Lieber Martin Mair,
das Sozialministerium hat nun doch noch auf meinen Brief geantwortet, und zwar unter BMASK-21104/0086-II/A/2/2015
Zu meiner persönlichen Angelegenheit wurde formal auf das Gerichtsverfahren verwiesen, das jetzt nach Straßburg wandert, und dort kann es dauern …
Die Stellungnahme zur Angelegenheit Eures Briefes lege ich bei.
Bemerkenswert der Versuch, die Begründungspflicht des § 60 AVG „systematisch“ weg zu interpretieren. Der Gesetzgeber hat wohl einige (die im letzten Absatz genannte, leider auch Parteiengehör)) Bestimmungen des AVG vom Sozialversicherungsverfahren ausgenommen, die Begründungspflicht des §60 AVG ABER NICHT. Er hat auch keine vereinfachten Mandatsbescheide vorgesehen.
Die Frage, „wie explizit die Auseinandersetzung mit allfälligem Vorbringen des Bescheidadressaten sein muss“, ist durch die (von uns ja immer wieder zitierte) Judikatur des VFGH hinreichend beantwortet. Sie ist nur in den Bescheiden der PVA nicht erkennbar.
Im Übrigen ist es systematisch nicht zu begründen, daß Entscheidungen über Pensionsgewährung, wo es um den elementaren sozialen Status eines Menschen, um den Schutz seiner Gesundheit und letztlich Lebensjahre geht, einer qualitativ geringen Begründung bedürfen als die in irgendeiner minder lebenswichtigen Verwaltungssache.
Dass dies für das Sozialministerium nachvollziehbar ist, ist für mich nicht nachvollziehbar.
mit besten Grüßen
Athrosehackler
BMASK-21104/0086-II/A/2/2015
Sehr geehrter Herr A.
Bezugnehmend auf Ihre beiden Schreiben und auf das Schreiben vom 12.06.2015 an „Aktive Arbeitslose", auf das Sie auch Bezug nehmen, dürfen wir aber noch klarstellen, dass sich das Schreiben an die „Aktiven Arbeitslose" auf die ab dem 01.01.2014 geltende Rechtslage zur „lnvaliditätspension neu" bezieht. Für Sie als Jahrgang xxxx kommt diese „lnvaliditätspension neu" aufgrund Ihres Jahrganges jedoch nicht in Betracht.
Zu Ihrer Kritik an der verfahrensrechtlichen Praxis der Versicherungsträger hat die PVA noch wie folgt argumentiert, wobei festzuhalten ist, dass diese Argumentation für uns nachvollziehbar ist:
„Der Versicherte behauptet einen Verstoß der Leistungsbescheide der Pensionsversicherungsanstalt gegen § 60 AVG und legt diesbezüglich den an ihn gerichteten Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 25.03.2010, mit dem sein Antrag auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension vom 30.11.2009 abgelehnt worden ist, vor. § 60 AVG war zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung gemäß § 357 Abs. 1 ASVG im Leistungs- und Verwaltungsverfahren vor den Sozialversicherungsträgern anzuwenden. Diesbezüglich hat sich auch keine Änderung ergeben.
Er lautet wie folgt:
„ln der Begründung sind die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.“
Richtig ist, dass sich die Sachverhaltswiedergabe auf die Darstellung der maßgeblichen Diagnosen und den Ausspruch, dass dem Versicherten die Ausübung der bisherigen Tätigkeit oder einer Tätigkeit innerhalb einer gleichen Berufsgruppe noch möglich wäre, beschränkt.
Die Frage, wie explizit die Auseinandersetzung mit allfälligem Vorbringen des Bescheidadressaten sein muss, wird in § 60 AVG nicht genauer dargestellt. Dies kann man nur im Wege der systematischen Interpretation aus dem Gesamtzusammenhang ableiten. Hier ist auf die Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens, insbesondere des Leistungsverfahrens, Rücksicht zu nehmen.
Die Verwaltung der Sozialversicherungsträger wurde und wird als typisierende Verwaltung gesehen, deren rechtliche Verfahrensgestaltung aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität auf komplizierte und zeitraubende, weil einzelfallbezogene Verfahrensweisen, zu Gunsten einer Durchschnittsbetrachtung verzichtet.
Kennzeichnend für eine derartige typisierend vorgehende Massenverwaltung ist die Unan-wendbarkeit der auf das Ermittlungsverfahren bezogenen Vorschriften des AVG (siehe auch nach der neuen Rechtslage § 360b Abs. 1 ASVG, wo die §§ 37, 380, 39, 40 - 44g AVG über Zweck und Gang des Ermittlungsverfahrens, und die Bestimmung über die Beweise ausdrücklich ausgenommen sind). Dies ist damit zu begründen, weil es bei dem Massenbetrieb der Sozialversicherungsträger praktisch einfach nicht möglich wäre und eine vollkommene Stilllegung der ihnen obliegenden Aufgaben herbeiführen würde, wenn die Versicherungsträger verhalten würden, ein Ermittlungsverfahren nach den strengen Grundsätzen des AVG durchzuführen.
Wir hoffen, zur Klarstellung beigetragen zu haben und verbleiben mit
mit freundlichen Grüßen
Für den Bundesminister:
Mag.a Margit Wolff