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20. ÖGB-Bundeskongress: Erwerbslose müssen draußen bleiben als stimmlose Objekte ohne Rechte

Soumis par Aktive Arbeits… le jeu, 22.06.2023 - 14:40

Aktive Arbeitslose kritisieren paternalistische Arbeitsmarkt)Politik des ÖGB und fordern demokratischen Aufbruch im ÖGB

(Wien, 22.6.2023) Für Erwerbslose hat auch der 20. ÖGB-Bundeskongress wenig gebracht, weil der ÖGB wieder nicht einmal weder Erwerbsloseninitiativen als Gastdelegierte eingeladen hat noch diese bei der Erstellung von Anträgen einbezogen was angesichts der massiven Bedrohung von Erwerbslosen Inflation und Digitalisierung ein unglaublich ignorantes Verhalten der paternalistischen ÖGB-Führung darstellt. Der ÖGB verweigert Erwerbslosen weiter den Status eines selbstbestimmten politischen Subjekts und schreibt seine paternalistische „Arbeitsmarktpolitik“ wenngleich mit einigen Verbesserungen fort.

ÖGB legitimiert repressive AMS-Politik gegen Erwerbslose

In seinen paar Forderungen zur Erwerbslosenpolitik beschränkt sich der ÖGB auf kleine Reförmchen im engen Rahmen der herrschenden Ordnung von Kapital und Staat1 ohne, so wie bei den ersten Gewerkschaftskongressen Ende des 19. Jahrhunderts grundlegende Kritik zu üben oder gar echte Alternativen zum kapitalistischen bzw. neoliberalen Hamsterrad wie die Arbeiter*innenselbstverwaltung, Solidarische Ökonomie, Social Commons usw. auch nur im Entferntesten anzustreben.

Die massive Gewalt der „schwarze Pädagogik“ des AMS-Strafregims, das ein Angriff auf die Rechter aller Arbeiter*innen ist, wird immer noch nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern nur etwas gemildert und somit die strukturelle Gewalt gegen Arbeiter*innen weiter mitgetragen. AMS-Bezugsperren sollen nach unverbindlichem Wunsch des ÖGB gestaffelt werden, das heißt bei der ersten Strafe soll „nur“ noch um 25% der meist sowieso viel zu niedrige AMS-Bezug gekürzt werden, beim zweiten Mal um 50%, bei dritten Mal um 75% und ab dem vierten Mal weiter um 100% und das obwohl schon seit Jahren ohne merkbare Proteste des ÖGB die Möglichkeit des teilweisen Ausgleichs von Existenz bedrohenden Bezugssperren durch die Mindestsicherung / Sozialhilfe von den Landesregierungen, auch den von der SPÖ regierten wie Wien, klammheimlich abgeschafft wurde. Bereits das Deutsche Bundesverwaltungsgericht oder der Europäische Gerichtshof haben in Weg weisenden Urteilen festgestellt, eine menschenwürdige Existenz unter allen Umständen gesichert sein muss und das Existenzminimum keinesfalls angegriffen werden darf. Das kommt den hochbezahlten ÖGB-Funktionär*innen erst gar nicht in den Sinn.

Genauso desaströs sind die Forderungen zur „überregionalen Vermittlung“ durch das AMS, bei der unter Androhung der Existenzvernichtung Arbeit Suchende vor allem in Wien gezwungen werden sollen, in schlecht bezahlte Tourismusjobs im Westen Österreichs anzunehmen. Ein Relikt des Wanderarbeiter*innentums aus den Zeiten der Monarchie wohl. Statt diese massive Menschenrechtsverletzung endlich zu bekämpfen, präsentiert der ÖGB lediglich das als Forderung, was sowieso genauer betrachtet schon von Gesetzes wegen das AMS einzuhalten verpflichtet wäre, wenn ÖGB und AK ihre Aufgabe in den Aufsichtsgremien des AMS effektiv wahrnehmen würden: Vorrang regionaler Vermittlung vor überregionaler (§ 29 Abs. 2 Ziff. 1 AMSG: Berücksichtigung von Vermittlungswünschen), wenn es die familiäre Situation zulässt (Artikel 8 EMRK Schutz des Privat- und Familienlebens), angemessene, kostenfreie Unterkunft (explizit in § 9 Abs. 2 AlVG!).

