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Stellungnahme der Aktive Arbeitslosen zum Entwurf des Staatenberichts vom Juli 2010 zur Universal Periodic Review - Austria 2011

Submitted by Aktiver Admin on Thu, 09.09.2010 - 16:32

Die Bezeichnung der Abschnitte orientiert sich am zugrunde liegenden Staatenbericht.

(1) I. Methodologie und Konsultationsprozess

  1. Die Vorbereitung auf den Konsultationsprozess litt nicht nur unter der mangelnden Bekanntschaft des neuen Instrumentariums der UPR sondern auch an der schlechten und zu kurzfristig kommunizierten Information wie und wann dieser in Österreich abläuft.
  2. Die Round Tables wurden zu spät vor der Einreichungsfrist an den OHCHR abgehalten, sodaß erst relativ spät klar wurde, ob ein eigener Beitrag als Nichtregierungsorganisation notwendig erscheint und welche Inhalte besonders berücksichtigt werden müßten.
  3. Insgesamt muß geurteilt werden, daß die Ergebnisse der Arbeitsgruppe zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten (gemeinsam mit Rechten zur Informationsgesellschaft) des Round Tables in Wien nicht in den Bericht eingeflossen sein dürften. Dies scheint zum Teil auch für andere Arbeitsgruppen zu gelten. Hiermit erübrigt sich eigentlich der Rest der Stellungnahme, weil davon ausgegangen werden muß, daß dieser ebenfalls ignoriert wird.

(2) II. Rechtlicher und Institutioneller Rahmen

(3) II.A Grundrechte und Verfassungsgesetzgebung

  1. Es wird nicht darauf eingegangen, daß der Grundrechtsschutz durch 2/3-Drittel-Mehrheiten im Parlament leicht ausgehöhlt werden kann. Solche Mehrheiten dürfen die Verfassung ändern, sodaß verfassungswidrige -- und somit eventuell menschenrechtswidrige Gesetze -- beschlossen werden dürfen. Damit wird richterliche Kontrolle verhindert. Es gibt keinen Mechanismus auf demokratiepolitischer Ebene, welcher als Kontrolle eingreifen könnte. Volksbegehren oder Volksabstimmungen dürfen schon von einfachen Parlamentsmehrheiten abgeschmettert werden, auch wenn diese dem Schutz der Grundrechte dienen sollten.
  2. Höchstgerichtliche Urteile werden dadurch entwertet, daß von solchen erkannte Mißstände per Gesetz im Nachhinein legalisiert werden. Ein Beispiel hierzu ist die AlVG-Novelle 2007, die Transitarbeitsplätze (Arbeitskräfteüberlasser), Arbeitstrainings, Arbeitserprobungen, private Vermittlung und aufsuchende Betreuung für Erwerbsarbeitslose sanktionierbar machte. Von letztgenanntem bezweifelte der VwGH explizit die Konformität mit den Menschenrechten (Artikel 8 EMRK, siehe VwGH-Urteil GZ 2004/08/0017). Eine Grundrechtsprüfung steht zwar noch aus, aber es ist im Falle einer höchstgerichtlichen Aufhebung wieder mit einer Verfassungsbestimmung zu rechnen.

(4) II.B Internationale Entwicklungen

  1. Es wird verschwiegen, daß einige Vorbehalte zur EMRK bestehen.
  2. Die fehlende Ratifizierung der EU Sozialcharta und des Zusatzprotokolls zum WSK Pakt werden nicht erwähnt.
  3. Die fehlende Verankerung wirtschaftlicher und sozialer Rechte, welche auch aus einigen der im Bericht erwähnten internationalen Abkommen folgen, als subjektive und somit als einklagbare Rechte wird verschwiegen.
  4. Der Verweis auf die umfangreiche Vertragspartnerschaft von ILO-Übereinkommen muß geradezu als blanker Hohn gegenüber der Tatsache empfunden werden, daß es kein Streikrecht oder gleichwertige rechtliche Regelungen gibt.

(5) II.C Menschenrechtsinstitutionen

  1. Einige der zuständigen Institutionen sind hoffnungslos unterbesetzt, haben einen zu engen Wirkungskreis und nicht die ausreichende Unabhängigkeit. Der EU-Gerichtshof verurteilte Österreich bereits wegen eines Verstoßes gegen EU-Recht, weil die Datenschutzkommission (DSK) nicht unabhängig ist. Die Regierung hat bisher nicht darauf reagiert, soweit den Autoren bis dato bekannt ist.
  2. Für den sozialen Bereich fehlt eine eigene Institution. Derzeit sind Volksanwaltschaft und DSK zuständig. Aber es ist die Frage aufzuwerfen, ob die Agenden der Volksanwaltschaft für diesen Bereich nicht einer eigenen Institution zugewiesne werden sollten.

