„Ein hoch der Armut, sie beschert uns viele Konferenzen“1 war unser aktionistischer Beitrag zur ersten „sichtbar werden“2 Konferenz der Armutskonferenz für Betroffenenselbstorganisationen am 23.4.2006. Und Recht behielt der Spruch. Seither treffen sich - im bis in kleinste Detail vorbereiten geschützten Raum - organisierte und vereinzelte arm Gemachte, um über Armut zu diskutieren. So nebenbei schöpft die Armutskonferenz ein paar Ideen für subventionsträchtige Projekte ab, bekommen die akademisch zertifizierten ArmutsexpertInnen Ideen frei Haus gelliefert und werden in scheinöffentlichen Aktionen Bildmaterial (z.B. Gruppenfotos!) zur Behübschung der Farbbroschüren der Armutskonferenz angefertigt.
Als großartige Entschädigung für die treu in der Armut Verbleibenden – komisch, bislang hat trotz des Zugangs zum Netzwerk noch fast niemand den Sprung aus der Armut geschafft! - gibt es die Gratis-Armenjause – bitte aber nur ein Getränk bestellen – während die Professionals die von Staat und EU gespendeten Projektgelder kassieren.
Auserwählte dürfen sogar nach Brüssel zur jährlichen Europäischen Armenjause mit kurz anwesenden EU-Politikern fliegen oder sich in ministeriellen Plauderrunden hinter verschlossenen Türen über vermeintliche Aufmerksamkeit der Politik und Verwaltung freuen.
Für die Medien hält die Armutskonferenz jederzeit verfügbare Vorzeigearme bereit, die brav und verlässlich über die Armut jammern, aber niemandem weh tun. Kritisches, das die wirklichen Ursachen der künstlich geschaffenen Armut anspricht, berichten die Mainstreammedien ja sowieso nicht!
Auch die seit über 20 Jahren bestehenden, großen Armutskonferenzen in Salzburg bringen zwar Jahr für Jahr hunderte MitarbeiterInnen der Armutsbranchen zusammen, doch die Armut wird trotz oder gerade wegen der schon zum Ritual verfestigten „Armutsbekämpfung“ wundersamer Weise nicht und nicht weniger. Sie stellt ja die Existenzgrundlage für eine wachsende Schar der vom Abstieg bedrohten, weißen, akademisch gebildeten Mittelschicht dar: Unzählige SozialarbeiterInnen, AMS-KurstrainerInnen, WissenschafterInnen, Fachhochschulen, Kursinstitute und Buchverlage, VermieterInnen für Projekträume usw. leben von der Armut und freuen sich, dass sie damit ihr sportliches Leasingauto abzahlen können oder hoffen die Eigentumswohnung noch abstottern zu können.
Die paternalistische Betreuung und Befürsorgung der Armen ist auch eine gelindere und besser getarnte Form der Überwachung und Repression, die den Aufstand der arm Gemachten und als Überflüssige ausgeschiedenen Menschen vermeiden soll.
Wer wirklich nachhaltige und wirklich demokratische Basisarbeit leisten will und daher auch kritische Fragen womöglich gar in offenen Briefen3 stellt, der wird deshalb stillschweigend als Störfaktor von der Party ausgeschieden. Denn: „The show must go on!“
1 http://www.arbeitslose.at/news/20060423_armut_bekaempfen.html
2 http://www.aktive-arbeitslose.at/sichtbarwerden
3 http://www.aktive-arbeitslose.at/briefverkehr/adressatinnen/die_armutskonferenz.html