Sehr geehrte Frau Eva Glawischnig,
wie wir dem Standard (1) entnehmen können, soll bei der "Abschaffung des Bankgeheimnisses", um Bagatellfälle auszuschließen, aufgrund Ihrer Verhandlungen mit der Regierung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgesehen werden. Wir weisen mit Nachdruck darauf hin, dass auf jeden Fall die Jagd auf die arm gemachten Menschen ausgeschlossen werden muss, die oft nur durch private Zuwendungen aus dem Familienkreis oder kleine Zuverdienste überleben können.
Ein Vorschlag der ÖVP in NÖ, in die Konten von MindestsicherungsbezieherInnen Einschau zu halten, zeigt ja recht deutlich, dass bei der Abschaffung des Bankgeheimnisses wieder eher die arm Gemachten ins Visier geraten. Die Mindestsicherung liegt übrigens rund 250 Euro unter der Armutsgrenze nach EU-SILC (ca. 1.100 Euro für Alleinstehende) und um rund weitere 200 Euro unter dem Referenzbudget (ca. 1.300 Euro), welches die wirklichen Lebenskosten abbildet. Vom Gesetz her wird aber bei der Mindestsicherung jede noch so kleine private Zuwendung von den arm Gemachten abgezogen.
Da in Österreich nach wie vor soziale Menschenrechte nicht in Verfassungsrang stehen und es nicht einmal ein Recht auf Existenzsicherung gibt, gilt nach wie vor folgende Aussage von Prof. Ewald Widerin: „Österreich zählt in der Tat zu den letzten Staaten der Erde, die ihre Bürger und Einwohner ohne Verfassungsbruch verhungern lassen können.“ (3)
Wir bitten Sie, uns mitzuteilen, ob und wie in der von Ihnen ausgehandelten Vorlage unumstößlich ausgeschlossen wird, dass durch Einschau in Konten, Menschen, die schon zu wenig für ein menschenwürdiges Leben haben, dieses Wenige nicht auch noch bei der Mindestsicherung weggenommen wird. Erfahrungsgemäß werden ja in der Praxis durch Gesetze geöffnete Spielräume zumeist gegen die Schwächsten ausgelegt.
Wir bitte Sie uns mitzuteilen, welche Strategie Sie verfolgen, damit endlich die sozialen Menschenrechte in Österreich gewährleistet werden.
Bei der Gelegenheit möchten wir anmerken,
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dass wir immer noch keinen Aufschrei der Grünen gegen die massiven Verschlechterungen bei der Invaliditätspension gehört haben;
- dass Ihrer Partei leider völlig entgangen sein dürfte, dass es sich hierbei nach AlVG-Novellen 2004 und 2007 und der Mindestsicherung um den vorerst letzten großen Baustein zum neoliberalen Umbau des "Sozialstaates" gehandelt hat (4);
- dass wir immer noch keinen kontinuierlichen und ernsthaften Kampf Ihrer Partei gegen die zutiefst unmenschliche, permanente Bedrohung von Armen, Arbeitslosen und Invaliden mit der Existenzvernichtung durch Bezugssperren sehen;
- dass wir weiterhin eine längerfristige Strategie Ihrer Partei gegen die schrittweise Einengung unseres Lebens durch den repressiven, neoliberalen "Aktivierungsstaat" vermissen;
- dass wir keinerlei Anstrengungen Ihrer Partei erkennen, den politischen Kampf der Betroffenenselbstorganisationen wirksam zu unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Ing. Mag. Martin Mair
Obmann "Aktive Arbeitslose Österreich"
(1) http://derstandard.at/2000017665293/Konteneinschau-nur-mit-richterlicher-Genehmigung
(3) Ewald Wiederin: Umverteilung und Existenzsicherung durch Sozialversicherungsrecht, in: Benjamin Kneihs/Georg Lienbacher/Ulrich Runggladier (Hrsg.): Wirtschaftssteuerung durch Sozialversicherung, 2005
(4) Siehe unsere Präsentation auf momentum14: Das neoliberale Aktivierungs- und Arbeitszwangsregime
http://www.aktive-arbeitslose.at/download/AA_Momentum_2014_Aktivierungsregime.pdf