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abc oder abz*? Tafelklässlerische Umgangsformen und andere Fragwürdigkeiten im abz*office service (Herbst 2012)

Submitted by Aktiver Admin on Thu, 02.08.2012 - 20:25

Pünktlichkeit, Pünktlichkeit, Pünktlichkeit! "In einer richtigen Firma müssen Sie auch pünktlich sein! Das zeugt von Verbindlichkeit gegenüber der Firma, also bitte!" Schließlich soll hier im SÖB (Sozialökonomischen Betrieb), zu welchen sich auch das abz*office service (im 12. Bez.) zählt, der Büroalltag von Frauen wie in einer "richtigen" Firma simuliert werden.

Ca. 20 Frauen in Warteposition. Ein Arbeitskräftepool für Firmen, die nicht bereit sind, eine Bürokraft fix anzustellen (z.B. OMV) und sich dieses Pools arbeitswilliger Frauen über das abz*office service nach Bedarf bedienen. Zu günstigen Konditionen, versteht sich. Für € 1035,- BRUTTO (das sind € 848,- netto) pro Monat arbeiten Frauen in diversen Büros 38,5 Stunden/Woche. Das abz*office service lebt von AMS-Subventionen und "solange wir nicht mehr selbst erwirtschaften, bewilligt das AMS (Arbeitsmarktservice) keine höheren Löhne." Und: "Ich weiß, das ist wenig", gibt die Leiterin beim Infotag unumwunden zu. Die Löhne zahlt das SÖB an die Frauen – mit Ausnahme der beiden ersten Monate, genannt Arbeitstraining, wo € 18,50 pro Kalendertag vom AMS oder, falls dieser höher ist, der bisherige AMS-Bezug ausbezahlt wird. Wieviel die jeweiligen Firmen für die Arbeitskräfteüberlassung an das SÖB zahlen, wird den Frauen vorenthalten. Die beschäftigten Frauen haben eine "Stundenliste" zu führen, in welche täglich die "zu verrechnenden Stunden" einzutragen sind (exkl. Mittagspause), was eine stundenweise Abrechung zwischen Firma und SÖB nahelegt.

Einstieg ins abz*office service

Zuerst erfolgte eine "Einladung" vom AMS zum sog. "SÖB/GBP Gemeinsamen Info/BewerberInnentag" mit dem unverzichtbaren Vermerk: "Die Vorsprache bei der Veranstaltung gilt gleichzeitig als Kontrollmeldung gemäß § 49 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes", d. h. im Klartext Streichung der AMS-Leistung im Falle eines allfälligen Nichterscheinens der/des Eingeladenen. Im Einladungsschreiben findet sich weiters die Spezifizierung des Zieles: "Diese Veranstaltung hat das Ziel, die Auslastung in den SÖB/GBP Projekten wesentlich zu verbessern." Wobei die Abkürzungen nicht erklärt werden. Es geht hier offensichtlich um die mangelhafte Auslastung von SÖBs und gar nicht um eine sinnvolle Beschäftigung von arbeitssuchenden Frauen.

Beim genannten "SÖB/GBP Gemeinsamen Info/BewerberInnentag" werden mehrere sozialökonomische Projekte vorgestellt, bei einem muss frau sich bewerben und noch einmal einen Infotag beim jeweiligen SÖB absolvieren, im vorliegenden Fall dem abz*office service. Erklärung der Spielregeln vor Ort: Es handle sich hier um ein "Sprungbrett" für den Wiedereinstieg in den 1. Arbeitsmarkt, die Vermittlungsquote betrage 70 Prozent (allerdings werden die Frauen noch 3 Monate vom SÖB bezahlt, obwohl sie bereits in einer Firma arbeiten; fraglich ist daher, wie hoch die tatsächliche Lohnsubvention für die Firmen ist bzw. ob diese die Frauen nach Ablauf der 3 Monate noch weiterhin beschäftigen). Nach einer Trainee-Zeit von max. 2 Monaten (25 Stunden/Woche) ist die Übernahme in ein auf 6 Monate befristetes Dienstverhältnis in Vollzeit als TMA (Transitmitarbeiterin) vorgesehen, währenddessen können die Frauen zu internen (bei anderen abz-Einrichtungen) und externen Einsätzen (bei Firmen) geschickt werden. Flexibilität sei gefragt, je mehr Firmen eine Frau kennenlerne, umso besser – das hebe das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.