Der ÖGB fordert am Papier zwar die Wertsicherung der AMS-Bezüge, weigert sich aber beharrlich dem Auftrag des Petitionsausschusses des Nationalrats nachzukommen, zu einer parlamentarischen Bürgerinitiative von Aktive Arbeitslose Österreich mit genau dieser Forderung Stellung zu nehmen. Die Arbeiterkammer hat das in kurzer Zeit vorbildlich gemacht!

Der ÖGB will am Papier zwar eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 %, hat aber das von Gewerkschaftsaktivist*innen mitgetragen Volksbegehren „Arbeitslosengeld rauf“2 praktisch nicht unterstützt, weshalb dieses eher knapp die Hürde zur Behandlung im Nationalrat nicht geschafft hat.

Nicht fehlen darf das neue Liebkind der SPÖ, die „Jobgarantie“, das beim ÖGB vage bleibt: Wo und wie passende Arbeitsplätze geschaffen werden sollen ist unklar, Arbeit Suchende sollen bei der Stellenauswahl lediglich „einbezogen“ werden, was noch deutlich entfernt vom Menschenrecht auf FREI gewählte Arbeit nach ILO Übereinkommen 122 ist.

Unter „faire Chancen für ältere Menschen“ fordert der ÖGB „dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem ‚zweiten Arbeitsmarkt‘“, ob diese „Möglichkeiten“ wirklich freiwillig sind und der ÖGB geruht endlich der Umgehung regulärer Arbeitsverträge durch die vermutlich sittenwidrigen Pauschalentlohnung nach „Transitarbeitskräfteregelung“3 ein Ende zu setzen, bleibt unklar.

Mehr Personal für das AMS bedeutet laut Ergebnissen von wifo-Studien4 leider im bestehenden System auch mehr Druck auf Arbeit Suchende durch noch mehr Kontrolle und damit auch noch mehr existenzgefährdende Bezugssperren!

Der ÖGB fordert zwar dass die Selbstverwaltung bei der Sozialversicherung wieder in die Hand der Arbeiter*innen zurück muss. Allerdings immer noch mit Mitsprache der Unternehmen und des Staates! Der ÖGB vergisst dabei auf das AMS, obwohl die Arbeitslosenversicherung von den Gewerkschaften als selbst verwaltete Vereine begründet worden ist und laut 2. und 3. Gewerkschaftstag diese keinesfalls in die Hand des Staates und der Unternehmen fallen dürfe!

Was der Staat und Kapital gegenüber willfährige ÖGB unter „die gute Zusammenarbeit mit der österreichischen und globalen Friedensbewegung auszubauen und zu stärken“ haben wir schon anhand des Rauswurfs einer lange vorbereiteten internationalen Friedenskonferenz kurz vor deren Start erst neulich gesehen.5 Entsprechend vorsichtig sind all die vielen schönen Forderungen und Versprechen des ÖGB in seinen geduldigen Papieren zu betrachten.

Ist der ÖGB ein neoliberaler Fitnessclub im Dienste von Kapital und Staat?

Das „Arbeitsprogramm 2023 – 2028“ ist schon alleine deshalb eine Mogelpackung, weil es lediglich großteils vage Forderungen an Andere enthält, aber keinerlei Information darüber, was der ÖGB selbst zur Erreichung dieser Ziele zu tun gedenken wolle. Ein Kapitel über die Demokratisierung des ÖGB, die Stärkung seiner Kampfkraft, die Stärkung der Mitgliederrecht, das sucht mensch wieder einmal vergebens.

