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Schluss mit dem potemkinschen Dorf „zweiter Arbeitsmarkt“!

Aktive Arbeits… am Mi., 21.09.2016 - 21:39

Aktive Arbeitslose fordern Beseitigung der Sonderrechtszone im AMS-Sumpf

(Wien, 20.9.2016) Dank technischer Rationalisierung, Globalisierung und neoliberaler Politik werden viele gut bezahlte Arbeitsstellen vernichtet und immer mehr prekarisierte, oftmals nicht Existenz sichernde Teilzeitjobs geschaffen.

In den vergangenen Jahren wird der Ausbau des an und für sich in der österreichischen Rechtsordnung nicht vorgesehenen „zweiten Arbeitsmarktes“ (SÖBs und GBPs) als angebliches Mittel gegen die steigende Massenarbeitslosigkeit angepriesen. Auf der heute in Wien statt gefundenen "Jobmesse" von Betrieben des "zweiten Arbeitsmarktes" wurde sogar mit AMS Landesgeschäftsführerin Petra Draxl und der Wiener Gemeinderätin Tanja Wehsely aufgefahren, um unter dem irre führenden Titel "Jobs für alle" die eher mickrigen Ergebnisse dieserm teuren Ersatzhandlung schön zu reden. Bei rund 180.000 Erwerbsarbeitslosen (inkl. Dunkelziffer) vermögen die paar Tausend Projektstellen, selbst wenn sie wirklich gut und wirksam wären, kaum etwas auszurichten. Die Probleme liegen daher in der Dauerkrise des neoliberal zugespitzten Kapitalismus.

Als größte Betroffenenselbstorganisation lehnt daher die Basisgewerkschaft "Aktive Arbeitslose  Österreich" die Schaffung einer Sonderarbeitszone aufs Entschiedenste ab, weil diese via Versicherungsbeiträgen und Steuern großteils von uns ArbeitnehmerInnen selbst finanziert wird.

Viele Problemfelder durch zweiten Arbeitsmarkt geschaffen:

Unter anderem herrschen Probleme und Rechtswidrigkeiten im „Arbeitslager“ des neoliberalen Aktivierungs- und Arbeitszwangregime:

  • Zuweisung unter Androhung der Existenzvernichtung durch Bezugssperren

  • Festlegung des Vorstellungstermins durch das AMS, mitunter wird SÖBs und GBPs vorgeschrieben, wen sie aufzunehmen haben (Verletzung § 3 AMFG).

  • Umgehung regulärer Branchen-Kollektivverträge durch eine sittenwidrige, niedrige Pauschalentohnung nach „Transitarbeitskräfteregelung“ (BAGS-KV, BABE-KV, Caritas-KV) ohne Anrechnung von Vordienstzeiten, Qualifikationen, Branche, Verwendung etc. Selbst dann, wenn ein Gewerbebetrieb einen Gewerbeschein hat und Mitglied der Wirtschaftskammer ist!

  • Oft nur nicht Existenz sichernde Teilzeitarbeit auf wenige Monate.

  • Oftmals rechtswidrige und schikanöse Inhalte in Arbeitsverträgen und dazu gehörigen „Regelwerken“ wie unangekündigte Alkoholkontrollen, Verdienstentzug, bei Krankenstand Kontrolle durch Arzt des Betriebes etc. etc.

  • Oft Arbeit im untersten Qualifikationsbereich, gesundheitlich den meist älteren ArbeiterInnen kaum zumutbar, versprochene Qualifikation findet oft nicht statt, Menschen werden zu HilfsarbeiterInnen runterqualifizit.

  • Zwangsweise „sozialpädagogische Betreuung“ die weit über den Rahmen eines normalen Arbeitsverhältnisses geht. Dadurch auch Stigmatisierung.

  • Weitergabe von personenbezogenen Daten (sozialpädagogische Betreuung) aus einem Arbeitsverhältnis, was nicht nur das Datenschutzgesetz verletzt sondern auch die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers und die Europäische Menschenrechtskonvention.

  • Keine Eigene Vertretung. Wenn Betriebsrat vorhanden, vertritt dieser eher die Interessen der „Schlüsselarbeitskräfte“ und des Unternehmens, nicht aber der „Transitarbeitskräfte“. Arbeitslose haben bis heute keine demokratische Mitsprache beim AMS obwohl eine solche aus ILO Empfehlung 202 über den nationalen Basisschutz folgen würde und in ILO Konvention 122 ein Anhörungsrecht vorgesehen ist.

