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Mahnwache Internationaler Tag der Menschenrechte 2014: Solidaritätsbotschaft Judith Schwentner (Grüne Alternative)

Soumis par Aktive Arbeits… le jeu, 14.08.2014 - 12:42

Liebe Menschen von den Aktiven Arbeitslosen,

zuerst einmal: Ich bedanke mich für die Einladung zu eurer Aktion und würde auch gern teilnehmen, auch weil ihr die einzigen seid, die das wirklich haarsträubende Problem in Zusammenhang mit dem Rehabilitationsgeld kontinuierlich ansprecht. Just an diesem Tag und sehr wahrscheinlich zu genau diesem Zeitpunkt ist die entsprechende Vorlage auch im Nationalrat. Ich kann also leider nicht bei eurer Aktion vorbeischauen.

Erlaubt mir nur eine Anmerkung: Die Argumentation mit den Menschenrechten ist zwar emotional sehr richtig und in der praktischen Administration führt die Vollzugspraxis sowohl der Mindestsicherung als auch des Rehabilitationsgeldes tatsächlich zu einer Situation, in der Menschen verfassungsrechtlich garantierte Rechte aufgeben müssen, um zu einer meiner Meinung nach ihnen zustehenden Leistung zu kommen, im öffentlichen Diskurs hilft diese Argumentation jedoch meines Erachtens nicht viel weiter, weil es ja im juristischen Diskurs eine potentielle Alternative gibt (das Bestehen auf das Grundrecht und somit den Verzicht auf die Leistung) und somit formal keine Verfassungswidrigkeit vorliegt. Ich argumentiere daher anders als ihr…

Dennoch ist es sachlich richtig, dass hier der Gesetzgeber einen unfassbar rigiden, ja geradezu bösartigen Schritt setzt. Wir können nicht einfach so tun, als ob die Konstruktion und die Ausweitung des Case-Managements beim Rehabilitationsgeld nicht massive negative Folgen für tausende Menschen haben wird.

Wir werden selbstverständlich der entsprechenden Gesetzesänderung unsere Zustimmung verweigern.

Darüber hinaus haben wir um Stellungnahmen der Krankenversicherungsträger, der Pensionsversicherungsträger und des Ministeriums ersucht, nach welcher Rechtslage nunmehr die Festlegung der „Maßnahmen“ im Case-Management des Rehabilitationsgeldes erfolgt: nach jener der Pensionsversicherung oder nach der wesentlich umfassenderen der Krankenversicherung.

Die Frage an sich und ihre Bedeutung war (und ist möglicherweise noch immer) den VertreterInnen der anderen Parteien nicht bewusst: Während Maßnahmen der Krankenbehandlung im Bereich der Pensionsversicherung nur zumutbar sind, sofern sie mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zur Folge haben, hat die Krankenversicherung einen wesentlich umfassenderen Aufgabenumfang (etwa die Festigung der Gesundheit oder die Stärkung der Fähigkeit,  für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen). Die Erweiterung der Aufgaben der Krankenversicherung gegenüber der Pensionsversicherung hat historisch einen guten Grund: Die Krankenversicherung soll möglichst umfassend für die Wiederherstellung der Gesundheit zuständig sein. Dies war in der Vergangenheit kein Problem, da die Krankenversicherung ja vor allem mit Sachleistungen in Erscheinung tritt und nur in sehr seltenen Fällen für die Gewährung existenzieller Geldleistungen zuständig ist.

Wenn der Krankenversicherung aber nunmehr die Aufgabe zukommt, die zumutbaren Voraussetzungen für den Erhalt einer existenzsichernden Geldleistung festzulegen, wendet sich das gegen die Menschen: Menschen müssen zukünftig auch Maßnahmen akzeptieren und durchführen (lassen), die gar nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit dienen, um nicht den Anspruch auf ihre existenzsichernde Geldleistung zu verlieren.

Dies ist mit Sicherheit verfassungswidrig. Dazu gibt es sogar – aber eben die Pensionsversicherung – betreffende Judikatur. Es ist jedoch geradezu bösartig, die Menschen einer sich über Jahre hinziehenden Unsicherheit auszusetzen und auf den Rechtsweg zu verweisen. Sie sind krank. Jetzt. Sie brauchen Existenzsicherung. Jetzt.

Die gewählte Vorgehensweise ist meines Erachtens ein furchtbarer Ausdruck eines in einer Demokratie unzulässigen Paternalismus: Wir sagen euch, was ihr zu tun habt. Und wenn ihr es nicht wollt, dann könnt ihr uns mal…

Mit großem Interesse bemerke ich euren Aufruf in Sachen Sammlung entsprechender Protokolle. Auch wir haben schon einige Protokolle und sind regelrecht fassungslos: Da werden definitiv der Heilung nicht zuträgliche Schmerztherapien „vereinbart“ oder Psychotherapien „vereinbart“, bei denen die Krankenversicherungsträger nicht die vollen Kosten übernehmen. Die Pensionsversicherung hat – entsprechende Judikate liegen vor – auch das soziale und familiäre Umfeld bei der Festlegung von Maßnahmen zu beachten. Die Krankenversicherung unterliegt derzeit nicht den geringsten klaren Regelungen.

Wir gehen davon aus, dass in Zukunft mehrere tausend Menschen pro Jahr Probleme mit der nächste Woche zu beschließenden Regelung (kombiniert mit den Fehlern der Gesamtumstellung, die wir seinerzeit zugegebenerweise auch nicht völlig erfasst haben) haben werden. Wir werden an einer Veränderung arbeiten. 

Mit besten Grüßen,

Judith Schwentner

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