Sorry, you need to enable JavaScript to visit this website.

Hinweis zu E-Mail-Anfrage: Aus technischen Gründen und aus Gründen des Datenschutzes und der Netzpolitik bitte Google und gmx meiden! Weitere Infos

Stellungnahme zum "Wien anders"-Artikel: Das AMS macht bis zu 1.500 Beschäftige arbeitslos

Submitted by Aktive Arbeits… on Tue, 24.02.2015 - 15:04
Angaben zum Brief
Brief Adressat
Brief abgesendet
Antwort

Antwort von Christoph Ulbricht

Liebe Leute von „Wien anders“,

auf Eurer Homepage finden wir einen Aufruf zur Demonstration der Gewerkschaft gpa-djp am 2.6.2015 gegen Kürzungen des Budgets für AMS-Zwangsmaßnahmen (1), der in seiner unkritischen Sprache direkt von der systemkonformen Gewerkschaft stammen könnte.

Wir sehen es als neoliberalen Unsinn „dass arbeitsuchende Menschen weiterhin die Möglichkeit bekommen, bei ihrer (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt unterstützt zu werden“?

Vielleicht ist es Euch nicht bewusst, dass das eine unglaubliche Verharmlosung des menschenrechtswidrigen Sanktionenregimes (2) darstellt. Nur weil sie von „der Wirtschaft“ zur Steigerung der Gewinne ausgeschieden und erwerbsarbeitslos gemacht wurden, werden Menschen durch Androhung des Existenzentzuges in leider oft völlig sinnlose und demütigende AMS-Zwangsmaßnahmen gezwungen!

Wir sind keine Asozialen, die wieder „integriert“ werden müssen! Durch AMS-Kurse alleine – auch wenn ein Teil davon durchaus gut und sinnvoll ist – werden die 700.000 fehlenden existenzsichernden Arbeitsplätze auch nicht geschaffen! Durch den Ruf nach mehr „Bildung, Beratung und Betreuung“ wird indirekt den Opfern neoliberaler Wirtschaftspolitik die Schuld an der Erwerbsarbeitslosigkeit zugeschrieben. Wir Betroffene werden damit zu passiven, sprach- und hilflosen Objekten degradiert, denen von oben herab „geholfen“ werden muss! Laut dem „Wörterbuch des Unmenschen“ ist zum Beispiel Betreuung „diejenige Art von Terror, für die der Jemand – der Betreute – (auch noch) Dank schuldet“ (3).

Dank systematischer Rechtsbeugung durch den Verwaltungsgerichtshof werden Langzeiterwerbsarbeitslose zu Menschen ohne Rechte degradiert, indem diesen notorische und daher nicht zu begründende Defizite angedichtet werden. (4)

Das Menschenrecht auf frei gewählte, volle, möglichst produktive Arbeit, in der wir unsere Fähigkeiten einsetzen können und mitbestimmen können, was wir für wen arbeiten wollen, kann doch nicht bloß auf eine „Integration in den Arbeitsmarkt“ reduziert werden, wo wir uns, auf die Ware Arbeitskraft reduziert, möglichst billig verkaufen dürfen und bestenfalls „gleiche Chancen“ im Kampf jedEr gegen jedEn um das Mangelgut „Arbeitsplatz“ haben. Auf eine beim AMS gezählte verfügbare Stelle kommen rund 20 sofort verfügbare Erwerbsarbeitslose!

Völlig inakzeptabel ist unter den derzeitigen Verhältnissen die Forderung nach Ausbau des „zweiten Arbeitsmarktes“. Hier werden den Erwerbsarbeitslosen dank von den Sozialpartnergewerkschaften ermöglichten sittenwidrigen Transitarbeitskräfteregelungen (niedriger Pauschallohn ohne Anrechnung von Vordienstzeiten, Qualifikationen usw.) Hungerlöhne von rund 1.300 Euro brutto aufgezwungen (5). Eine in die Privatsphäre eingreifende und stigmatisierende „sozialpädagogische Betreuung“ wird ebenfalls aufgenötigt. Gegen den eigenen Willen werden oft hinter dem Rücken von Erwerbsarbeitslosen Daten aus dem Arbeitsverhältnis an das AMS weiter gegeben! (6)

Als „TransitmitarbeiterInnen“ haben Erwerbsarbeitslose immer noch keine eigene Vertretung und werden zu ArbeitnehmerInnen zweiter Klasse degradiert, obwohl sie sich nichts zu Schulden kommen haben lassen!