(6) III. Schutz und Förderung der Menschenrecht in Österreich

(7) III.J. Menschenrechte in der Informationsgesellschaft

  1. Im E-Government-Bereich wird immer wieder auf spezielle, kommerzielle Systeme gesetzt. Dies widerspricht einem möglichst breiten Zugang.
  2. Die Datenschutzrichtlinie der EU wurde nie vollständig umgesetzt.
  3. Durch Verordnung des Bundeskanzleramtes ist es möglich, daß Meldungen von Datentransfer ins Ausland und Datenverarbeitungen unterbleiben dürfen, obwohl die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes und der Richtlinie dagegen sprechen.
  4. Das Telematik-Gesundheitsgesetz höhlt die ärztliche Verschwiegenheitspflicht aus.
  5. Die geplante Vorratsdatenspeicherung, die verdachtlose Speicherung von IT-Kommunikationsdaten, bedeutet weitestgehend ein Ende der Unschuldsvermutung. Jene darf ohne Übertreibung als eine der großen Errungenschaften aus grundrechtlicher Sicht gesehen werden, weshalb deren Weglassung entsprechend schwer zu kritisieren ist.

(8) III.J. Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte

  1. Die fehlende Ratifizierung der EU Sozialcharta und des Zusatzprotokolls zum WSK Pakt widersprechen der Behauptung von Anstrengungen zur vollen Realisierung solcher Rechte.
  2. Die Hervorhebung der Förderung von MigrantInnen verschweigt aber auch den Hintergedanken, des erhöhten Lohndrucks, was ArbeitnehmerInnen und Gewerkschaften schwächt -- und somit etwaige Streiks leichter bekämpfen oder verhindern läßt. Im Anbetracht der Tatsache, daß über die Rückname oder Aufweichung, sog. ,,Flexibilisierung" viel gesprochen wird, kann nicht als Zeichen der Politik gesehen werden, diese Problematik einer Lösung im Sinne der Menschenrechtssituation hinzuführen. Dies gilt insbesonders im Anbetracht der Tatsache, daß es nach wie keine gesetzlichen Mindestlöhne gibt.
  3. Das erwähnte Arbeitsmarktservice (AMS) ist für eine Reihe von Menschenrechts¬verstößen verantwortlich, weil Verfahren nicht geregelt ablaufen. Außerdem erfüllt es von der Politik vorgegebene Quoten bei der Vergabe von Schulungen ohne Prüfung auf deren Sinnhaftigkeit für Betroffene oder betreibt Dequalifikation zur Verbesserung der Statistik. Ein zentraler Beitrag zur Vermeidung oder Beseitigung von Arbeitslosigkeit sieht ganz anders aus. Die Realitätsferne dieser Behauptung läßt sich daran erkennen, daß das AMS weder für die Schaffung von Arbeits¬plätzen zuständig ist, noch dazu imstande sein kann.
  4. Zur Mindestsicherung wurde nicht nur unsere Kritik ignoriert (siehe Beilage), sondern es werden grob falsche Behauptungen aufgestellt. Wie sollen Alleinerziehende vor Armut geschützt werden, wenn die Sätze von Kindern unter jenen von Hartz IV in Deutschland liegen? Selbst deutsche Höchstgerichte urteilten bereits, daß diese Sätze zu gering sind, was in anbetracht der vergleichbaren Bedürfnisse wohl auch für Österreich gelten müßte. AlleinerzieherInnen mit Kindern über 3 Jahre erhalten zudem, wenn sie keinen Betreuungsplatz für ihre Kinder finden, weder Notstandshilfe noch Mindestsicherung!
  5. Für die Aufnahme von Sozialhilfebeziehern in die gesetzliche Krankenversicherung bedarf es grundsätzlich keiner Mindestsicherung, diese hätte auch so längst erfolgen müssen.
  6. In der Mindestsicherung und beim AMS gibt es weiterhin das Instrumentarium von Existenz gefährdenden Sperren zur Disziplinierung von ungewünschtem Verhalten. Bei der Mindestsicherung ist bei Anfechtung von Bescheiden über Bezugeinstellungen nicht einmal der Antrag auf eine aufschiebende Wirkung vorgesehen! Die Sicherstellung des Lebensbedarfes (Existenzminimums) ist nicht vorgesehen, das Recht auf Leben ist somit nicht mehr gewährleistet!
  7. Besonders Partnerschaften oder Familien sind durch die geringen Kindersätze und Abschläge für gemeinsames Wohnen von Armut gefährdet. Menschen in Wohngemeinschaften werden durch besonders niedrige Sätze bei der Mindestsicherung diskriminiert.
  8. Hierdurch ist die Bekämpfung von Armut wohl im Bereich von Erwerbslosigkeit oder sehr geringem Einkommen nicht gerade als zentral zu erkennen.
  9. Nicht übersehen werden sollte die Tatsache, daß besonders arbeitsmarktferne Personen in den vorliegenden Umsetzungen der Mindestsicherung (3 von 9 Bundesländern) von eindeutig menschenrechtswidrigen Maßnahmen oder Sanktionen betroffen sein können. Hierzu gehören die bereits in 4. erwähnten Maßnahmen, deren Katalog aber teilweise noch um Arbeitserprobung und eine Art Zwangsarbeit erweitert wurde.
  10. Viele Betroffene empfinden den Umgang mit ihrer Person als entwürdigend. Überlegungen zu einem würdevollen Umgang fehlen nicht nur, sondern der Entwürdigende Umgang mit Betroffenen wird durch die Mindestsicherung, objektiv gesehen, sogar noch verfestigt.

Wien, 9.9.2010

Anlage: Einzelbericht der „Aktiven Arbeitslosen“ vom 12.7.2010 zur UPR Österreichs an die Vereinten Nationen.

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