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Steiermark: Minisicherung mit vielen Fallen

Soumis par Aktive Arbeits… le mar, 01.06.2010 - 13:29

(Wien/Graz, 1.6.2010) Heute wurde im Sozialausschuß des Landes Steiermark der erste Landesentwurf zur Mindestsicherung diskutiert. Die großen Erwartungen, die Sozialminister Hundstorfer gerne weckt, werden leider nicht erfüllt: Die Länder beschränken sich darauf, die im großen und ganzen vom bürokratischen Geist des Überwachungsstaates geprägte §15a Vereinbarung in Landesrecht zu gießen und fast keine Verbesserungen vorzunehmen. Die "Aktiven Arbeitslosen" wenden sich daher in einem Offenen Brief an die Mitglieder des Sozialausschusses des Steirischen Landtags und weisen auf die zahlreichen Mängel hin, unter denen die betroffenen Menschen leiden werden.

Hinweise:

Der Sozialausschuss des Steirischen Landtags tagt weiters am 9.6.2010
Der Landtag mit Fragestunde am 15.10

Der Sozialausschuss des Parlaments behandelt die §15a Vereinbarung am 10.6.2010
Der Hauptausschuss wird diese voraussichtlich am 16.6.2010 beschließen. Protestaktionen sind möglicherweise geplant!

Rückfragehinweis:

Mag. Ing. Martin Mair
Obmann "Aktive Arbeitslose"
kontaktataktive-arbeitslose.atrel="noreferrer"
Tel.: +43 676 35 48 310

Ausführliche Stellungnahme zur Mindestsicherung unter http://www.aktive-arbeitslose.at

waltraud.bachmaier-geltewaathiway.atrel="noreferrer",
gregor.hammerlatstvp.atrel="noreferrer",
claudia.klimt-weithaleratstmk.gv.atrel="noreferrer",
elisabeth.leitneratstvp.atrel="noreferrer",
barbara.rieneratstmk.gv.atrel="noreferrer",
gerhard.ruppatstmk.gv.atrel="noreferrer",
martina.schroeckatstmk.volkshilfe.atrel="noreferrer",
gdeateichberg-trautenburg.steiermark.atrel="noreferrer",
officeatmarkus-zelisko.atrel="noreferrer",
klaus.zenzatgmx.atrel="noreferrer",
edith.zitzatstmk.gv.atrel="noreferrer"

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit großer Betroffenheit nehmen wir zur Kenntnis, dass nicht nur nicht auf die zahlreiche Kritik an der Mindestsicherung eingegangen wird, sondern auch noch die in Aussicht gestellte 14malige Auszahlung der Mindestsicherung zurück genommen wurde.

Obwohl die Mindestsicherung mehrere wesentliche und daher zu begrüßende Verbesserungen gegenüber der alten Sozialhilfe bietet (Begrenzung der Rückforderungen, der Lebensunterhalt kann nicht mehr so leicht vom Land auf die Verwandten abgewälzt werden, e-Card für alle, Möglichkeit AMS-Schulungen zu bekommen, ...), werden nur allzu viele untragbare Zustände der Sozialhilfe übernommen bzw. weitere Verschlechterungen vorgenommen:

  • Keine ausreichende Armutsbeseitigung:
    Die Mindestsicherung liegt sehr deutlich der von EUSILC 2008 festgelegten Armutsgefährdungsschwelle von 950 Euro, ermöglicht daher kein menschenwürdiges Leben und wird daher der internationalen Verpflichtung aus dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ("UN-Sozialcharta") nicht gerecht.

    Kindern nur 19% (=141 Euro) zuzugestehen heißt Kinderarmut per Gesetz festschreiben. Hartz-IV-Deutschland gewährt immerhin 215 Euro! Menschen in Wohngemeinschaften erhalten dank 25% Abschlag weniger als in der Sozialhilfe! Ein "Schonvermögen" von nur 3.100 ist auch deutlich unter Hartz-IV-Deutschland und stellt keinen Polster für notwendige Sonderausgaben dar! Aber Sonderbedarf ist -- da nicht geregelt -- keine Abgeltung mehr möglich!

  • Zu geringe Ausweitung klar durchsetzbarer Rechte:
    Die Auszahlung des realen Wohnbedarfs und des Zusatzbedarfs bleibt weiterhin der Willkür der Behörden überlassen, die Menschen bleiben daher teilweise weiterhin Bittsteller ohne Rechte.

