Am 17.6.2015 kam ich in den Genuss Martin bei seiner Verhandlung wegen Pension zu unterstützen.
Ich kam also aus Graz angerast und 2 Minuten zu spät. Ich wusste, dass ich jederzeit eintreten durfte.
Kulisse: Ein wohl ausgestattetes Amtszimmer mit großem Kirschtisch und stilvollen Stühlen. Auf der Richterseite sitzen je zur Linken und Rechten ein Mann, am Kopfende sitzt noch eine schick gekleidete Sekretärin (die ganz auf wichtig tut und ihre Fingernägel umsorgt), dann ist ein Stuhl frei, dorthin kommt der jeweils angesprochene Gutachter. Dem Richter direkt gegenüber sitzt der Kläger – in diesem Fall Martin.
Auf den an den Rand gereihten Stühlen sitzen die Sachverständigen und Zuhörer, in dem Fall ich.
Als mich der Richter sah fragte er: „Und Sie sind?“ Artig antwortete ich: „Ich bin Karin Rausch aus Graz!“ Der Richter hob an, in seinen Ausführungen fort zu fahren: „Da sie ohne rechtliche Vertretung hier sind muss ich sie davon unterrichten …“
Beinahe gleichzeitig nuschelte er dem Anschein nach bereits zig Male heruntergebetete Sätze in sein Diktaphon.
Richter zum Kläger: „Haben Sie etwas zu sagen?“
Martin: „Ja, wer sind die beiden Herren?“
Nachdem der Richter aus seiner Position nur die beiden Sachverständigen sah, sagte er: „Die Sachverständigen, Sie kennen sie ohnehin!“
Martin: „Nein, ich meine die beiden Herren neben Ihnen!“
Richter: „Das sind Laienrichter!“
„Aha, die Beischweiger sozusagen!“ sagte Martin
Richter: „Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Sie mit dem Gericht nicht in einer derart respektlosen Weise sprechen können!“
Martin: „Naja, sie sind doch respektlos!“
Richter: „Ich, wie kommen Sie darauf?“
artin: „Nein, nicht Sie, sondern die Herren, denn sie haben sich nicht vorgestellt!“
Der Richter brabbelte wieder ein paar wie aus der Pistole geschossene Sätze zum Fall in sein Diktaphon die er den zugrundeliegenden psychiatrischen und HNO Sachverständigengutachten entnahm.
Beide Sachverständige kommen zu Wort und führen aus ihren Gutachten aus.
Dr. Norbert Vetter erklärt noch einmal die Seite des HNO Sachverständigen. Aus seiner Sicht würde sich der Kläger nicht für Arbeiten auf Baustellen oder an Arbeitsplätzen eignen, an denen es sehr staubig sei. Auch die Arbeit mit stark riechenden Gasen und intensiven Lösungsmitteln soll vermieden werden.
Arbeit mit Büroreinigungsmitteln sei hingegen möglich, was bei mir den Schluss zu lässt, dass sich der Kläger wunderbar als Reinigungskraft im SÖB am zweiten Arbeitsmarkt eignen könnte.
„Abschließend wird festgehalten ….“ hebt der Richter an zu sagen, wird von Martin aber mit den Worten unterbrochen: „Und wann darf ich was sagen?“ Und weil der Richter meint, dass Martin ohnehin eingangs seinen beruflichen Werdegang im Detail erzählen musste, sagt er: „Was möchten Sie denn noch sagen?“
Martin: „Na, dass zum Beispiel vielen der untersuchten vorliegenden Indikationen viel zu wenig Wert beigemessen wird.“ So wäre er nicht im Stande Stress auszuhalten, würde wichtige Dinge immer vor sich her schieben und sogar wichtige Termine vergessen. Außerdem sei er im vergangenen Winter allein zwei Monate krank gewesen. Der erhöhte Medikamentenbedarf sei aufgrund der ausgestellten Rezepte nachvollziehbar, weshalb er dementsprechend einen Beweisantrag stelle. Zusätzlich beantrage er ein Zusatzgutachten des auf posttraumatische Syndrome spezialisierten Universitätsprofessors Thomas Wenzel vom AKH Wien. Auch sei er in das bestehende rigide und hierachische Lohnarbeitssystem grundsätzlich nicht einordbar bzw. integrierbar.
Die Einwendungen des Martin wurden vom Richter in sein Diktaphon aufgenommen.
Zum Schluss kommt noch Mag. Kummer (Berufssachverständiger) zu Wort.
Als er seinen Gutachterstuhl einnimmt, läutet sein Telefon, er hebt ab, obwohl schon am Wort und sagt: „Du ich muss noch ein Gutachten machen, geht’s in 3 Minuten?“. Dann legt er auf und gibt an, dass es für den gewünschten Beruf von Martin genügend offene Stellen gäbe und er kein Hindernis sähe Arbeit für ihn zu finden.
Der Richter scheint die Sätze dieses Gutachters ebenfalls zu kennen und spricht sie sobald die Worte ausgesprochen sind, beinahe synchron ins Diktaphon!
Zum Schluss kommt unter besonderen Hinweis auf seine Anleitungspflicht noch einmal die altbewährte Frage des Richters, ob der Kläger die Klage zurückzieht, womit sich die Frist zur erneuten Antragstellung verkürze, oder ober er ein Urteil möchte. Nicht in der richterlichen "Belehrung" enthalten ist aber der Hinweis, dass mit dem Beleg einer Verschlechterung jederzeit ohne Frist ein neuer Antrag auf Invaliditätspension gestellt werden kann ... (ein Schelm wer sich denkt, dass das System haben könnte, denn früher haben die Richter nicht einmal darauf hingewiesen, dass wer in Berufung geht, auch weiterhin den Pensionsvorschuss beziehen und Ruhe vor dem AMS haben konnte ...)
Natürlich möchte Martin ein Urteil darüber, wozu sonst das Ganze?
Ende der Verhandlung: 15:10 Uhr
Was sonst noch zu sagen wäre? Da sitzt die Gefolgschaft des Staates einem einzelnen Menschen gegenüber. Diese Gefolgschaft hat keine Manieren, ständig läuten Telefone, dieser Mag. Kummer will bei meinen Aufzeichnungen mitlesen, untereinander tratschen sie als wären sie alleine.
Nach dieser Verhandlung bin ich ganz der von Martin eingangs geäußerten Meinung: „Ziemlich respektlos!“ Respekt muß man sich aber verdienen und kann eben nicht einfach so per Gesetz verordnet werden!
Karin Rausch