Dies SÖBs/GBPs sind nichts anderes als Workfare-Programme. Diese unterminieren den „ersten Arbeitsmarkt“ und die Rechte aller ArbeitnehmerInnen. Die SÖBs/GBPs sind oft im untersten Qualifikationsniveau angesiedelt und bringen keine echte Qualifizierung und auch keine Lebensperspektive. Das soll eine „Einstiegshilfe“ in den „ersten Arbeitsmarkt“ sein?

Statt dauernd unter der Überwachung und Entrechtung durch AMS-Zwangsmaßnahmen zu stehen, plädieren wir daher dafür uns „unserem Schicksal überlassen“, auf dass wir endlich Zeit und Energie finden, uns ohne Drangsalierung durch AMS und „die Wirtschaft“ selbst zu organisieren und unser Schicksal in unsere Hand zu nehmen!

Wir haben Jahrzehnte lang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt, AK und ÖGB mitfinanziert und werden trotzdem auch unter Mithilfe der Gewerkschaften entrechtet!

  • Wann haben sich denn die TrainerInnen, je gegen ihre Mitwirkung an unserer Entrechtung gewehrt? Wer stellt sich offen gegen die strukturelle Gewalt durch das repressive Überwachungs- und Sanktionenregime unter dem wir leiden?

  • Wann hat sich diese angebliche Gewerkschaften vehement für die Rechte der Erwerbsarbeitslosen eingesetzt und – so wie heuer in Großbritannien (7) - Demonstrationen gegen die repressive Arbeitsmarktpolitik organisiert?

  • Wann und wo haben diese parteiabhängigen, undemokratisch agierenden Funktionärsgewerkschaften denn Betroffenen das Menschenrecht auf demokratische Mitsprache in eigenen Angelegenheiten ermöglicht und uns in diese Protestmaßnahmen einbezogen?

  • Warum unterstützt die Gewerkschaft und „Wien anders“ nun die Spaltung der ArbeitnehmerInnen?

Die Rechte der Erwerbsarbeitslosen sind die Rechte aller ArbeitnehmerInnen. Wer würde freiwillig jahrzehntelang in eine Arbeitslosenversicherung einzahlen und sich dann, wenn er/sie auf diese unfreiwillig angewiesen ist, weil „die Wirtschaft“ zu Steigerungen der Gewinne Arbeitsplätze wegrationalisiert, am „zweiten Arbeitsmarkt“ als Mensch zweiter Klasse behandelt werden?

Je schlechter es den Erwerbsarbeitslosen geht, desto größer ist auch der Druck auf ALLE ArbeitnehmerInnen, immer schlechtere Arbeits- und Lebensbedingungen in Kauf zu nehmen!

Unsere Forderungen sind aus diesem Grund schon lange keine Forderungen mehr, die nur Erwerbsarbeitslosen helfen sollen! Schon längst verstehen wir uns aus diesem Grund als Gewerkschaft „von unten“!

Nicht zuletzt auch deshalb, weil die korrumpierte Gewerkschaft der „glücklichen Lohnsklaven“ handelt mit ihrer Politik objektiv gegen die Interessen ALLER ArbeitnehmerInnen. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass BerufsfunktionärInnen von Gewerkschaft und AK sowohl in den sozialpartnerschaftlich beschickten AMS-Aufsichtsgremien sitzen als auch dass Gewerkschaft und AK via bfi/bfi jobtransfair /baf /BBRZ der größte Anbieter von AMS-Zwangsmaßnahmen sind?

  • Schluss mit der Komplizenschaft mit der strukturellen Gewalt durch die herrschende Arbeitsmarktpolitik!

  • Schluss mit der Spaltung der ArbeitnehmerInnen durch die sozialpartnerschaftlich mit dem herrschenden System verstrickten Gewerkschaften!

  • Kämpfen wir gemeinsam für die Rechte ALLER ArbeitnehmerInnen und für die Überwindung der Herrschaft von Kapital und Staat!
  • Kämpfen wir gemeinsam für eine echte Demokratie ohne Lüge und Gewalt!
  • Kämpfen wir gemeinsam für eine Gesellschaft in der die Menschen nicht gegeneinander ausgespielt werden und in der alle Teil haben können am gemeinsam erwirtschafteten Reichtum!

