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Niemals vergessen: AlVG-Novelle 2007 am 4.12.2007 vom Parlament beschlossen

Soumis par Aktiver Admin le lun, 04.12.2017 - 17:46

Aktive Arbeitslose Gedächtnisdienst Nr. 1

(Wien/Graz, 4.12.2017) Als kleinen Beitrag gegen den in Österreich weit verbreiteten politischen Alzheimer weisen wir auf die wohl größte sozialpolitische Enttäuschung der seit den 1990er Jahren sich bildenden Erwerbsarbeitslosenbewegung: Nur wenige Monate nach dem scheitern der schwarzblauen Koalition und ÖVP-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zerschlug die neue, am 11.1.2007 angelobte rotschwarze Regierung unter Bundeskanzler Alfred Gusenbauer mit jede Hoffnung, dass es wieder besser werden würde: Nicht nur, dass so gut wie keine der zahlreichen Verschlechterung unter schwarzblau zurück genommen wurden, setzte auch der als Hoffnung hoch gelobte neue Sozialminister Erwin Buchinger mit der AlVG-Novelle 2007 den neoliberalen Umbau des Sozialstaates fort: der „zweite Arbeitsmarkt“, in einer AK-Broschüre zur „schwarzblauen Wende“ anno 2000 von Nikolaus Dimmel noch als gemeinnützige Zwangsarbeit tituliert, wurde nun gesetzlich festgeschrieben, weil der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen gegen AMS-Bezugssperren klagenden Arbeitslosen recht gab und die Arbeit in „sozialökonomischen Betrieben (SÖB) und „gemeinnützigen Beschäftigungsprojekte (GBP) aufgrund ihrer Vermischung von Arbeitsverhältnis und AMS-Maßnahme als „unzumutbar“ erklärte. Viele Verfahren wurden damals sogar noch von der AK unterstützt!

In der AlVG-Novelle wurden weiters „Arbeitstrainings“ und „Arbeitserprobungen“, wo Menschen nur zum weiteren Bezug des AMS-Geldes ohne reguläres Arbeitsverhältnis zur „Steigerung der Arbeitsfähigkeit“ oder „Erprobung erlernter Fähigkeiten“ arbeiten dürfen, was seither immer öfter vom AMS mißbraucht wird, um Betrieben auf Kosten der sonst gerne beschworenen „Versicherungsgemeinschaft“ kostenlose Arbeitskräfte zum ausprobieren, anzubieten. Auch die umstrittenen „gemeinnützigen Personalüberlasser (SÖBÜ) wurden im Nachhinein „legalisiert“.

Kleinere Verschärfungen bei Selbstkündigungen (4 Wochen Bezugssperre), zumutbaren Wegzeiten sowie erhöhten Strafen für bei angeblicher Schwarzarbeit erwischten Arbeitslosen rundeten die brutal über die Betroffenen hinweg von der SPÖ durchgezogenen Verschlechterungen ab.

Der kurze Widerstand hat die Entwicklung nicht aufgehalten

Erstmals gab es in Österreich gemeinsame Aktionen von Erwerbsarbeitsloseninitiativen und linken GewerkschafterInnen, wie zum Beispiel eine Demonstration vor dem Parlament unter dem Motto Sklavenaufstand [Video].

In weiterer Folge setzt die SPÖ auch unter Sozialministern Rudolf Hundstorfer und Alois Stöger schrittweise den 2000 von schwarzblau begonnenen Umbau des paternalistischen, bismarckschen Sozialstaates zum neoliberalen Aktivierungsstaat mit verschärften Arbeitszwang um. In den einzelnen Bereichen der Sozialsystems wird der Zwang zur fremdbestimmten Lohnarbeit verschärft. Die einzelnen System werden via Recht und Datenaustausch so vernetzt, dass immer weniger Menschen der kapitalistischen Vernutzung entkommen, selbst wenn sie de facto arbeitsunfähig sind. Sozialminister Rudolf Hundstorfer wurde deshalb auch beim Big Brother Award 2015 als „lebenslanges Ärgernis“ ausgezeichnet!

