Arbeit. Sozialministerin Hartinger-Klein legt ihre Pläne für den Arbeitsmarkt vor. Flüchtlinge sollen rascher arbeiten, Betriebe sollen unterstützt und Arbeitskräfte im Land bevorzugt werden.
VON JEANNINE HIERLÄNDER
Wien. Dass sich beim Arbeitsmarktservice einiges ändern soll, hat die türkis-blaue Koalition mit Amtsantritt klargemacht: Im Regierungsprogramm wird die „Neuausrichtung des derzeitigen Arbeitsmarktservice“ angekündigt. In groben Zügen hat sich die zuständige Ministerin, Beate Hartinger-Klein (FPÖ), immer wieder dazu geäußert. Nun legt die Sozialministerin ihre Pläne schriftlich vor. Der Bericht über die arbeitsmarktpolitischen Zielvorgaben ist auf der Homepage des Sozialministeriums abrufbar. Er steht auch auf der Tagesordnung des AMS-Verwaltungsrats, der am heutigen Dienstag zusammenkommt. Die wichtigsten Punkte im Überblick.
I Nach Jahren der Fokussierung auf Flüchtlinge soll es künftig eine stärkere Ausrichtung auf Langzeitarbeitslose, ältere Menschen, Jugendliche und Frauen geben, kündigt die Ministerin an. Die Langzeitarbeitslosigkeit hat in den vergangenen Jahren stark zugelegt. 2018 waren 36 Prozent aller Arbeitslosen schon zwölf Monate oder länger ohne Job. Die Hälfte von ihnen ist älter als 45 Jahre, die Hälfte hat höchstens einen Pflichtschulabschluss. Ein Drittel ist gesundheitlich eingeschränkt, und knapp ein Viertel bezieht Mindestsicherung. Es sei Aufgabe des AMS, Initiativen zu setzen, um Ältere länger im Erwerbsleben zu halten. Hartinger-Klein verweist etwa auf das „Beschäftigungsprogramm 50+“. Dabei erhalten Unternehmen bis zu 20.000 Euro Zuschuss zu Lohn- und Lohnnebenkosten, wenn sie Arbeitslose über 50 einstellen. Entsprechend beliebt ist das Programm bei den Betrieben.
I Wer schon lange arbeitslos und schwer vermittelbar ist, soll zunächst keine teuren Qualifizierungen mehr bekommen, sondern vor allem günstigere Beratung. Beim AMS wird diese personalisierte Arbeitsmarktpolitik bereits praktiziert. Darauf zielt
auch der neue Algorithmus ab, der heuer erprobt wird und ab 2020 voll im Einsatz sein soll. Er teilt AMS-Kunden in Menschen mit hohen, mittleren und niedrigen Chancen auf dem Arbeitsmarkt ein. Die Effizienz bei der Vermittlung soll damit steigen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut rechnet damit, dass die Arbeitslosigkeit heuer und nächstes Jahr sinkt und ab 2021 steigt.
I Ein Schwerpunkt der Arbeitsmarktpolitik sind Frauen. Das Ziel sei, „echte Wahlfreiheit“ zu ermöglichen. Sie sollen frei entscheiden können, „ob sie ihre Kinder selbst zu Hause erziehen, oder ob sie wieder teilzeitbeschäftigt oder voll arbeiten wollen“, heißt es. Für Letztere soll es nach der Babypause arbeitsmarktbezogene Beratungs- und Betreuungsangebote geben. Es werden auch Projekte zur Schaffung von „qualifizierten Teilzeitstellen“ angekündigt.
I Aktuell sind mehr als 33.000 Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte arbeitslos gemeldet. Das AMS soll sie rascher in Arbeit bringen. Zum Beispiel in „niederschwellige“ Jobs, für die es keine Fach- und Deutschkenntnisse braucht, wie Erntehelfer. AMSVorstand Johannes Kopf hat immer wieder davon abgeraten, Flüchtlinge zu schnell als Hilfsarbeiter einzusetzen. Besser sei es, sie zu qualifizieren, dann sei die Integration nachhaltiger.
I Die Regierung will die Unternehmen unterstützen, den Fachkräftemangel zu lindern. Der Fokus soll dabei auf „arbeitsplatznahe Qualifizierungsangebote“ gelegt werden, die auf den Bedarf der Betriebe abgestimmt sind. Priorität bei der Besetzung von offenen Stellen müsse das im Inland bereits vorhandene Arbeitskräftepotenzial haben. Zuletzt ging der Großteil der neu geschaffenen Jobs nicht an Österreicher, sondern an Zuwanderer aus der EU. Das wird auch heuer so weitergehen.
I Die Ausbildungspflicht für Jugendliche bis 18 Jahre, 2016 von der SPÖ/ÖVP–Regierung eingeführt, wird verlängert, ebenso die Ausbildungsgarantie bis 25. Allerdings will die Ministerin die überbetriebliche Lehre, die sogenannten Lehrwerkstätten, auf das zwingend notwendige Maß reduzieren. Gleichzeitig soll die Lehre im Betrieb
mit Unterstützung des AMS durch Imagekampagnen attraktiver gemacht werden. Jugendliche ohne Ausbildung haben ein dreimal höheres Risiko, später arbeitslos und ein viermal höheres Risiko, Hilfsarbeiter zu werden.
I Das AMS-Budget sinkt bekanntlich von 1,4 Mrd. Euro im Vorjahr auf 1,25 Mrd. Euro heuer. Die Ministerin rechtfertigt das in ihrem Bericht: Es wäre „gegenüber der arbeitenden Bevölkerung unfair“, bei sinkenden Arbeitslosenzahlen und guter Konjunktur das AMSBudget nicht anzupassen.
AUF EINEN BLICK
Nach Jahren der Fokussierung auf Flüchtlinge soll es künftig eine stärkere Ausrichtung auf Langzeitarbeitslose, Ältere, Jugendliche und Frauen geben, heißt es im Bericht über die arbeitsmarktpolitischen Zielvorgaben, der dieser Tage online gestellt wurde. Die Ausbildungspflicht für Jugendliche bis 18 Jahre wird verlängert. Die „Lehrwerkstätten“ sollen aber auf das zwingend nötige Maß reduziert werden.