Habt Ihr schon vergessen, was die historische Aufgabe der ArbeiterInnenbewegung bzw. der Gewerkschaften war? Nämlich ein selbst bestimmtes Leben frei von Ausbeutung und Entfremdung für ALLE Menschen zu ermöglichen!

Wir hoffen, dass „Wien anders“ das neoliberale Aktivierungsregime der EU bzw. des paternalistischen Österreich nicht unterstützt und dessen ideologische Sprache nicht verbreiten will. Wenn es so wäre, wäre das mehr als nur peinlich! Was wäre an „Wien anders“ so viel anders, wenn derart gedankenlos über Betroffene hinweg agiert und die vielfältigen, real existierenden Widersprüche einfach ignoriert würden?

Auch den AMS-TrainerInnen sei es gegönnt, eine frei gewählte und sinnvolle Arbeit zu machen! Zu deren Inanspruchnahme soll aber niemand unter Androhung der Existenzvernichtung gezwungen werden. Sie sollen für und mit uns arbeiten, als freie Menschen auf gleicher Augenhöhe. Die derzeitigen Zwangsverhältnisse verletzen auch die Menschenwürde der TrainerInnen!

„Wo Recht Unrecht wird, wird Widerstand Pflicht!“ (David Henry Thoreau) (8)

Mit basisgewerkschaftlichen Grüßen

Ing. Mag. Martin Mair
Obmann „Aktive Arbeitslose Österreich“

Karin Rausch
Kassierin „Aktive Arbeitslose Österreich“

1 http://wienanders.at/das-ams-macht-bis-zu-1500-beschaeftige-arbeitslos/

2 Siehe Üresseaussendung zum Sanktionenregime 2013 http://www.aktive-arbeitslose.at/news/20140204_ams-bezugssperrren_sanktionenstatistiken_2013.html

3 Rezension zum „Wörterbuch des Unmenschen“ unter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41758416.html

4 http://www.arbeitslosennetz.org/arbeitslosigkeit/rechtshilfe/generalvorverurteilung_fuer_langzeitsarbeitslose.html

5 http://www.arbeitslosennetz.org/arbeitslosigkeit/rechtshilfe/transitarbeitskraefteregelung.html

6 Erfahrungsberichte unter http://www.arbeitslosennetz.org/arbeitslosigkeit/ams-berichte/. Ein erster Bericht an die Volksanwaltschaft über Missstände am „zweiten Arbeitsmarkt“ befindet sich in Arbeit und wird auf unserer Homepage veröffentlicht werden.

7 Bislang unbeantworteter offener Brief an ÖG und AK zu Protestaktionen britischer Gewerschaften gegen das Sanktionenregime http://www.aktive-arbeitslose.at/briefverkehr/20150317_ak_oegb_grossbitannien_aktionstag_sanktionen.html

8 Eine frei verfügbare Neuübersetzung von David Henry Thoreau „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Statt“ gibt es unter http://www.thoreau.de/pflicht.html

Lieber Martin,

ich habe gerade deinen Reaktion zu dem Facebook-Posting von Wien anders gelesn.
http://www.aktive-arbeitslose.at/briefverkehr/20150607_stellungnahme_artikel_demonstration_ams-trainerinnen.html

Ich selber bin seit einiger Zeit (obwohl selber nicht Arbeitslos, ich wars aber schon mal) Mitglied der Aktiven Arbeitslosen weil ich wichtig finde, dass Auch Arbeitslose Menschen eine Lobby brauchen.

Ich kann deine Reaktion durchaus verstehen und ich gebe eigentlich durch die Bank recht. Wobei ich gleich dazu sagen muss, dass ich mit dem Thema Arbeitslosigkeit nicht der Spezialist bin. Aber in einem bin ich mir sicher: Zwangsmaßnahmen und der "zweite Arbeitsmarkt" sind jedenfalls nicht gut. Und die SÖB die die österreichische Version der 1-Euro-Jobs sind auch nicht.

Ich (und einige andere bei WA auch) sind auch nicht glücklich über den Text auf unserer Homepage (den jemand von uns geschrieben hat, der selber - welch überraschung - AMS-Trainer ist. Ich gestehe auch ein, dass in dem Fall unser 4-auge-Prinzip versagt hat.