Auffallend an der Sprache sind die vielen neoliberalen Plastik- und Nebelwörter, die genausogut aus einer Marketingbroschüre der Wirtschaftskammer oder Industriellenvereinigung übernommen worden sind: Der ÖGB will uns bzw. die Gesellschaft also beschäftigungsfit, gelschlechterfit, klimafit, pandemiefit zukunftsfit, krisenfest usw. machen und ja „niemanden zurück lassen“, denn als vermeintlicher (Co)Manager der Ware Arbeitskraft6 versucht der ÖGB seine Mitglieder auf den Markt zu treiben, weshalb er den kapitalistischen Kampfbegriff „Arbeitsmarktpolitik“ statt wie noch in den 80er Jahren, Beschäftigungspolitik unkritisch verbreitet.

Unter der hohlen Phrase „niemanden zurück lassen“ (wer bestimmt denn die Richtung?) müssen alle wie gleichgeschaltet auf der Sklavengaleere fleißig mitrudern um die Kapitäne des Kapitals bei Laune zu halten auf das ein paar Brösel mehr abfallen statt die Galeere zu übernehmen und daraus ein selbstbestimmten Luxusliner für Alle zu machen. Selbstredend muss im digitalen Überwachungskapitalismus der Mensch als Lohnsklave und Konsument7 bereits von klein auf zugerichtet werden, weshalb „digitale Kompetenzen“ im Bildungsbereich bereits vom Kindergarten an vermittelt werden sollen. In allen Bereichen wie auch im Gesundheitsbereich soll der Konsument der Optimierung und Digitalisierung nicht mehr auskommt, weshalb auch Wahlärzte zur Kontrolle der eCard und zum Anschluss an ELGA verpflichtet werden sollen und das Casemanagement – das sich zumeist auf die Sammlung von Daten über die „Betreuten“ beschränkt – bei der ÖGK weiter ausgebaut werden sollen.

Selbstredend singt der ÖGB das hohe Loblieb der „Sozialpartnerschaft“, bei der die Minderheit der Unternehmer die Mehrheit der Arbeiter*innen runter holt um diese mit faulen Tauschhandel hinzuhalten, ohne auch nur irgend etwas weitergehende zu fordern oder gar wenigstens den von den Ergebnissen der „Sozialpartnerschaft“ betroffenen Menschen mehr Transparenz oder gar direkte Mitsprache zu ermöglichen.

Insgesamt wieder eine verpasste Chance zum auch für außen stehende mitreißenden Aufbruch zu einer breiten und demokratischen Arbeiter*innenbewegung, mit der wie einst von Bruno Kreisky versprochen, endlich alle Bereiche der Gesellschaft mit Demokratie zu durchfluten.

Aktive Arbeitslose Österreich fordern unter anderem:

  • Aktive und wirksame Einbeziehung von Erwerbsloseninistiativen bei erwerbslosen- und beschäftigungspolitischen Fragen sowie Recht als Gastdelegierte eingeladen, Anträge stellen und auf gleicher Augenhöhe mitdiskutieren zu können.

  • Schluss mit der permanenten Existenzbedrohung durch die „schwarze Pädagogik“ der Bezugssperren!

  • Menschenrecht auf frei gewählte Arbeit nach ILO Übereinkommen 122 endlich umsetzen!

  • Umwandlung des AMS in ein von Arbeiter*innen und Erwerbslosen selbst verwaltetes Erwerbslosenservice (ELS)

  • Schluss mit dem paternalistischen „zweiten Arbeitsmarkt“ und seiner Disziplinierungs- und Überwachungsfunktion. Umwandlung der „sozialökonomischen Betriebe“ in Genoss*innenschaften mit Erwerbslosenbetriebsräten.

  • Aufbau einer Erwerbslosen- und Sozialanwaltschaft als Rechtshilfeagentur und Mitbestimmungsplattform

Weitere Information:

1Bereits Jaroslav Hasek hat das Dilemma der Sozialdemokratie des um jeden Preis mitregieren wollens schon vor treffend parodiert mit seiner „Partei des mäßigen Fortschritts in den Grenzen der Gesetze“
https://de.wikipedia.org/wiki/Partei_f%C3%BCr_gem%C3%A4%C3%9Figten_Fortschritt_in_den_Schranken_der_Gesetze
https://syndikalismus.wordpress.com/2013/01/03/jaroslav-hasek-und-die-partei-des-masigen-fortschritts-in-den-grenzen-der-gesetze/
 

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