie Worte Mauern bauen, in die sich Menschen selber einmauern oder sich mit Steinen der Worte von raffinierten Schwätzern einmauern lassen, bis die Worte in der Entlaubung des No Vembers des Lebens als Laub von der Enttäuschung fallen.

Worte wie graue Mauern, Worte wie fallende Mauern, Worte wie im No Vember schon gefallenes Laub. Leute, Elten, Lehrer, bringt Kindern endlich Sprache, Sprechen, bringt ihnen das Verstehen und nicht nur das von euch Verstandenwerden bei. Hast du mich verstanden? Hast du meine Worte anstelle meiner Taten und vollendeten Werke für voll genommen? Dieses Verstandenwerdenmüssen sollte von Eltern und Lehrern, die Kinder lieben, endlich durch Verstehenlehren ersetzt werden. Lehrt eure Kinder verstehen, und sie werden euch verstehen, in eurer ganzen Jämmerlichkeit, die sie euch aus Verstehen nachsehen und vergeben.

Im imperativ: Du musst meine Worte verstehen! Hast du mich verstanden?, steckt die ganze, graue Tristesse des No Vembers. Nein, Leute. Nein. Nicht eure Worte, sondern euch, in eurer ganzen Jämmerlichkeit, in eurer ganzen Nacktheit, wollen Kinder verstehen. Dann vergeben sie euch auch. Sonst verfluchen sie euch nur, warten darauf, dass der Dezember eures Lebens anbricht, und lassen euch dann wortlos draussen vor der Tür erfrieren. Jo mei. Verstehen ist doch nicht so schwer. Bückt euch doch einmal und hebt es auf. Dann werdet ihr staunen, wie leicht es ist. Viel leichter, als von oben herab so raffinierte Worte wie Metaphorik fallen lassen.

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