Diese Fähigkeiten werden beim Infotag einem Test unterzogen – Verfassen eines Mahnschreibens und einer Excel-Tabelle – um Defizite aufzuspüren und gegebenenfalls aufzufüllen. Nach einem Gespräch wird die Aufnahme in wenigen Tagen in Aussicht gestellt – das SÖB scheint tatsächlich nicht ausgelastet zu sein.

Alltag im abz

"Arbeitseinsätze haben Vorrang!" lautet die Devise, auch angesichts der Tatsache, dass frau gerne die festgestellten Defizite ausgleichen, sich weiterbilden und sich zu diesem Zweck zu einem internen eintägigen Workshop angemeldet hat. Schließlich will frau die Gelegenheit nützen, denn diese sind dünn gesät: ein 3-stündiger Deutsch-Workshop innerhalb von 2 Wochen war das gesamte Angebot. "Workshops sind sekundär, die kommen wieder!" war die Antwort der abz-Mitarbeiterin, da ist nichts zu machen, Befehl ist Befehl. "Wir sind hier kein Kursinstitut!" Für ihre Weiterbildung sind die Klientinnen ohnehin selbst zuständig. "In einer Firma können Sie auch niemand fragen, da müssen Sie sich auch selbst durchwurschteln und Kolleginnen fragen, das ist hier auch so. Zuerst selbst probieren, dann Kolleginnen fragen und dann, wenn Sie nicht weiterkommen, können Sie gerne zu uns kommen."

Nein, den internen Arbeitseinsatz, will heißen in einer abz*eigenen Einrichtung (die auf diese Weise sehr kostengünstig zu Arbeitskräften kommt) als Empfangssekretärin eingeschult zu werden, den könne man keinesfalls um 2 Tage verschieben (um am raren Workshop teilnehmen zu können, für den frau sich schon angemeldet und einen Platz bekommen hat), das sei "schon so ausgemacht". Und außerdem: "Sie müssen flexibel sein, Sie können auch mal erst in der Früh erfahren, bei welcher Firma Sie am jeweiligen Tag eingesetzt sind!" Mit dem Nachsatz: "In diesem Fall ist die Fahrtzeit zur Firma in der Arbeitszeit inbegriffen."

Na ja, wenigstens das. Frau blickt sich um. Wie werden andere behandelt? Ach so, dieser Ton ist hier üblich, die anderen Frauen scheinen sich schon damit abgefunden zu haben. Fast alle anwesenden Frauen fadisieren sich, es gibt zu wenig Aufträge von Firmen. Das abz*office service sollte – nach eigenen Angaben anlässlich einer wöchentlichen Besprechung, von welcher dann sämtliche abz-Insassinnen zur Übung je ein Protokoll anfertigen müssen – ca. € 17.000 pro Monat selbst erwirtschaften. Im ersten Halbjahr des Jahres habe es starke Auftragseinbrüche gegeben, sodass die Erlöse nur einen Bruchteil der Vorgabe betrugen.

Die Angst geht um

Also kann frau nichts machen, will sie das AMS-Geld nicht verlieren. Wenn eine Frau zu leiser Kritik anhebt oder vielleicht gar eine kritische Bemerkung riskiert, wird das von den "Arbeitsanleiterinnen" sofort individualisiert – diese Frau selbst habe offensichtlich ein Problem, es müsse ihr noch das richtige Verhalten am Arbeitsplatz beigebracht werden. Wie kann frau nur? Einer harschen (Pseudo-)Arbeitsanweisung nicht unverzüglich und ohne Widerspruch Folge zu leisten? Wozu werden erwachsene intelligente Menschen hier trainiert? Zu widerspruchs- und anspruchslosen, denkenlassenden Arbeitssklaven (s. Sklavenlöhne), die sich willkürlich herumkommandieren lassen? Wo doch bereits in den 1960er Jahren selbst die Katholische Kirche im II. Vatikanischen Konzil ihre Schäfchen zum Vorrang der Gewissensentscheidung ermuntert hat?!

