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Algerien: Inhaftierte Arbeitslose nach Arbeitslosenprotesten wieder frei lassen!

Submitted by Aktive Arbeits… on Wed, 11.03.2015 - 11:46

Aktive Arbeitslose unterstützt Kampagne für die Freilassung der gewaltfreien Aktivisten der algerischen Arbeitslosenbewegung CNDDC. Nächste Verhandlung 21.3.2015! (verschoben am 11.3.2015)

Die hohe Jugendarbeitslosigkeit im ölreichen und daher eigentlich reichen Süden des Algeriens führt immer wieder zu friedlichen Protesten der vom Reichtum der Region ausgeschlossenen Menschen. Das diktatorisch regierende Regime von reagiert mit Demonstrationsverboten und willkürlichen Verhaftungen und Verurteilungen.

Am 11.2.2015 hat das Bezirksgericht Laghout in einem Schnellverfahren 8 Arbeitslosenaktivisten der algerischen Arbeitslosenbewegung „Nationales Komitee zur Verteidigung der Rechte der Arbeitslosen“ (Comité National pour la Défense des Droits de Chômeurs – CNDDC) zu je 12 Monate Haft verurteilt, 6 Monate davon auf Bewährung: Belkacem Khencha, Bekouider Faouzi, Brahimi Belelmi, Bensarkha Tahar, Mazouzi Benallal, Djaballah Abdelkader, Azzouzi Boubakeur und Korini Belkacem.

Begründung: „Organisierung einer nicht genehmigten Versammlung“ (Artikel 97 StGB) und „Ausübung von Druck auf Entscheidungen der Behörden“ (Artikel 147 StGB). Im ausgesprochen unfairen Prozess ließ da Gericht nicht einmal Entlastungszeugen der Angeklagten zu. Polizisten besetzten alle Zuschauerplätze sodass nicht einmal Familienangehörige am Prozess teil nehmen konnten. Am Prozesstag wurden weiters der Bruder sowie ein Freund von Belkacem Khencha wegen der Teilnahme an einer Versammlung verhaftet.

Vorwand für dieses Gerichtsverfahren war eine friedliche Solidaritätsbekundung am 28.1.2015 vor selbigen Gericht, wo in in einem Prozess CNDDC-Aktivist Mohamed Rag zu 18 Monate Haft verurteilt wurde und die 8 Aktivisten von der Polizei verhaftet wurden, um eine angeblich drohende Störung der öffentlichen Ordnung zu verhindern.

Die inhaftierte Arbeitslosenaktivisten protestierten mit einem Hungerstreik gegen die ausgesprochen harten Willkürurteile, setzten den Hungerstreik nach 10 Tagen wieder aus, als Vertreter der Staatsanwaltschaft bei einem Besuch im Gefängnis eine Verhandlung über die Einsprüche der Verurteilten am 11.3.2015 zugesagt hatten.

Aktive Arbeitslose Österreich unterstützt daher eine Petition der algerischen Gewerkschaften und zivilgesellschaftlicher Initiativen, die die sofortige Freilassung der Arbeitslosenaktivisten und stellt diese als Online-Petition auch auf Deutsch zur Verfügung.

Hintergrund: Proteste gegen Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und Fracking – ein exploxives Gemisch

Nach Jahren wirtschaftlicher Erholung und Schaffung neuer Arbeitsplätze hat im diktatorisch vom langjährigen Präsidenten Abdul-Aziz Bouteflika regierten Algerien in den vergangenen Jahren die Arbeitslosigkeit, vor allem der Jugend, stark zugenommen. Im gas- und ölreichen Süden des Landes, haben aber die Jugendlichen nichts davon, weil die Jobs der Gas- und Ölindustrie von der Landeshauptstadt aus mit Personal aus dem eigenen lokale und politischen Umfeld besetzt werden und die Gewinne der Ölindustrie nicht in lokale Infrastruktur und Dienste investiert werden.

Start der aktuellen Protestbewegung waren DemonstrantInnen arbeitsloser AkademikerInnen vor der Zentrale der Arbeitsagentur in der 800 km südlich der algerischen Hauptstadt Algier gelegenen Provinzhauptstadt und Universitätsstadt Ourgla nachdem die geschätzte Arbeitslosenrate bei Universitätsabsolventinnen von 10 % auf 16% gestiegen war. Höhepunkt waren Demonstrationen in Ourgla am 14.3.2013 mit rund 10.000 Teilnehmern und am 30.3.2013 in El-Oued der „Millionen-Mann-Marsch für die Errichtung des Rechtsstaates“ der an afroamerikanische BürgerInnenrechtsbewegung anspielte. Die Regierung verhaftete und verurteilte schon damals Aktivisten der Arbeitslosenbewegung CNDDC, die aber nach wenigen Monaten auf Bewährung frei gelassen wurden.

Heuer flammten die Proteste im Jänner 2015 wieder auf, weil die Regierung ihre Versprechen bezüglich Berufsausbildung, Schaffung von Arbeitsplätzen und deren gerechteren Verteilung nicht erfüllt hatte. Proteste gegen Fracking-Projekte ausländischer Energie-Konzerne kommen hinzu. Am 16.1.2015 etwa demonstrierten in Salah 13.000 Menschen gegen Fracking, in Ouargla 5.000. Am 2.2.2015 versuchten sich 15 Arbeitslose mit Benzin zu übergießen und zu verbrennen (entsprechend dem Vorbild in Tunesien), am 1.3.2015 protestierten rund 4.000 Menschen in Salah.

Waren Anfang die Protest der Arbeitslosen rein sozial motiviert und gegen Arbeitslosigkeit und Wohnungslosigkeit gerichtet. Aufgrund der Übergriffe durch die Polizei, welche die ohne vorheriger Genehmigung durch das Innenministerium nach algerischen Recht illegalisierten Demonstrationen mit allen Mitteln zu verhindern sucht, werden diese im bislang politisch eher inaktiven Süden immer politischer und richten sich zunehmend gegen Korruption und Behördenwillkür. Das Regime, das einen „arabischen Frühling“ befürchtet, versucht die Proteste daher als separatistisch und von Islamisten unterwandert zu denunzieren. Das weist die Arbeitslosenbewegung energisch zurückweist, denn die algerische Jugend hat aus dem blutigen algerischen Bürgerkrieg der 90er Jahre gelernt und lehnt jede politische/ideologische Vereinnahmung ab.

Petition:

Was weiter passiert ist:

Ergebnisse der Verfahren in erster Instanz:

  • Mohamed Rag, 18 Monate unbedingt, 20 000 Dinar Strafe geht nicht zu OGH
  • 8 andere aktive Arbeitslose, 12 Monate davon 6 unbedingt , 5000 Dinar Strafe ––> OGH
  • Rachid Aouine, 4 Monate unbedingt, 20 000 Dinar Strafe ––> OGH
  • Youssef Soltani, 4 Monate unbedingt, 5000 Dinar Strafe ––> beruft

Die algerische Macht scheint nicht von den Rufe von Ausland beeindruckt zu sein. Das EU Parlament hat eine Stellungsnahme abgeben, das stört die algerischen Machthaber sehr!

Weitere Informationen:

Beginn der Arbeitslosenbewegung 2013

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