Eminenz, sehr geehrter Kardinal!
Warum glauben Sie, dass ein Grundeinkommen das „Ende der Demokratie“ bedeutet? Im selben Interview der „Süddeutschen Zeitung“ am 18. Nov. 2017 beklagen Sie die ungleiche Verteilung der Vermögen. Diese Verteilungsungerechtigkeit ist doch einer der Gründe, dass die Menschen trotz voller Arbeitsverpflichtung, von ihrem Gehalt nicht menschenwürdig leben können! Darüber hinaus braucht es, infolge steigender Produktivität, immer weniger menschliche Arbeitskraft. Das führt zu Lohndumping! Die Menschen können ihre Berufsauswahl nicht frei treffen, sie müssen nehmen was sie vorfinden und die Bedingungen widerspruchslos hinnehmen. Das macht krank und führt zu „working poor“!!!
Hätten die Menschen eine Grundversorgung und keine existentiellen Ängste, wäre es ihnen möglich, Arbeit zu suchen die ihren Talenten und Kompetenzen entspricht und dies zu menschenwürdigen Bedingungen. Sie wären merkbar produktiver, höhere Einkommen – welche die Wirtschaft nachhaltig stärken - wären die Folge.
Ein Grundeinkommen führt zu mehr Freiheit und demnach zu mehr Demokratie. Ich denke, dass genau dieses mehr an Demokratie, die Gegner eines Grundeinkommens scheuen. Ähnlich war es mit dem Kampf um das Frauenwahlrecht. Auch hier wollten die Männer ihre Macht nicht mit den Frauen teilen. Eine lohnabhängige Erwerbsarbeit allein zeigt noch lange kein “Gebraucht werden“, das bestätigen die vielen Fälle von „burn out“! Ein „ausgebrannt sein“ aus dem Gefühl gebraucht zu werden, kann das ja wohl nicht sein.
Viele Christen wünschen sich eine funktionierende Demokratie, denn ein autoritärer Staatsmann, kann das Gefühl einer demokratischen Entscheidung (solidarisch – miteinander) nicht erbringen. Daher empfinde ich demokratische Prozesse ähnlich unserer christlich verstandenen Liebe (Solidarität), gemeinsam Leben gestalten und bewältigen!
Die Katholische Aktion startete in Österreich eine Kampagne mit dem Titel: „christlich geht anders“ – reden wir darüber! Natürlich müssen wir zuerst überlegen, wie geht christlich und darüber reden. Denn nicht in Allem wo christlich draufsteht ist auch christlich drinnen. Der Prozess ist aufwendig, aber er beinhaltet Respekt, Wertschätzung und Liebe (Solidarität ein anderes Wort für Liebe), zu welcher uns Jesus aufruft und ermutigt.
Abschließend erlaube ich mir noch, auf den Unterschied von Arbeit und Erwerbsarbeit hinzuweisen! Gerade die kirchlichen Einrichtungen leben von der „unbezahlten“ Arbeit unzähliger, ehrenamtlicher Mitarbeiter. Aber gerade diese Freiheit der Wahl, welche Arbeit ich gerne übernehme und wofür, würde die Demokratie fördern, ja stärken.
Als Beispiel sei hier die kreative Arbeit vieler Künstler erwähnt. Sie wird zunächst durch lebensnotwendige Unterstützungen ermöglicht und führt sehr oft, erst später zum erwünschten Erfolg. Die Künstler werden aber durch eine soziale Absicherung weder faul noch vernachlässigen sie die Demokratie.
Mit segensreichen Grüßen
Walter Rijs
Mitglied der KAB
(Katholischen Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer Bewegung) und Zurzeit
Präsident der kath. Aktion der Erzdiözese Wien
Wien, im Dez. 2017