Seit den 80er Jahren sind die Industriestaaten mit stetig steigender Erwerbs-Arbeitslosigkeit und Prekarisierung der Lohnarbeit konfrontiert. Statt die Ursachen der Erwerbsarbeitslosigkeit zu bekämpfen oder Erwerbsarbeit neu zu verteilen antwortet eine neoliberal gewendeten Politik auf diesen Krisenkapitalismus mit einem bevormundenden Aktivierungs- und Arbeitszwangregime gegenüber Armen und Arbeitslosen, das immer mehr Menschen – selbst Invalide und andere „Problemgruppen“ - zwingt, ihre Ware Arbeitskraft am entsicherten Arbeitsmarkt zu immer schlechteren Bedingungen zu verkaufen.
Im vom Harald Rein herausgegebenen Buch wird erstmals ein Überblick über den Kampf von Arbeitsloseninitiativen der vergangenen 30 Jahre in Deutschland, Österreich und Schweiz gegeben. Aufgrund großer Nachfrage war das Buch binnen eines Jahres vergriffen und erscheint nun in zweiter, um 7 Beiträge erweiterter Auflage.
Da die Erwerbslosenbewegung noch keine Erfolgsgeschichte ist, ist es erst recht wichtig, die vielfältigen Ansätze und immer wieder neu erfolgten Anläufe zu dokumentieren. Startpunkt für eine Erwerbslosenbewegung in Deutschland war ein erster großer Bundeskongress der Arbeitslosen 1982 in Frankfurt, der erst nach mehreren weiteren Anläufen Ende der 80er Jahre in einer ersten Vernetzung der Arbeitsloseninitiativen mündete.
Das 2004 eingeführte Hartz IV Regime war der nächste große Anstoß. Spezielle Protestformen wie die „Montagsdemos“ oder dann die mehr aktionistische Kampfform „Agenturschluss“ die den politischen Kampf direkt vor und in die Jobcenter führte oder die „glücklichen Arbeitslosen“ schossen wie Schwammerl aus dem Boden. Mittlerweile sind die breiten Protest zwar abgeebbt, es werden aber immer wieder themenbezogene Protestformen, wie das „Bündnis für ein Sanktionsmoratorium“ oder bundesweite Aktionstage wie „Kohldampf machen“ in Zusammenarbeit mit anderen politischen Initiativen angegangen.
Die nunmehr 26 Beiträge geben einen umfassenden ersten Überblick über die Vielfalt der Erwerbslosenbewegung. Arbeitslose werden – gerade auch in Österreich – immer noch als passive, vereinzelte Opfer des Arbeitslosigkeit dargestellt. Deren politische Organisierung wird völlig ausgeblendet. Womit die Katze sich in den Schwanz beißt: Die systematische Ignoranz von Medien und Politik entmutigt und verhindert die Entwicklung.
Im Gegensatz zu Österreich gibt es in Deutschland immer wieder aktive BündnispartnerInnen in der Zivilgesellschaft und zum Teil sogar in den Gewerkschaften. Hier spielt die ver.di mit ihrer „Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen“ eine Vorreiterrolle. Das repressive und komplizierte Hartz IV Regime, an dessen rechtlichen Schrauben ständig gedreht wird, führt dazu, dass die grundlegenden gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Fragen in den Hintergrund treten. Dabei könnten die Erwerbslosengruppen sich als Speerspitze einer neuen ArbeiterInnen- bzw. Gewerkschaftsbewegung positionieren. Sie repräsentieren ja die vordersten Opfer des neoliberal verschärften kapitalistischen Wirtschaftssystem, dessen Verwertungsregime sich gegen alle noch LohnarbeitnehmerInnen richtet. Insofern fällt auch das Fehlen eine Beitrags über die mayday-Bewegung und eine Auseinandersetzung mit den neueren Sozialbewegungen in Griechenland, Spanien und USA auf.
Dieses Buch zeigt deutlich, wie sehr Österreich da noch ein politisches Entwicklungsland ist und dass es höchste Zeit ist, die Selbstorganisation der Erwerbslosen tatkräftig zu unterstützen und gemeinsam mit ihnen den Kampf gegen den Kapitalismus und für die Befreiung vom Joch fremdbestimmter Lohnarbeit und für die demokratische Rückaneignung der Produktionsmittel und Infrastruktur zu kämpfen.
Buchbeitrag
- Aktive Arbeitslose: Von echten und von falschen Freunden. Auf der Suche nach dem gemischten Kollektiv