Ich habe dann um zu retten was zu retten ist, eine "Richtigstellung" für Facebook geschrieben, die auch "leicht abgeändert" dort veröffentlicht worden ist. Der Rohtext zur nachlese anbei.

Lange Rede kurzer Sinn. Ich will klarstellen, dass das nicht die Mehrheitsmeinung von WA zu den SÖB ist.
Und ich würde dich und alle anderen, denen der Text übel aufgestoßen ist, bitten noch ein bisschen Nachsicht mit uns zu haben.

Oder am allerbesten. Du (oder die AA insgesamt) als Experte kannst in unser Programm einen Absatz zum Thema beisteuern und wir gehen sicher, dass wir Politk im interesse der "Betroffenen" machen und nicht auf ihrem Rücken.

Hier geht es zum offenen Programmprozess. Würde mich freuen wenn du da was beitragen könntest:
http://programmprozess.wienanders.at/

LG
Christoph

-- 
Mag. Christoph Ulbrich
Gr. Stadtgutgasse 14/301
1020 Wien
tel. 0664 4612060
www.grandtour.at

 

Stellungnahme von Wien anders zu Sozialökonomischen Betrieben (SÖB)

Der Aufruf von Wien-anders Betriebsräten zur Teilnahme an der Demonstration der AMS-TrainerInnen gegen die Kündigungswelle hat in den letzten zwei Tagen zu Diskussionen und Kritik geführt – hier auf Facebook aber auch Wien anders-intern. Der Grund war ein Halbsatz zum Thema sozialökonomische Betriebe, die von vielen betroffenen Personen sehr kritisch gesehen werden.

Klarstellen wollen wir vorab, dass sowohl die Betriebsräte, Wien anders sowieso, aber auch die meisten TrainerInnen gegen ALLE AMS-Zwangsmaßnahmen gegen den Willen der Betroffenen sind. Das war aber auch nicht das Thema der Demonstration.

Die sozio-ökonomischen Betriebe, der zweite Kritikpunkt, sind vom Konzept her eine gute Möglichkeit für bestimmte Personengruppen, in einem relativ geschützten Arbeitsplatz sich wieder zurechtzufinden. Das Lohndumping, das dort betrieben wird, kritisieren wir. Lohndumping ist in keinem Fall und unter keinen Umständen zu rechtfertigen. Dies ist die Meinung von Wien anders und natürlich auch unserer Betriebsräte. Auch hier ist der Druck, den das AMS ausübt, falsch und abzulehnen. Arbeit und Bildung unter Zwang – das kann nicht funktionieren und ist auch nicht menschenwürdig.

Unser Anspruch ist es, Politik anders zu machen. Nämlich nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg, nicht gegen die Betroffen, sondern mit den Betroffenen. Das sind in diesem Fall aber die TrainerInnen UND die Erwerbsarbeitslosen. Die Arbeitsbedingungen der TrainerInnen sind erschreckend. Hire-and-fire Mentalität der Arbeitsgeber (Kursinstitute), Selbstausbeutung durch unbezahlte Überstunden, hohe Burn-out-Raten wie in allen sozialen Berufen, und eine Entlohnung, die weit unterhalb der Qualifikationen liegt, die gefordert werden. Dies ist ebenso eine Realität wie die entwürdigende Art und Weise, wie seitens des AMS mit Arbeitslosen umgegangen wird.

Deswegen freut uns das Gesprächsangebot von Zum Alten Eisen? Deswegen wollen wir die Sichtweise der Aktive Arbeitslose und aller anderen Betroffenen ernst nehmen.
Eure Kritik soll nicht verhallen, sondern sich in unserem Wahlprogramm und unseren politischen Forderungen wiederfinden. Verwandelt bitte eure Kritik in konkrete Forderungen für unser Programm.

Derzeit läuft noch der 2. Teil unseres offenen Programmprozesses: http://programmprozess.wienanders.at/ (ab Absatz 14 geht es um soziale Themen)
Bringt euch ein. Ihr seit die ExpertInnen. Helft uns unsere politischen Forderungen im Sinne der Betroffenen zu schärfen. Danke!

Das Facebook-Team von Wien anders

Schlagworte