Sehr geehrter Herr Bundespräsident!
In Ihrer Rede zur Regierungsangelobung haben Sie betont "ein Vertreter aller Österreicherinnen und Österreicher zu sein" und "den Willen und das Wohl aller im Blick zu haben". Sie erwähnten auch die Notwendigkeit von "Respekt vor Andersdenkenden, Respekt von Minderheitenrechten und Unterstützung für die Schwächeren in unserer Gesellschaft".
Damit stimme ich überein. Allerdings frage ich mich, wie Sie dieses Ansinnen mit der Angelobung einer Regierung in Einklang bringen können, deren Mitglieder teilweise dem Rechtsextremismus nahe stehen, Menschenrechte, wie das Recht auf Asyl mit Füßen treten, ein gemeinsames Vorgehen auf der Ebene der Europäischen Union im Umgang mit Geflüchteten ablehnen und das österreichische Sozialsystem schwer beschädigen wollen.
Neben den geplanten Verschlechterungen für AsylwerberInnen greift die schwarz-blaue Regierung generell die soziale Sicherheit aller Lohnabhängigen dieses Landes an!
Wie Sie wissen sieht das Koalitionsübereinkommen von ÖVP/FPÖ besonders in der Erwerbslosenpolitik zahlreiche und schwerwiegende Verschlechterungen vor. So soll die Arbeitslosengeldhöhe mit Bezugsdauer schrittweise reduziert werden. Auch soll der Arbeitslosenbeitrag für Unternehmer generell gesenkt und auf diese Weise das Budget des Arbeitsmarkservice willkürlich gekürzt werden.
Wie Sie wissen, soll die Notstandshilfe abgeschafft werden. Das bedeutet, dass Menschen, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld abgelaufen bzw. wegen längerer Bezugsdauer zu niedrig für die Bestreitung des Lebensunterhalts geworden ist, auf die „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“ (BMS) angewiesen sein werden.
Wie Sie wissen muss für den Erhalt der Mindestsicherung das eigene Vermögen bis auf 4222,30 Euro (Wien, 2017) "verwertet" werden. Die Behörde kann sich im Falle eines Eigenheimes (Haus, Eigentumswohnung) ins Grundbuch eintragen und sich damit Ersatzforderungen für BMS-Leistungen für die Zukunft sichern. Im Falle des Todes eines Beziehers von BMS kann sie die vom Erblasser bezogene Leistung von den Erben zurückverlangen! Die Erben müssen dann die „Schulden“ zurückbezahlen und die Wohnung oder das Haus u. U. verkaufen, da sie immer bis zur Höhe des Nachlasses haften! Die Sicherstellung eines Eigenheims im Grundbuch bei erfolgtem Wiedereinstieg in das Berufsleben bleibt aufrecht und kann realisiert werden, wenn die Wohnung nicht mehr gebraucht wird. Auch kann im Falle des Bezuges von BMS seitens der Behörde der Verkauf des eigenen Autos verlangt werden.
Die Bundesregierung plant noch weitere Verschlechterungen für die Erwerbslosen, auf die ich hier nicht alle gesondert eingehen möchte. Allerdings scheint es mir wichtig Sie auf einen weiteren Anschlag auf das österreichische Sozialsystem aufmerksam zu machen. Die schwarz-blaue Regierung plant auf die Pension nur noch zwei Jahre(!) Arbeitslosenzeit anzurechnen! Mir ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bekannt, ob die neue Regierung vor hat, ein entsprechendes Gesetz rückwirkend, d.h. auf die vom AMS bereits gezahlten Pensionszeiten, anzuwenden, oder „nur“ auf Zeiten ab in Kraft treten dieses Gesetzes. Die Auswirkungen sind auf jeden Fall gravierend und werden vermehrter Altersarmut Vorschub leisten!
Ich frage Sie Herr Bundespräsident Van der Bellen: Was ist das anderes als rücksichtsloser Sozialraub! Ich möchte Sie an Ihre eigenen Worte erinnern: „Am Umgang mit den Schwächsten zeigt sich, was unsere Werte wirklich wert sind“.
Herr Bundespräsident, ich habe Sie aus einem einzigen Grund gewählt. Ich wollte dazu beitragen den Zugriff des österreichischen Rechtsextremismus auf die Hofburg - zumindest außerhalb der Ballsaison – zu verhindern. Jetzt haben gerade Sie eine Regierung angelobt die für Sozialraub, weitere Entsolidarisierung und Schwächung der Europäischen Union zugunsten partikularer, nationalistischer Interessen steht! Es ist nun Ihre Verantwortung alles daran zu setzten, diese Angriffe auf das Wohl der Menschen in diesem Lande zu verhindern! Die nächste Möglichkeit, die sich dazu bietet, ist Ihre Neujahrsansprache!
Ich fordere Sie dazu auf klare Worte gegen die fortschreitende Zerstörung des österreichischen Sozialsystems und gegen die Verhöhnung der Menschenwürde zu finden.
An Ihren Worten wird sich zeigen, welche Werte Sie selbst vertreten!
Mit freundlichen Grüßen
Roman D.