  • Betriebe des „zweiten Arbeitsmarktes“ dürfen 1% der AMS-Förderungen für Personalkosten an deren Dachverbände abführen und so – obwohl im Gesetz nicht vorgesehen – Unternehmerlobbying auf Kosten von uns ArbeitnehmerInnen finanzieren. Arbeitsloseninitiativen bekommen nichts, obwohl in der Regierungsvorlage des Arbeitsmarktsservicegesetzes die Förderung von „Arbeitslosenselbsthilfeprojekten“ und „Arbeitslosenselbsthilfebetrieben“ vorgesehen ist!

  • Vor allem: Der „zweite Arbeitsmarkt“ ist eine sinnlose Geldverschwendung weil in den folgenden 5 Jahren der Nettoeffekt lediglich bei 14 Tagen mehr an ungeförderter Beschäftigung liegt (2,8 Tage pro Jahr!), dafür die Zahl der Tage in geförderter Beschäftigung um 228 Tage (45,6 Tage pro Jahr) steigt. Bei manche Projekte haben sogar NEGATIVEN Effekt auf weitere Beschäftigung!1 Der „zweite Arbeitsmarkt“ ist kein „Sprungbrett in den ersten Arbeitsmarkt“ sondern eine Armutsfalle!

Forderungen der Aktiven Arbeitslosen Österreich

Wir fordern, dass wir unser hohes Potenzial entsprechend den von Österreich unterzeichneten/beigetretenen Menschenrechtskonventionen durch frei gewählte, volle und möglichst produktive, unserer Qualifikation und Erfahrung angemessene, sowie menschenwürdig bezahlte Arbeit2 in sinnvoller Weise anwenden können!

  • Abschaffung der menschenrechtswidrigen Sanktionen! Die freiwillige Teilnahme nach vorheriger umfassender Information ist die einfachste Qualitätssicherung. Die Forschung zeigt, dass der Nutzen von SÖBs und GBPs eher in weichen Faktoren wie dem Ausüben einer Tätigkeit, der Stärkung des Selbstbewusstseins, dem Aufbau sozialer Kontakte etc. liegt, der nur auf Basis der Freiwilligkeit seine volle Wirkung entfalten kann. Sanktionen haben zudem massive negative Auswirkungen auf die Betroffenen!

  • Keine Sonderrechtszone „zweiter Arbeitsmarktes“ auf dem ArbeitnehmerInnenrechte aufgeweicht werden: Transitarbeitskräfteregelung nur als Mindeststandard. Keine Weitergabe persönlicher Daten aus dem Arbeitsverhältnis an das AMS! Keine Festlegung vom AMS, wer vom SÖB/GBP aufzunehmen ist. Keine Arbeitsverträge und dazu gehörende Regelwerke welche die ArbeitnehmerInnenrechte einschränken!

  • Unabhängige Vertretung von Erwerbsarbeitslosen, eigene ArbeitslosenbetriebsrätInnen für Menschen in Arbeitsprojekten. Finanzierung wie beim Dachverband der SÖBs/GBPs: 1% der Fördergelder für die aktive Arbeitsmarktpolitik.

  • Strikte Trennung von Arbeitsverhältnis und auf Freiwilligkeit beruhende zusätzliche Betreuung. Keine Datenweitergabe an das AMS aus dieser Betreuung!

  • Schluss mit der Defezitorientierung und der Pathologisierung der Erwerbsarbeitslosen. Ursachen der Erwerbsarbeitslosigkeit beim verursachenden Wirtschaftssystem bekämpfen statt in einer Täter-Opfer-Umkehr die von der Wirtschaft „aussortierten“ Menschen noch weiter zu demütigen. Schluss mit der Aktivierungsideologie, die in mit Gewalt durchgesetzten Kreisläufen vorgeblicher „Integrationsketten“ die Menschen noch kränker und kaputter macht!


1Eppel 2014] Eppel Rainer, Horvath Thomas u.A.: Evaluierung von Sozialen Unternehmen im Kontext neuer Herausforderungen, wifo und prospect, Wien 2014. Seite 45 und 68

2„Recht auf frei gewählte Arbeit“, Abschaffung der Zwangsarbeit:
* UN Menschenrechtserklärung 1948, Artikel 23 [BGBl 120/1956]
* Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte , Artikel 6 [BGBl 590/1978]
* Europäische Sozialcharta [BGBl 1969/460]
* Europäische Grundrechtecharta, Artikel 14 [Amtsblatt der EU Nr. C 130]
* ILO Konvention 122 [BGBl 1972/355], ILO Konvention 39, ILO Konvention 105, ILO Empfehlung 202

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