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Vergessene Frauen. Ein Brief an Gabriele Heinisch-Hosek

Aktiver Admin am Do., 24.03.2011 - 22:24
Angaben zum Brief
Brief abgesendet

An,

Frauenministerin Frau Gabriele Heinisch-Hosek
Bundeskanzleramt Österreich Sektion II
Frauenangelegenheiten und Gleichstellung
Minoritenplatz 3
A-1014 Wie

Wien, am 24.03.2011

Vergessene Frauen“

Sehr geehrte Frau Heinisch-Hosek,

ich wende mich heute an Sie, weil Sie sich in Österreich mit viel Engagement für Frauenrechte einsetzen. Die Frauendemonstration letzten Samstag hat mich ermutigt den Schritt zu tun und meine eigene Geschichte zu erzählen.

Ich heiße B. P., bin in Polen geboren, lebe seit 30 Jahren in Wien und habe 1983 meine polnische Staatsbürgerschaft für die österreichische aufgegeben. Ich habe hier 2 Kinder zur Welt gebracht und alleine großgezogen. Ich war in der Gastronomie tätig und in der Pflege. Als ich aufgrund von Herzrhythmusstörungen nach 7 Jahren als Heimhilfe, Einsatzleiterstellvertreterin und schließlich Einsatzleiterin beschloss meine Arbeit zu wechseln, habe ich mir selbst eine Ausbildung zur akademischen Krankenhausmanagerin finanziert. 2005 habe ich mein Diplom entgegen genommen und mir damit eine Langzeitarbeitslosigkeit „gekauft“. Bis 2009 habe ich meine Zeit mit AMS – Besuchen und unnötigen, nicht zielführenden Kursen verbracht. Erst die „Aktion 4000“ ermöglichte es mir mich wieder – vorübergehend – in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Seit Ende letzten Jahres bin ich nun wieder beim AMS gemeldet. Im Mai werde ich 52, ich habe eine Tochter, die in Mindeststudienzeit studiert. Mit 740€ monatlich versuche ich meine Miete zu bezahlen, mein Kind zu unterstützen und ein halbwegs normales Leben zu führen. Gerne würde ich wieder arbeiten, ich bin mir meiner Fähigkeiten bewusst. Der Wille und das Können sind vorhanden, nur wird mir keine Gelegenheit mehr gegeben dies zu beweisen. Gerade jetzt, wo es in der Pflege viel Arbeit gibt, kann ich nichts anderes tun als mich abgestempelt und auch diskriminiert zu fühlen.

Nicht nur, dass mir in der langen Zeit beim AMS Bemerkungen untergekommen sind wie „Frau P., warum gehen Sie nicht nach Polen zurück?“ oder „Sie hätten diese Ausbildung nicht machen sollen“ – auch von der Gesellschaft generell fühle ich mich ausgeschlossen. Ich mache keine Pläne für das Wochenende und lade keine Gäste zu mir ein, da ich mir diesen „Luxus“ nicht leisten kann. Ich verlasse vormittags meine Wohnung nicht, da ich nicht will, dass meine Nachbarn meine Arbeitslosigkeit bemerken. Ich wache nachts oft auf und kann stundenlang nicht mehr einschlafen, da mich Existenzängste plagen.

Es ist nicht lediglich finanzieller Druck, der mir zu schaffen macht, für mich bedeutet meine Arbeitslosigkeit auch seelisches und gesundheitliches Leiden.

Vor zwei Jahren habe ich mit dem plötzlichen Tod eines für mich ganz besonderen Menschen einen weiteren Schicksalsschlag erfahren. Dieser Verlust schmerzt mich bis heute noch. Ich bin keine Frau, die unglücklich oder unzufrieden mit ihrem Leben ist. Schwierigkeiten und Herausforderungen habe ich mich immer gestellt und gemeistert. Und auch jetzt wünsche ich mir nichts anderes als eine Arbeit, die es mir ermöglicht für mich selbst und auch meine Kinder zu sorgen, mir erlaubt in Würde zu leben und mir dabei hilft meine Trauer und meinen Schmerz über das in den letzten Jahren Erlebte zu verarbeiten.

Liebe Frau Heinisch-Hosek, ich kann heute nur für mich sprechen, aber ich bin überzeugt, dass es viele Frauen mit einer ähnlichen Geschichte wie meiner in Österreich gibt. Ob Migrantin oder zu alt, der Zugang zum Arbeitsmarkt wird vielen trotz guten Willens verwehrt. Ich habe meine letzte Hoffnung verloren jemals noch eine Arbeitsstelle angeboten zu bekommen und fühle mich von Gesellschaft und Politik vergessen und auch nicht wahrgenommen. Ihnen diesen Brief hier zu schreiben ist ein Versuch mich in Erinnerung zu rufen, ein Zeichen zu setzen für mich selbst und für viele andere in diesem Land. Ich will nicht weiter leise leiden und schweigen.

Wenn Sie sich Zeit genommen haben diese Zeilen zu lesen, freue ich mich. Wenn Sie eine Möglichkeit sehen meine Situation zu verändern, bin ich für Ratschläge und Hilfestellungen dankbar.

Ich freue mich auf eine Reaktion,

mit freundlichen Grüßen

B. P.

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