Besonders erschütternd: 2007 unterstützen die Grünen noch die Erwerbslosenproteste und 2014 verhinderte Grüne Sozialsprecherin Birgit Hebein noch eine Verschlechterung für Invalide. Seit sie aber in Wien mitregieren gingen sie sozialpolitisch bald auf Tauschstation. Birgit Hebein trägt nun sogar massive Verschärfungen in Wien mit und versucht diese im neoliberalen Zwidenken als „Ausbau der Hilfe“ zu verkaufen! Erwerbslose haben als im bestehenden Herrschaftssystem überhaupt keine Stimme mehr! Eine anerkannte und unabhängige Vertretung mit Mitspracherechten hatten Erwerbslose als Paria der kapitalistischen Lohnarbeitsgesellschaft sowieso nie!

Die AlVG-Novelle 2007 führte nach Abflauen der Erwerbslosenproteste am 10.12.2009 zur Gründung des Vereins „Aktive Arbeitslose“, der im Rahmen seiner Möglichkeiten weiter gegen die Unkultur des Vergessens ankämpfen wird. Dass vor 30 Jahren, 1987 also, unter rotschwarz der große Sozialabbau, sogar fast ein Jahr lang eine „Sozialbewegung“ aktiv war und im Herbst 1987 der erste große StudentInnenstreik ein kurzes Widerstandslüfterl durch Österreich wehte, ist heute im geschichtslosen Zeitalter von Anti Social Media nicht einmal einen kurzen Gedanken mehr wert ...

Weitere Informationen:

Stationen im neoliberalen Umbau des Sozialsystems in Österreich

Arbeitslosenversicherungsgesetz-Novelle 2000:

  • Abschaffung der Wertsicherung des AMS-Bezugs (Valorisierung)

Arbeitslosenversicherungsgesetz-Novelle 2004:

  • Befristung/Abschaffung Berufsschutz

  • Statt ortsüblicher Lohn nur noch KV-Lohn ohne Überzahlung „zumutbar“

  • Betreuungsvereinbarung

Arbeitslosenversicherungsgesetz-Novelle 2007:

  • sozialökonomische Betriebe, gemeinnützige Beschäftigungsprojekte, dank Gewerkschaft „Transitarbeitsarbeitskräfteregelung“ = Einheitslohn

  • Arbeitstraining, Arbeitserprobung (keine Entlohnung, nur AMS-Bezug)

  • Höhere, einseitige Strafen für Nichtanmeldung einer Arbeitsaufnahme (Pfusch)

  • Bezugssperren wegen Selbstkündigung ausgeweitet

Mindestsicherung 2010 [Stellungnahme zu Wien]:

  • Stärkere Anbindung an das AMS und seine Zwangsmaßnahmen, automatische Bezugskürzung

  • automatisierter Datenabgleich mit anderen Behörden

Arbeit–und–Gesundheit–Gesetz, 2011:

  • „Beratungsstelle“ fit2work, nach Novelle Datenweitergabe an Sozialversicherungen, AMS, Bundessozialamt

Erhöhung Gerichtsgebühren 2012

„Reform der Invaliditätspension“:

Verschärfung Pflegegeld, Herabstufung von Behinderungseinschätzungen

Arbeitslosenversicherungsgesetz 2016:

  • Verknüpfungsanfrage des AMS bei zentralen Melderegister

Arbeitsmarktintegrationsgesetz 2017:

  • Bis zu 9 Monate unbezahlte, nicht versicherte gemeinnützige Zwangsarbeit für Asylwerber im Rahmen eines zwangsweisen „Integrationsjahres“ mit vorgeschriebener „Integrationsvereinbarung“

Mindestsicherungsnovellen 2017:

  • Deckelungen bzw. Bezugskürzungen im Burgenland (rotblau) , Oberösterreich (schwarzblau), Niederösterreich (schwarzrot), Tirol und Vorarlberg (schwarzgrün)

  • Mindestsicherungsnovelle Wien 2007: Verschärfung des Sanktionenregims und massive Ausweitung der mit Sanktionen erzwungener Zwangsmaßnahmen bis hin zu Sozialarbeitergespräche, psychoszozialer Betreuung und Case Management und Zwangsrehab für Invalide, denen der Dauerbezug durch Erklärung als „arbeitsfähig“ weggenommen wird.

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