Ach ja, ein anders eingefärbter Betrieb, das abz, aber wie wär`s mit Ingeborg Bachmann: "Niemand hat das Recht auf Gehorsam!" Oder: Wehret den Anfängen? Wo führt das hin, wenn Menschen aus Angst, ihre Existenz zu verlieren (durch Streichung des Arbeitslosen- oder Notstandshilfebezugs), alles und jedes widerspruchslos in Kauf zu nehmen bereit sind? Beispiel: Frau kommt nach einer (etwas länger als erlaubten) Mittagspause zurück und hat nichts versäumt, da es nichts zu tun gibt, dennoch herrscht heller Aufruhr – sie soll sich sofort bei den "Schlüsselkräften" melden. Eine Kollegin sagt zu ihr: "Wir haben uns schon Sorgen gemacht." Es hat sich herausgestellt, dass die Kolleginnen sie verpfiffen und behauptet haben, sie sei schon eineinhalb Stunden weg gewesen, was nicht stimmte. Und was heißt hier Sorgen gemacht?? Dass eine erwachsene Frau in der Mittagspause vielleicht – wie ein Schulkind – bei Rot über die Kreuzung gelaufen und überfahren worden sein könnte? Sorgen gemacht – aus welchem Grund? Diese Frage konnte von der Kollegin nicht beantwortet werden …

Was das abz* (sich) leistet

Die Zurichtung auf unbedingten Gehorsam wird von den Klientinnen im abz*office service – für diese scheinbar unmerklich – internalisiert. Eine "Regelübertretung" irritiert die Gruppe und manche schreien von sich aus nach Wiederherstellung der mittlerweile gewohnten "Ordnung" durch die Arbeitsanleiterinnen. Bei einer abz-Mitarbeiterin stößt der Hinweis, man müsse bedenken, wozu man die Frauen hier erziehe, auf blankes Unverständnis. Im weiteren Gesprächsverlauf stellt sich dann heraus, dass die Weltsicht des Gegenübers vor allem darin besteht, dass "es IMMER auch an der jeweiligen Frau selbst liegt, dass sie arbeitslos ist". Frau müsse sich eben Nischen am Arbeitsmarkt suchen, sie habe auch eine gefunden. Angesichts dieser von massenmedialer Gehirnwäsche genährten Unkenntnis des tatsächlichen prekären Arbeitsmarktes seitens der abz-Mitarbeiterin erübrigt sich jede weitere Diskussion.

Wie war das noch mal, was die abz-Leiterin beim Infotag da präsentierte? Das abz*office service punkte bei Firmen mit dem Argument, dass es diesen Zeit und Arbeit erspare – nämlich jene, 300-600 Bewerbungen, die auf eine einzige (!) Stellenausschreibung eingelangt sind, auf die richtige Mitarbeiterin zu durchforsten – diese Arbeit erledige das abz* für sie. Das Büro sei eben das beliebteste Betätigungsfeld von Frauen und daher am meisten nachgefragt. Von wegen Nischen …

Da stellt sich nun die Frage: wenn der Arbeitsmarkt so rosig wäre, warum schafft das abz*office service es dann nicht, an Aufträge zu kommen? Liegt es auch an diesem selbst oder vielleicht doch am Arbeitsmarkt? An den z.T. topqualifizierten und großteils jungen Frauen (einige bereiten sich gerade nebenbei auf die HAK-Matura vor) kann es nicht liegen, denn diese befinden sich hier – ungeduldig – wie in einer Wartehalle zum Absprung ins reale Berufsleben und verlangen nach Arbeitsaufträgen … während die abz-Angestellten noch auf Mittagspause sind.

Was bleibt nach dem erfolgreichen Ausstieg mit Ablauf der Trainee-Zeit ist der bittere Nachgeschmack, nur knapp einer menschenverachtenden Arbeitskräftezurichtemaschinerie entronnen zu sein. Und ein weiteres Mal der Illusion beraubt, dass Frauen als Entscheidungsträgerinnen es besser machen würden …

P.S.: Die Legende sagt, dass auch arbeitsmarktbezogene Frauenprojekte in grauer Vorzeit was mit Feminismus zu tun hatten. Doch wer glaubt schon an Legenden?

(AutorIn der Redaktion bekannt)

Nachtrag: Der Autorin soll zu Ohren gekommen sein, daß das abz auf ihre Beschwerde bereits reagiert hat und eine Arbeitsanweiserin aufgrund des untragbaren Umgangs mit den zwangszugewiesenen erwerbsarbeitslsoen Frauen gekündigt worden sein. Es bringt also doch etwas, um seine Menschenrechte zu kämpfen!

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