  • Verschlechterungen durch Angleichung an die Arbeitslosenversicherung:
    Durch die Übernahme der Zumutbarkeitsregeln der Notstandshilfe wird keine Rücksicht auf die oft mehrfachen Benachteiligungen und erschwerten Lebensumstände der betroffenen Menschen genommen und die in jahrelangem Kampf beim Verwaltungsgerichtshof erkämpften Rechte werden mit einem Federstrich zunichte gemacht.

  • Keine Berücksichtigung besonderer Lebenslagen beim "Einsatz der Arbeitskraft":
    AlleinerzieherInnen wird die Erziehungspflicht nur bis zum 3. Lebensjahr angerechnet, auch wenn keine Kindergartenplätze verfügbar sind! Pflegebedürftige Angehören befreien erst ab Pflegestufe 3, die 30 Wochenstunden entspricht, von der Arbeitspflicht. Bei einer Mindestverfügbarkeit laut AlVG entspricht das einer 55 Stunden Woche! Schwerstkranke Kinder dürfen gepflegt werden aber nicht schwerkranke?

  • Verstärkte Überwachung und Abbau des Datenschutzes bzw. der Privatsphäre:
    Es kann nun von den Betroffenen Menschen von den Behörden nicht nur eine "Sozialanamnese", eine "Kompetenzbilanz" und eine "Perspektivenklärung" sowie zahlreiche andere Daten über die Betroffenen und deren Lebensumfeld (!) erhoben werden - Daten die bislang zum Teil nur bei den betreuenden Einrichtungen erhoben wurden. Diese Daten können auch gegen den Willen der Betroffenen zwischen Land, Bund (AMS) und Sozialversicherungen ausgetauscht werden! Die automatische Weitergabe von Daten über die Einstellungen des AMS-Bezugs, die bereits aufgrund unüberprüfter Behauptungen Dritter ohne Gewährung des Parteiengehörs erfolgt, bedeutet eine Ausweitung der repressiven AMS-Politik auf die Mindestsicherung.

  • Verstärkte Repressionen gegen Armutsbetroffene durch das Dogma der "Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt":
    Nach jeder Krise steigt die Sockelarbeitslosigkeit und damit die Zahl jener Menschen, die dauerhaft von der Wirtschaft vom Erwerbsleben ausgeschlossen werden. Die unter Sperrdrohung aufgenötigten "Wiedereingliederungsmaßnahmen" des AMS ermöglichen daher immer seltener einen Einstieg in den "ersten Arbeitsmarkt" und werden daher immer öfter als demütigend und stigmatisierend erlebt und zerstören so letzten Endes das Leben der betroffenen Menschen. Besonders kontraproduktiv ist es, über die §15a-Vereinbarung hinaus bereits Beratungs- und Betreuungsangebote sowie bislang im Gesetz nicht vorgesehen "Maßnahmen zur sozialen Stabilisierung" (= Zwangstherapie?!) unter Sperrdrohung zu stellen und so die für den Erfolg von professioneller Sozialarbeit nötige Vertrauensbasis mutwillig zu zerstören.

  • Mangelnde Einbeziehung der Betroffenen:
    Nirgends ist die Rede von den Rechten der betroffenen Menschen. Die Betroffenen haben weiterhin keine gesetzlich geregelte Interessensvertretung und keinerlei Mitsprache bei der Vollziehung des Gesetzes, womit die Mindestsicherung den Anforderungen einer modernen Demokratie keinesfalls gerecht wird.

Und noch viele andere Details die Sie unserer Stellungnahme entnehmen können, die wir zwar fristgerecht eingebracht haben, die aber dennoch nicht auf der Webseite des Begutachtungsverfahren aufscheint.

Die Brutalität, mit der diese von obrigkeitsstaatlichen Denken geprägte Minisicherung im steirischen Landtag durchgepeitscht werden soll, zeigt offenbar, welch geringe Wertschätzung die PolitikerInnen in der Steiermark den Menschen in der Steiermark entgegenbringen und wie sehr sie bereit sind, die Menschenrechte zu verletzen.

Wir fordern Sie auf, gegen dieses menschenrechtswidrige Gesetz zu stimmen und so rasch wie möglich unter Mitwirkung der betroffenen Menschen eine menschenwürdige Mindestsicherung auszuarbeiten.

Mit betroffenen Grüssen

Mag. Ing. Martin Mair
Obmann "Aktive Arbeitslose"

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